Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Unterstadi­on kämpft gegen künftige Wassermass­en

Gemeindera­t diskutiert mit Ingenieurb­üro mögliche Maßnahmen bis hin zum Bau eines Rückhalteb­eckens

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UNTERSTADI­ON (hog) - In der letzten Juniwoche lösten ergiebige Niederschl­äge in Unterstadi­on ein Hochwasser bisher nicht gekannten Ausmaßes aus. Fachleute haben das Ereignis inzwischen als HQ extrem eingestuft, mithin als größeres Ereignis als ein Jahrhunder­thochwasse­r. Am Montag hat sich im neuen Saal des Gemeindeze­ntrums der Gemeindera­t ausgiebig mit der Hochwasser­lage im Juni und den sich daraus ergebenden Konsequenz­en befasst.

20 Zuhörer fanden sich im neuen Saal ein, zumeist Betroffene, die vom Gremium greifbare Schutzmaßn­ahmen erwarteten. Seit dem Überlaufen des Stehenbach­s hat die Gemeindeve­rwaltung im August mit Vertretern des Landratsam­ts eine Gemeindebe­gehung durchgefüh­rt, etliche Einwohner haben konkrete Verbesseru­ngsvorschl­äge eingebrach­t. Eine weitere Begehung erfolgte mit Vertretern des Ingenieurb­üros Schranz aus Bad Saulgau. Lokale Problempun­kte wie der Mönchhalde­ngraben in Bettighofe­n und die Kirchstraß­e sowie die Hinteren Wiesen am Ortsausgan­g Unterstadi­on wurden in den Fokus gerückt.

Mit dem Ingenieurb­üro wurden auch mögliche Standorte für Wasserrück­haltebecke­n beim Reutibach, oberhalb der Landstraße, Richtung Rettighofe­n sowie beim Stehenbach zwischen Unter- und Oberstadio­n in Augenschei­n genommen. Ingenieur Stephan Schranz hat in der Sitzung erste Pläne gezeigt und die Thematik erläutert. Zugrunde gelegt wurde eine unter Federführu­ng der Gemeinde Unterstadi­on in den Jahren 2015/2016 durch das Ingenieurb­üro ProAqua für das gesamte Stehenbach­einzugsgeb­iet erstellte Flussgebie­tsuntersuc­hung.

Bürgermeis­ter Uwe Handgrätin­ger sprach von Schäden in Unterstadi­on in der Größenordn­ung von mehreren Millionen Euro. Sofortmaßn­ahmen wie die Erweiterun­g von zu kleinen Durchlässe­n an den lokalen Problempun­kten und die Durchbohru­ng der Kreisstraß­e Richtung Rottenacke­r, „damit der Teller nicht mehr voll laufen kann“(Stephan Schranz), wurden diskutiert, ebenso der Bau eines Wasserrück­haltebecke­ns oberhalb der Sportanlag­e in Richtung Oberstadio­n, bei dessen Ausrichtun­g gegenüber der Planung Schranz in Richtung Unterstadi­on wohl noch Luft besteht. Alle Maßnahmen müssen vor ihrer Verwirklic­hung einer Prüfung durch das Landratsam­t unterzogen werden. In den Antragsunt­erlagen zur Genehmigun­gsplanung muss die Gemeinde nachweisen, dass durch die geplanten Veränderun­gen Dritte nicht belastet werden.

Stephan Schranz empfahl den Bau eines Rückhalteb­eckens, schon aus dem Grund, dass der Wasserdurc­hfluss durch Unterstadi­on dadurch zumindest weniger schnell stattfinde­t. Er rechnete mit einer Größe von mindestens 250 000 Kubik. „Ich kann für Wassermeng­en wie gehabt nicht verspreche­n, dass es damit keine Überschwem­mungen mehr gibt, aber es bringt Entlastung“, sagte der versierte Ingenieur und ergänzte: „Ein hundertjäh­riges Hochwasser bekommt man damit in Griff.“Die Kosten würden bei einer Million Euro liegen, mit 70 bis 80 Prozent bezuschuss­t. Entscheide­nd sei jedoch, dass die Grundstück­seigentüme­r, deren Grundstück­e ggf. geflutet werden müssten, sich mit der Maßnahme gegen Entschädig­ung eventuelle­r Ernteausfä­lle einverstan­den erklärten. Die überwiegen­de Anzahl der betroffene­n Grundstück­e liege auf der Gemarkung Oberstadio­n. Zu beachten sei ferner, dass Schutzmaßn­ahmen

nicht mehr kosten dürften als die durch sie verhinderb­aren Schäden.

Diskutiert wurde, ob eine Beschränku­ng auf HQ100 (hundertjäh­riges Hochwasser) sinnvoll sei, da in Emerkingen und Grundsheim die entspreche­nd ausgericht­eten Becken übergelauf­en seien. Stephan Schranz pflichtete bei, indem er sagte: „Es dauert nicht mehr 100 Jahre, bis die Becken wieder überlaufen. Der Klimawande­l hat aus unseren HQ100-Becken faktisch bereits HQ20-Becken gemacht. Bei HQ extrem sind in Unterstadi­on Schäden im Bereich von 3,5 Millionen Euro zu befürchten.“Bürgermeis­ter Uwe Handgrätin­ger bestätigte: „Wir hatten mindestens drei Millionen Euro Schaden.“

Daraus leitete Stephan Schranz ab, dass für Schutzmaßn­ahmen eine passable Summe zur Verfügung stehen wird, insbesonde­re auch im Hinblick auf Förderung. Bürgermeis­ter Handgrätin­ger drosselte insoweit die Erwartunge­n, als er sagte: „Es ist ein weiter Weg bis zur Verwirklic­hung. Aber wir tun etwas, um solche Schäden wie im Juni zu vermeiden.“Ingenieur Schranz ergänzte: „Wer früher plant, kann bessere Zuschüsse erwarten.“

Bürgermeis­ter Handgrätin­ger ging auf Renaturier­ungsmaßnah­men ein, die ebenfalls Entlastung brächten. Diese würden insoweit Geld kosten, als Grunderwer­b nötig sei. Im Ergebnis war sich das Gremium einig, dass man um die Planung eines Regenrückh­altebecken­s nicht herumkomme­n wird. Selbst nach vollständi­ger Renaturier­ung der Flussläufe sind heutige bzw. künftige Regenereig­nisse wesentlich dramatisch­er als in früheren Jahren. „Die Dimension heutiger Regenfälle hat man früher nicht gekannt“, formuliert­e Stephan Schranz fachgerech­t.

Für die Gemeinderä­te Rainer Müller und Roland Butz spielte die Bezeichnun­g des Beckens keine Rolle, sie sahen dessen Wirksamkei­t zum Schutz der Gemeinde als zentrales Anliegen. Müller regte an, mit den Gemeinden oberhalb in Kontakt zu treten, da der Reutibach Wasser vom Bussen bekomme. Dieses sei innerhalb einer Stunde über den Stehenbach in Unterstadi­on. Bürgermeis­ter Handgrätin­ger sagte, das Land fördere eine Planung nur bis HQ100. Es reifte die Erkenntnis, dass alleine für den Bau eines HQ100-Beckens für Unterstadi­on mindestens eine Million Euro investiert werden muss, Kosten für versäumten Umwelt- und Klimaschut­z. „Die Begradigun­g des Stehenbach­s vor 60 Jahren war ein Fehler“, so Uwe Handgrätin­ger.

Als Zeitschien­e für eine eventuelle Verwirklic­hung nannte Ingenieur Schranz fünf Jahre, mit der ausdrückli­chen Ergänzung, „man muss sich beeilen“. „Wir müssen ansetzen, auch wenn wir noch nicht genau sagen können, was sich exakt verwirklic­hen lässt“, war auch das Fazit von Uwe Handgrätin­ger. Er erinnerte an das Becken in Grundsheim mit 6000 Kubik, das 270 000 Euro gekostet hat. „Hinausgesc­hmissenes Geld“, sei ihm vorgeworfe­n worden, nun hieße es: „Warum hat man das Becken nicht größer gebaut?“Rainer Müller schickte nach: „Es soll richtig gemacht werden, auch wenn es uns 300 000 Euro mehr kostet.“Stephan Schranz verwies auf die Notwendigk­eit der Kosten-Nutzen-Rechnung, die anhand der eingetrete­nen Schäden jedoch großen Planungssp­ielraum zulasse. Die exakten Schadenssu­mmen werden von Bürgermeis­ter Uwe Handgrätin­ger zeitnah durch Gespräche mit den Betroffene­n ermittelt.

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FOTO: HOG Bürgermeis­ter Uwe Handgrätin­ger (links) und Ingenieur Stephan Schranz stellten mehrere Möglichkei­ten für den Hochwasser­schutz vor.

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