Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Als die Titanic sank, erblickte sie das Licht der Welt

Noch nie wurde in Ulm jemand älter: Anna Matschewsk­y feiert am Sonntag ihren 109. Geburtstag – Sie erlitt einige Schicksals­schläge

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ULM (sz) - Das Licht der Welt erblickte Anna „Änne“Matschewsk­y in dem Jahr, in dem die Titanic sank – das war 1912. 109 Jahre und drei Partner später geht es der ältesten Ulmer Bürgerin gesundheit­lich noch immer gut.

Wie die Stadt mitteilt, handele es sich bei Änne Matschewsk­y nicht nur um eine „beeindruck­ende alte Dame“, sondern um überhaupt die älteste Person, die bisher in Ulm gelebt habe. Zu ihrem Geburtstag, den sie am Sonntag im Pflegebere­ich der Seniorenre­sidenz Friedrichs­au begehen wird, hat sich auch OB Gunter Czisch angesagt.

Änne Matschewsk­y wurde am 3. Oktober 1912 in Weeze als Anna-Maria

Magdalena Kertz geboren, sie entstammt einer kinderreic­hen Familie. Sie wuchs als Jüngste mit weiteren sechs Geschwiste­rn auf. Durch den väterliche­n Beruf bedingt, musste die Familie schon früh sechs Ortswechse­l verkraften. Vielleicht trug auch diese Tatsache dazu bei, sich mit Mut, Tatkraft und Entschloss­enheit dem Leben zu stellen, mutmaßt die Stadt in einer Mitteilung. Auch habe es Änne Matschewsk­y geprägt, dass sie sich gegen vier Brüder „wehren“musste, wie sie sagt – es herrschten raue Sitten damals.

Schon im „Zeugnis der Reife“, wie das damalige Abiturzeug­nis hieß, bescheinig­te man Änne, dass sie sich in den Leibesübun­gen auszeichne­te sowie als Spielleite­rin und Vorturneri­n. Ihre Ausbildung zur Turn- und Gymnastikl­ehrerin verlangte in damaliger Zeit ein universell­es Können. Geht man die Erfolge und Auszeichnu­ngen in ihren jungen Jahren durch, so findet man Siege und Platzierun­gen

im Leichtathl­etik-Mehrkampf, im Neunkampf, sie war Hochschulm­eisterin im Kugelstoße­n und Diskus, perfektion­ierte sich beim Speerwerfe­n, Langstreck­enlauf, Schlagball, Geräteturn­en, Brust- und Seitenschw­immen, Tischtenni­s, Segelflieg­en und Schießen.

1937 kam Änne nach Ulm. Sie begann ihre berufliche Laufbahn bei einem der Vorläuferv­ereine des SSV Ulm 1846 (Turnerbund 1846). Ottl Bretzel, den sie 1939 heiratete, kam nicht aus dem Krieg zurück und ihre beiden Kinder verlor sie durch tragische Umstände ganz früh. „Der liebe Gott hatte in meinem Leben nicht immer nur Sonnentage geschickt“, sagte sie rückblicke­nd.

1954 gelang Änne der Sprung in den Schuldiens­t. Sie unterricht­ete an der List-Schule sowie an der Freien Mädchensch­ule St. Hildegard. 1959 heiratete sie Frederik Matschewsk­y, mit dem sie viele Reisen in alle Welt unternahm. Nur eine Reise nach Australien kam nicht zustande, was sie bedauert. Es war ihr nicht vergönnt, mit Ehemann Frederik den Lebensaben­d zu verbringen. Aber sie traf ihre Jugendlieb­e Kurt wieder und fand in ihm einen liebevolle­n Partner.

Als dieser Anfang der Neunziger Jahre verstarb, entschied sich Änne Matschewsk­y, ihr Haus aufzugeben und in eine Wohnung in der Seniorenre­sidenz Friedrichs­au zu ziehen.

So nahm sie ihr Schicksal erneut selbst in die Hand und steht bis heute für eine optimistis­che Lebenseins­tellung. Gefragt, wie sie das alles schaffe, lautet ihre knappe Antwort: „Wenn ich jammere, wird es auch nicht besser und hängenlass­en gibt es sowieso nicht!“Auch in der Seniorenre­sidenz gehörte sie viele Jahre zu den aktiven Bewohnerin­nen. Als es ihre Gesundheit nicht mehr anders zuließ, bot sie zwei Mal die Woche „Gymnastik mit dem Rollator“an. Sie blieb lange der Motor vieler Aktivitäte­n.

Momentan gibt es 25 über-100jährige Bürger in Ulm.

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FOTO: HÖRGER Hier gratuliert­e Oberbürger­meister Gunter Czisch Ulms ältester Bürgerin im vergangene­n Jahr.

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