Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Lebedew will Berlin entthronen

Neuer Trainer peilt mit dem VfB Friedrichs­hafen ersten Volleyball-Meistertit­el seit 2015 an

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FRIEDRICHS­HAFEN (dpa/SID/nib) Das neue Volleyball-„Wohnzimmer“von Mark Lebedew sollte eigentlich in Friedrichs­hafen stehen. Doch der deutsche Rekordmeis­ter VfB Friedrichs­hafen muss seine Heimspiele in der Ratiopharm-Arena in Neu-Ulm austragen. An der Mission Lebedews, der das Traineramt beim VfB für Michael Warm übernommen hat, ändert das nichts: Die Meistersch­aft soll wieder an den Bodensee.

Mark Lebedew bezeichnet sich selbst als Nerd. Der neue Coach der Häfler Volleyball­er verfügt über riesiges Fachwissen und weiß, dass ihn das auch ein bisschen zum Sonderling macht. Der langjährig­e Coach der Berlin Volleys pflegt seinen eigenen Blog „At Home On The Court“, in dem er praktische Tipps gibt, und veranstalt­et auch Seminare, in denen er zum Beispiel über das optimale Training im Mittelbloc­k berichtet. „Ich bin auf der Suche nach dem perfekten Spiel“, sagte Lebedew, als er in Friedrichs­hafen vorgestell­t wurde und im April einen Vertrag über zwei Jahre unterschri­eb. „Vielleicht bin ich tatsächlic­h ein Volleyball-Nerd, wenn man so sagen kann.“

Und vielleicht kann es dieser wissbegier­ige Australier schaffen, die Volleyball-Herrschaft der Berlin Recycling Volleys zu brechen. Das ist seine Mission, mit der er in Friedrichs­hafen angetreten ist, wie VfBGeschäf­tsführer Thilo Späth-Westerholt gegenüber der „Schwäbisch­en Zeitung“noch einmal klarmachte: „Natürlich ist Mark nicht gekommen, um Platz zwei hinter Berlin zu buchen.“Eine Herausford­erung, die Lebedew in seiner Trainerkar­riere schon einmal gemeistert hat: 2010 wurde er Coach in Berlin und durchbrach mit den Meistersch­aften von 2012 bis 2014 die damalige Regentscha­ft von Friedrichs­hafen. „Ich kenne also die Situation“, berichtete Lebedew, der den VfB mit dem ersten Meistertit­el seit 2015 unter Stelian Moculescu beschenken möchte.

Der Club glaubt an die Fähigkeite­n des Mannes aus Down Under, der zuletzt Gwardia Breslau in Polen betreute und auch schon in Belgien, Italien und als Nationaltr­ainer in seiner Heimat gearbeitet hat. „Mark Lebedew ist ein großer Volleyball­fachmann, hat enorme Erfahrung und konnte in der Vergangenh­eit bereits viele Erfolge feiern“, skizzierte Späth-Westerholt und gab ihm den Titel „absoluter Wunschkand­idat“.

Das „Wohnzimmer“des Vereins findet Lebedew aber nicht am Bodensee. Weil die bisherige Halle auf dem Messegelän­de in Friedrichs­hafen nicht mehr zur Verfügung steht, trägt der Traditions­verein seine Heimspiele in der Ratiopharm-Arena – Heimat der Ulmer Bundesliga­Basketball­er – im rund 110 Kilometer entfernten Neu-Ulm aus. „Wir haben viele Möglichkei­ten und Hallen geprüft“, erläuterte Späth-Westerholt. „Aber entweder waren die Hallen belegt oder aber sie haben nicht die Anforderun­gen der Volleyball Bundesliga und des europäisch­en Verbands erfüllt.“Die Ratiopharm-Arena erfüllt diese Kriterien etwa mit einer Deckenhöhe von 14 Metern. Lebedew wird mit seinem Team weiter in der Messe am Bodensee trainieren, muss aber in mehreren Zeiträumen in Schulturnh­allen im näheren Umkreis ausweichen. Schon vor der Saison 2020/21 hatte der VfB ohne eigene Halle dagestande­n – Grund war die Schließung der baufällige­n ZFArena in Friedrichs­hafen.

Sicherlich erschwert das die Mission Meistersch­aft, weshalb SpäthWeste­rholt

auch Realismus in seinen Aussagen an den Tag legte: „Unser Minimalzie­l ist es, den Status zu halten, den wir haben, um die Champions-League-Qualifikat­ion zu schaffen. Wir wollen mit der Übermacht Berlin Schritt halten, aber die Konkurrenz ist stärker geworden, deshalb muss unser Blick auch auf die Ränge drei und vier gehen“, sagte er im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. Der 54-jährige Lebedew bezeichnet­e Berlin ebenfalls als Favorit, sagte dem SID aber auch: „Ich habe keine Angst vor Berlin.“

Die Vorbereitu­ng des VfB war schwierig. Viele Spieler waren mit ihren Nationalma­nnschaften unterwegs oder hatten mit kleineren Verletzung­en zu kämpfen – bei der Premiere in der Ratiopharm-Arena am vergangene­n Samstag verlor der VfB mit 0:3 gegen Herrsching. Ein Fehlstart scheint möglich, zumal die Friedrichs­hafener ein hartes Auftaktpro­gramm haben. Los geht es für das Lebedew-Team in der Volleyball­Bundesliga am Mittwoch um 19 Uhr mit einem Heimspiel in Neu-Ulm gegen die SVG Lüneburg.

Die Berliner, die mit Nationalsp­ieler Ruben Schott und mit dem Ex-Häfler Nehemiah Mote noch einmal an Qualität dazugewonn­en haben, nehmen die ihnen zugeschrie­bene Rolle an. „Mit diesem Kader ist es unser Anspruch, wieder um alle nationalen Titel zu kämpfen“, betonte Kaweh Niroomand, Geschäftsf­ührer der BR Volleys. Teil eins gelang dem Champions-League-Starter mit dem deutlichen 3:0-Erfolg im Supercup am Samstag gegen die United Volleys Frankfurt schon mal. Der erste Minischrit­t in Richtung Meistersch­aft soll dann mit einem Heimsieg am Mittwoch (19.30 Uhr) gegen die Helios Grizzlys Giesen folgen.

In die Karten könnte dem VfB spielen, dass die Teams in dieser Saison zu Beginn etwas weniger unter Druck stehen. Da bei den Männern nur neun Teams an den Start gehen, gibt es vor den Play-offs eine Zwischenru­nde mit acht Mannschaft­en, die in zwei Gruppen ausgetrage­n wird. Neue Wege geht die Liga der Männer bei der Übertragun­g, mehr als 80 Partien werden auf der Streaming-Plattform Twitch gezeigt.

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FOTO: IMAGO IMAGES Erfolgstra­iner Mark Lebedew (Mi.) durchbrach mit Berlin einst die Dominanz des VfB, nun will er die Wende.

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