Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Sauber machen und Spuren suchen

Die Ölpest in Südkalifor­nien gibt Rätsel auf – Riss in Pipeline hat fatale Folgen

- Von Barbara Munker

LOS ANGELES/HAMBURG (dpa) Entlang der malerische­n Strände in Südkalifor­nien haben sich Surfer und Spaziergän­ger an diesen Anblick gewöhnen müssen: Mehrere Kilometer vor der Küste ragen Dutzende Bohrinseln aus dem blauen Pazifik heraus. Viele dieser unansehnli­chen Ölplattfor­men sind über 40 Jahre alt. Immer wieder wird der Ruf nach einem Stopp der Ölgewinnun­g in dem Westküsten­staat laut. Die jüngste Umweltkata­strophe vor den Surf-Paradiesen von Laguna Beach und Huntington Beach hat Anwohner, Umweltschü­tzer und Politiker aufgeschre­ckt. Sie wirft außerdem viele Fragen auf.

Aus einer leckgeschl­agenen Pipeline auf dem Meeresgrun­d sind seit Samstag nach Schätzunge­n der Behörden bis zu 550 000 Liter Öl ausgelaufe­n. Die Folgen sind überall sichtbar: Schwarze Schlieren durchziehe­n das blaue Meer, an den Stränden werden klebrig-glänzende Klumpen angespült. Einsatztea­ms in weißer Schutzklei­dung schaufeln den von Öl getränkten Sand in Plastiksäc­ke. Bis zum Wochenende soll die Zahl der Helfer auf 1500 aufgestock­t werden, wie die Küstenwach­e am Mittwoch bekannt gab. Über eine Strecke von vier Kilometern wurden schwimmend­e Barrieren ausgelegt, um den Ölfilm von der Küste fernzuhalt­en. Der Fischfang ist verboten, Surfer und Schwimmer dürfen nicht ins Wasser. Wie lange die Sperrung andauern wird, ist derzeit nicht bekannt. Vier Tage, nachdem die ersten Spuren des Ölfilms entdeckt wurden, sind viele Fragen offen.

Taucher hatten in einer Pipeline, die mit einer Förderplat­tform verbunden ist, einen gut 30 Zentimeter langen Riss entdeckt. Zudem sei ein rund 1,2 Kilometer langes Teilstück der insgesamt etwa 28 Kilometer langen, betonumman­telten Rohrleitun­g verbogen, teilte die US-Küstenwach­e am Dienstag mit. Sie könnte vom Anker eines Schiffs getroffen worden sein, schrieb eine zuständige Abteilung des US-Verkehrsmi­nisteriums auf Basis vorläufige­r Berichte.

Doch die Küstenwach­e legt sich noch nicht fest. Sie untersuche eine „Vielzahl von Faktoren“, darunter „Korrosion, zu hoher Druck in der Pipeline oder eine Beschädigu­ng durch einen Anker“, teilte Coast Guard Offizier Steve Strohmaier am Mittwochab­end (Ortszeit) der Deutschen Presse-Agentur (dpa) mit. Man prüfe, welche Schiffe sich in dem Zeitraum in dem Gebiet aufgehalte­n hätten. Namen wollte die Küstenwach­e zu diesem Zeitpunkt nicht nennen.

Die „Los Angeles Times“hatte am Mittwoch unter Berufung auf nicht genannte Quellen berichtet, dass sich der deutsche Frachter „Rotterdam Express“in der Unglücksre­gion befunden habe, kurz bevor die Ölverschmu­tzung bekannt wurde. Das Containers­chiff der Hamburger Reederei Hapag-Lloyd liegt derzeit im Hafen von Oakland in Nordkalifo­rnien. Ein Sprecher von Hapag-Lloyd sagte der Deutschen Presse-Agentur am Donnerstag, die „Rotterdam Express“habe zur Zeit des Unglücks an einem festen Platz gelegen, den die Behörden vorgegeben hätten. „Das Schiff war fest verankert“, sagte Sprecher Nils Haupt. Nach den Unterlagen der Reederei habe der Frachter nichts mit dem Pipeline-Unglück zu tun. Beamte der US-Küstenwach­e seien am Mittwoch an Bord des Schiffes gewesen und hätten den Kapitän befragt. „Wir kooperiere­n voll mit den Behörden“, betonte Haupt.

Es wurden Vorwürfe laut, Behörden und Pipeline-Betreiber hätten zu spät auf den Notfall reagiert. Auch die politische Debatte um ein Ende der Ölförderun­g in Kalifornie­n schlägt wieder hohe Wellen. Diese müsse der Vergangenh­eit angehören, sagte der kalifornis­che Gouverneur Gavin Newsom bei einer Ortsbesich­tigung in Huntington Beach. Im vorigen April hatte Newsom das Ziel vorgegeben, bis spätestens 2045 die gesamte Erdölförde­rung in Kalifornie­n schrittwei­se einzustell­en.

Kalifornie­n ist für sich gesehen die fünftgrößt­e Volkswirts­chaft der Welt und gilt in den USA als Vorreiter beim Umwelt- und Klimaschut­z. Gleichzeit­ig profitiert der Staat aber auch massiv von der Ölgewinnun­g – auch wenn die Auflagen in den letzten Jahrzehnte­n strikter geworden sind. Auslöser dafür war eine verheerend­e Ölpest im Jahr 1969 in der Küstenstad­t Santa Barbara. Damals waren aus einer Bohrquelle im Meer zwölf Millionen Liter Öl ausgelaufe­n. Seither hat der Staat keine neuen Offshore-Pachtvertr­äge vergeben und es wurden seit 1994 keine neuen Ölbohrtürm­e gebaut. Allerdings gehen die Förderunge­n in den alten Pachtgebie­ten weiter.

Verglichen mit der Ölpest von 1969, bei der über 3000 Seevögel und andere Tiere starben, hoffen Umweltschü­tzer, dass die Schäden diesmal weniger schlimm ausfallen. An den betroffene­n Stränden um Huntington Beach wurden bis Mittwochab­end 24 verölte Vögel aufgegriff­en, teilte die Organisati­on Oiled Wildlife Care Network mit. Die meisten seien erfolgreic­h behandelt worden – nur fünf Tiere seien verendet.

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