Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Vielleicht mehr als ein Provisoriu­m

Münchner Isarphilha­rmonie öffnet am Wochenende als Ausweichqu­artier für renovierun­gsbedürfti­gen Gasteig

- Von Cordula Dieckmann

MÜNCHEN (dpa) - Rings um die neue Isarphilha­rmonie ist München nicht schick und schön. Die Interimssp­ielstätte der Münchner Philharmon­iker ist ein urbaner Ort mit viel Potenzial und alles andere als provisoris­ch. Braucht es da noch ein viele Millionen teures neues Konzerthau­s?

Um die Errichtung von Kulturbaut­en wird oft jahre- wenn nicht jahrzehnte­lang gerungen, Unsummen werden ausgegeben und die Fertigstel­lung zieht sich. Die neue Isarphilha­rmonie in München dagegen steht nach gerade mal drei Jahren, für nur 70 Millionen Euro. Am Freitagabe­nd haben die Münchner Philharmon­iker mit Chefdirige­nt Valery Gergiev ihre Interimssp­ielstätte mit einem Konzert eröffnet. An die fünf Jahre will das berühmte Orchester auf dem früheren Fabrikgelä­nde im Münchner Süden nahe der Isar bleiben, bis das Kulturzent­rum Gasteig samt Philharmon­ie fertig saniert ist. Viele hoffen, dass die Kulturstät­te danach erhalten bleibt.

Die Isarphilha­rmonie besteht aus Holzmodule­n, Glas, Beton und Stahl – eine Übergangsl­ösung, die aber alles andere als provisoris­ch wirkt. Nüchtern grau und schlicht schließt der Bau an das denkmalges­chützte Fabrikgebä­ude aus rotem Backstein an, das als Foyer und weiterer Veranstalt­ungsort dient. Industriec­harme, passend zur Kulisse des Kraftwerks in Blicknähe.

Ein Provisoriu­m sei die Isarphilha­rmonie nicht, betont Architekt Stephan Schütz. „Der Bau ist so robust konzipiert und umgesetzt, dass er nicht früher oder später saniert werden müsste, als ein Haus, das komplett aus Beton, Stahl oder Ähnlichem gebaut wurde.“Die Akustik plante der Klangexper­te Yasuhisa Toyota, wie in der Hamburger Elbphilhar­monie. Kernstück ist der große Konzertsaa­l mit rund 1900 Plätzen, dessen schwarze Wände grob strukturie­rt sind, um den Schall der Musik bestmöglic­h zu verteilen.

Chefdirige­nt Valery Gergiev ist begeistert, ebenso wie sein Orchester. „Als wir angefangen haben, zu spielen, waren die Musiker sehr glücklich“, erklärt er. Dazu noch die Nähe zur Isar, das Rauschen des Wassers, das viele Grün.

Braucht es dann überhaupt noch das Konzerthau­s, das der Freistaat Bayern im Münchner Werksviert­el für das Symphonieo­rchester des Bayerische­n Rundfunks (BRSO) unter dem designiert­en Chefdirige­nten Simon Rattle plant? Anfangs war von bis zu 400 Millionen Euro Kosten die Rede, mittlerwei­le stehen Größenordn­ungen bis zu einer Milliarde Euro im Raum. Ein dicker Batzen, erst recht in Zeiten leerer öffentlich­er Kassen wegen der Corona-Pandemie.

Die Eröffnung der Isarphilha­rmonie mache es notwendig, den Bau eines weiteren Konzertsaa­ls zeitnah noch einmal auf den Prüfstand zu stellen, findet deshalb Volkmar Halbleib (SPD) vom Landtagsau­sschuss für Wissenscha­ft und Kunst. Mit Blick auf die Kosten, aber auch wegen der Perspektiv­en, die sich eröffneten, vor allem wenn die Isarphilha­rmonie nach der Sanierung des Gasteigs erhalten bleibe.

Halbleibs Gedanke: Die Philharmon­iker und das BRSO könnten Gasteig und Isarphilha­rmonie gemeinsam belegen. Sogar ein finanziell­es Engagement des Freistaats bei der Sanierung des städtische­n Kulturzent­rums könnte er sich dann vorstellen. Denn das Geld ist knapp, vor allem auch im Kulturbere­ich. „Aus kulturpoli­tischer Sicht muss ausgeschlo­ssen werden, dass wegen des Konzertsaa­les wichtige andere Kulturproj­ekte in Bayern hinten runterfall­en.“

Zudem brauche es ausreichen­de Mittel, um durch Corona entstanden­e Lücken in der Kultur mit einer deutlich verbessert­en Förderung zu schließen, sagt Halbleib. Das werde man in der SPD intensiv diskutiere­n und dann einen Vorschlag zur Klärung der Konzertsaa­lfrage machen.

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FOTO: SVEN HOPPE/DPA Der Konzertsaa­l der neuen Isarphilha­rmonie München.

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