Schweizer Edelschweine genießen das Leben in geräumigen Buchten aus Lärchenholz
Der Landwirtschaftsbetrieb Österle in Obermarchtal wurde mit dem Tierschutzpreis des Landes Baden-Württemberg ausgezeichnet
OBERMARCHTAL - Karl Österle, der gemeinsam mit seinem Sohn Thomas am südlichen Ortsrand von Obermarchtal einen landwirtschaftlichen Hof mit Sauenhaltung, Ferkelerzeugung sowie Ferkelaufzucht betreibt, hat im September von Landwirtschaftsminister Peter Hauk den Tierschutzpreis 2021 erhalten. Schon viele Jahre bietet Karl Österle seinen Tieren weit mehr, als die gesetzlichen Regelungen es vorschreiben. Die von ihm erzeugten Tiere gelangen mit der bestmöglichen Haltungsform 4 in den Handel.
„Mit der Verleihung des Tierschutzpreises zeichnet das Land Baden-Württemberg Bürgerinnen und Bürger aus, die sich in besonderer Weise um den Tierschutz und das Wohl der Tiere verdient gemacht haben.“Mit diesen Worten verband Peter Hauk, Minister für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz in Baden-Württemberg, die Verleihung des Preises an Karl und Thomas Österle. Vater und Sohn haben viel in ihren als Gesellschaft bürgerlichen Rechts geführten Betrieb hineingesteckt und werden jetzt reichlich für ihr Engagement belohnt, nicht nur mit dem Preis in Höhe von 7500 Euro, zumal sie diesen mit fünf weiteren Betrieben teilen müssen.
Der Lohn ist auf gänzlich anderer Ebene angesiedelt, was Karl Österle so beschreibt: „Selbst wenn ein Tag einmal nicht gut läuft, kann ich am
Abend Frieden finden, wenn ich meine Tiere beim Genuss ihrer Sonnenterrasse beobachte.“Darüber hinaus ist der Betrieb nicht vom Preisdruck auf dem Markt für Schweinefleisch betroffen, da mit Edeka Südwest ein langfristiger Vertrag abgeschlossen wurde, der neben einer Abnahmegarantie auch ein auskömmliches Einkommen für die beiden leidenschaftlichen Landwirte beinhaltet.
Schon beim Betreten des Aussiedlerhofs südlich von Obermarchtal erfasst den Besucher eine wohltuende Ruhe. Man fühlt sich rasch in eine längst versunkene Welt zurückversetzt, in der die Eltern von Karl Österle noch in der Ortsmitte einen Milchviehbetrieb hatten und vom Hof weg frisch gemolkene Milch verkauften. Dabei lebt der 85 Hektar umfassende jetzige Betrieb vom Einsatz modernster Erkenntnisse aus der Aufzucht von Schweinen.
Auf dem Hof von Familie Österle leben 220 bis 230 Muttersauen. Pro Jahr kommen hier mehr als 6000 Ferkel zu Welt, zwölf im Schnitt pro Wurf, und jede Sau wirft mindestens zwei Mal pro Jahr. „Beim Abferkeln gibt es bei uns keinen Kastenstand“, erläutert Karl Österle und zeigt die Buchten, die er und sein Sohn Thomas anhand jüngster Erkenntnisse der Wissenschaft selbst geplant haben. „9,3 Quadratmeter Platz bietet jede Bucht, die Muttersau kann sich frei bewegen. Es gibt drei Bereiche innerhalb jeder Bucht, das Ferkelnest mit wärmendem Dunkelstrahler, die gute Stube für die Muttersau und den Abkotbereich“, sagt Österle und zeigt stolz die mit sauberem Stroh vom eigenen Acker bestückten Buchten. Lediglich der Abkotbereich weist einen harten Boden auf, aber keine Spalten. „Schon die kleinen Ferkel pinkeln nicht ins Stroh, sondern in den Abkotbereich“, weiß Karl Österle, der klar Stellung bezieht: „Meine Schweizer Edelschweine sollen ein gutes Leben haben. Menschen vermeiden es, auf dem Betonboden zu schlafen, von den Tieren verlangen sie es. Das gibt es bei mir nicht, auch wenn bisher nur fünf Prozent der Landwirte da mitziehen.“
Vier Wochen werden die Ferkel von ihrer Mutter gesäugt, in denen sie bereits anfangen, parallel bei der Muttersau mitzufressen. Aus eigenem Getreide bietet Karl Österle Schrot aus Gerste, Weizen und Hafer, ergänzt durch Mineralfutter sowie Soja aus Baden-Württemberg und Bayern, und eigenes Heu, komplett genfreies Futter. „Da die Tiere durch das Stroh beschäftigt sind und genügend Platz haben, zeichnen sie sich alle durch einen intakten Ringelschwanz aus und fressen sich auch die Ohren nicht ab. Schon seit 2008 kastriere ich meine Tiere nicht ohne Betäubung“, so Karl Österle. Damit erfüllt er alle Anforderungen
des Tierschutzbundes, es finden keine Veränderungen an den Tieren statt. Die Tiere können daher unter dem Label „Hofglück“bei Edeka in den Handel kommen. „Das entspricht dem höchsten Standard in Deutschland, also Haltungsform 4“, sagt Österle.
Schon 2014 war der Betrieb von Karl Österle ein Tierwohlbetrieb. Das war das Jahr, in dem der Geschäftsführer von Edeka Südwest, Jürgen Mäder, auf ihn und drei weitere Landwirte zukam. Um den quantitativen und qualitativen Bedarf des hochkarätigen Interessenten von wöchentlich 500 Mastschweinen decken zu können, gründeten die vier Landwirte eine Erzeugerorganisation, in die sie inzwischen rund 60 Landwirte geholt haben, die den geforderten Standard ebenfalls erfüllen. „Der Erlös wird vollständig an die Erzeuger ausbezahlt, das Geld darf nicht im Zwischenhandel hängen bleiben“, sagt Karl Österle, der betont: „Wir erarbeiten das an 365 Tagen im Jahr.“
Inzwischen werden von der Erzeugergemeinschaft 1400 Mastschweine pro Woche erzeugt, Tendenz steigend, vom Bodensee bis Hohenlohe, vom Schwarzwald bis an die bayerische Grenze. In Ulm werden die Tiere nach Tierschutzkriterien geschlachtet. Karl Österle spricht von nachhaltiger Tierhaltung und zeigt gerne die Buchten, die er aus Lärchenholz fertigen ließ, weil die Sauen sich gerne an Holz anlehnen, und weil es ein nachwachsender Rohstoff ist. „Viel Wissen hat mein Sohn im Rahmen seiner Ausbildung zum Landwirtschaftstechniker aus der Schweiz mitgebracht“, verrät Landwirtschaftsmeister Karl Österle. Dazu gehört auch die Gestaltung des Stalls, der sich an beiden Traufseiten, je nach Temperatur, automatisch öffnet. Die bis zu 300 Kilo schweren Muttersauen können zwölf Mal ferkeln, ehe sie zu Wurst verarbeitet werden.
Wenn nach vier Wochen die Ferkel mit Tieren aus anderen Würfen zusammenkommen, vertragen sie sich aufgrund der guten Bedingungen hervorragend. Verletzte Tiere gibt es nicht. „Wir dürfen keine Hormone einsetzten“, bestätigt Karl Österle, der besonders stolz ist auf seine Sonnenterrasse, zu der rund 160 trächtige Sauen 24 Stunden am Tag Zugang haben. „Auch diese Muttersauen leben auf natürliche Weise friedlich in Gruppen zusammen“, sagt Österle und ergänzt: „Das klappt auch im Winter. Nur kalten Ostwind mögen sie nicht, da sind sie lieber drinnen.“
Die Besamung nimmt der hofeigene Eber vor, der allerdings durch die Samenbank unterstützt wird. „Drei Monate, drei Wochen und drei Tage sind die Sauen trächtig, ich weiß also jetzt schon, wie viele Ferkel ich zu Weihnachten bekomme“, freut sich Karl Österle. Und Erweiterungen des Hofes sind nebenbei auch im Gange.