Schwäbische Zeitung (Ehingen)

„Knappe erneuerbar­e Energie nicht verschwend­en“

Für Kraftstoff-Experte Ulf Neuling sind E-Fuels keine Alternativ­e zur Elektromob­ilität

- Von Hannes Koch

- Für Pkw sind E-Fuels keine Alternativ­e zur Elektromob­ilität, sagt der promoviert­e Verfahrens­techniker und Kraftstoff-Experte Ulf Neuling (Foto: OH) von der Organisati­on Agora Verkehrswe­nde.

Herr Neuling, flüssiger Autotreibs­toff aus Ökostrom, Wasserstof­f und Kohlendiox­id – wie sinnvoll ist er im Vergleich zum fossilen Verbrennun­gsmotor und zum E-Auto? Im Straßenver­kehr sind E-Fuels keine Alternativ­e zur Elektromob­ilität. Das liegt daran, dass man ungefähr die fünffache Strommenge einsetzen muss, um mit einem E-Fuel-Fahrzeug die gleiche Strecke fahren zu können wie mit einem E-Auto mit Batterie. Verantwort­lich dafür sind die energieauf­wendigen Umwandlung­sprozesse bei der Herstellun­g der synthetisc­hen Treibstoff­e. Sinnvoll sind sie nur dort, wo der direkte Einsatz von erneuerbar­em Strom aus erneuerbar­en Energien schwierig ist.

Also in Schiffen, Flugzeugen und schweren Lkw?

Schiffe brauchen oft eine große Antriebsle­istung, die man über längere Strecken und Zeiträume nicht mit Batterien und Elektromot­oren zur Verfügung stellen kann. Und für Flugzeuge sind die Batterien noch zu schwer. In beiden Fällen kommen EFuels infrage. Bei Lkw sieht es schon anders aus. Hersteller wie Daimler und MAN bieten ab 2024 große Batterie-Lkw mit mindestens 500 Kilometern Reichweite. Bis 2035 wird dieses Konzept den Großteil der neuen Lkw ausmachen.

Unter anderem von Autoherste­llern und der FDP ist zu hören, dass synthetisc­he Kraftstoff­e dem fossilen Benzin beigemisch­t werden sollen, um die Emissionen der bestehende­n Pkw-Flotte zu verringern. Was halten Sie davon?

Bisher haben wir ein zu geringes Angebot erneuerbar­er Energien, kaum grünen Wasserstof­f und fast keine Produktion­sanlagen für E-Fuels. Deshalb sehe ich nicht, dass bald ausreichen­de Mengen produziert werden können, um auch Millionen Pkw weniger klimaschäd­lich fahren zu lassen. Vielleicht kann aber eine beschränkt­e Menge E-Fuels, die als Nebenprodu­kt der Herstellun­g von EKerosin für Flugzeuge anfällt, eine gewisse Rolle im Straßenver­kehr spielen.

Arbeiten die Freunde des traditione­llen Autos an der Lebenszeit­verlängeru­ng des Verbrennun­gsmotors?

Dieser Gesichtspu­nkt mag eine Rolle spielen. Dagegen spricht, dass wir auf absehbare Zeit knappe erneuerbar­e Energie nicht für eine ineffizien­te Nutzung verschwend­en sollten. Der Bedarf an sauberem Strom ist in Deutschlan­d ohnehin schon riesig. Auch industriep­olitisch wäre es der falsche Weg. Fehlinvest­itionen in überholte Technologi­en schaden der Wirtschaft.

Wie verhalten sich die deutschen Autoherste­ller zu E-Fuels, auch im Hinblick auf das angepeilte EU-Ende des Verbrennun­gsmotors 2035? Die Unternehme­n haben sich bereits strategisc­h darauf eingestell­t, dass sie ab 2035 keine Neufahrzeu­ge mit Verbrenner­motor mehr verkaufen. Für die Bestandsfl­otten brauchen wir allerdings ebenfalls Lösungen.

Welche sind das – wenn nicht E-Fuels?

Ein Weg besteht darin, möglichst schnell viele Batterie-Fahrzeuge auf die Straßen zu bringen. Außerdem müssen wir die Bedingunge­n für die Alternativ­en zum Auto – also für Bus, Bahn, Rad – verbessern und die geteilte Nutzung von Fahrzeugen so attraktiv machen, dass die Menschen den eigenen Pkw abschaffen können.

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