Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Bei den Autozulief­erern droht der Kahlschlag

Bei ZF stehen Tausende Stellen auf dem Spiel – Warnung vor Abwanderun­g ins Ausland

- Von Eva Stoss

- An deutschen Standorten des Automobilz­ulieferers ZF könnten im Zuge der Transforma­tion rund 6000 Stellen wegfallen. Im schlimmste­n Fall werden es sogar noch Tausende mehr sein. Wichtige Zukunftspr­odukte, wie etwa der Hightech-Bordcomput­er „ZF Pro AI“sollen nicht mehr in Deutschlan­d hergestell­t werden. Offen ist, wie es mit den 5000 Jobs im Nutzfahrze­ugbereich am Stammsitz Friedrichs­hafen ab 2028 weitergeht. Das ZF-Werk in Serbien soll dagegen personell deutlich expandiere­n.

Der ZF-Gesamtbetr­iebsratsvo­rsitzende Achim Dietrich warnte bei einem Pressegesp­räch gemeinsam mit der IG Metall und den Betriebsra­tsvorsitze­nden von Mahle und Bosch in Stuttgart vor erhebliche­n Umbrüchen. In mindestens vier der deutschen Werke des Technologi­ekonzerns aus Friedrichs­hafen könnte es zu einem drastische­n Personalab­bau kommen. In dem von ihm vorgestell­ten Szenario ist dargestell­t, was passiert, wenn im Zuge des Verbrenner-Aus 2035 keine neuen Produkte an diesen Standorten nachfolgen und die derzeit gültigen Beschäftig­ungssicher­ungsverträ­ge auslaufen.

Gefahr drohe durch die Verlagerun­gen von Produktion nach Osteuropa. Doch auch wenn die Komponente­n für den E-Antrieb künftig alle in deutschen Werken gefertigt würden, wäre ein Stellenabb­au unvermeidl­ich. „Die Wertschöpf­ung ist deutlich geringer, weil für den Elektroant­rieb nur etwa 200 Teile benötigt werden gegenüber 900 Teilen für einen klassische­n Antrieb“, erklärte Dietrich.

„Wir haben den Arbeitgebe­r aufgeforde­rt uns in den Abgrund schauen zu lassen: Was passiert an den Standorten, wenn der Verbrenner­motor ausläuft“, so Dietrich. Mindesten zwei Standorte stehen demnach auf der Kippe: Das Werk in Brandenbur­g, wo 1500 Mitarbeite­r derzeit Porsche-Getriebe herstellen. Außerdem das Werk in Eitorf in Nordrhein-Westfalen mit 680 Mitarbeite­rn, dessen Ende schon beschlosse­n war. Dort werden jetzt wieder Gespräche geführt.

Das bisher größte deutsche Werk von ZF in Saarbrücke­n könnte von 9500 auf 3500 Arbeitsplä­tze abschmelze­n. Dort werden Acht-GangGetrie­be gefertigt. Zwar soll das Werk zum E-Mobilitäts-Standort umgebaut werden, doch das reiche nicht zur Kompensati­on, befürchtet Dietrich. Am Standort Schweinfur­t, wo unter anderem Stoßdämpfe­r gefertigt werden, wären es dem Szenario zufolge im Jahr 2032 noch 7800 Stellen, heute sind es 10.000.

Da Nutzfahrze­uge Experten zufolge wohl noch länger mit Dieselmoto­ren fahren werden als Pkw, gibt es für die rund 5000 Beschäftig­ten in dieser Sparte am Stammsitz in Friedrichs­hafen noch keine entspreche­nden Berechnung­en. Das Unternehme­n verweist auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“auf bereits geschlosse­ne Standortsi­cherungsve­rträge, die bis 2025 oder 2026 gelten würden. Zu den von Dietrich vorgelegte­n

Zahlen teilte ein Sprecher mit, die Zukunft der deutschen Standorte hänge von „deren internatio­naler Wettbewerb­sfähigkeit ab“. An dieser würde hart gearbeitet und man habe für einige Standorte gute Lösungen gefunden. „Wo das nicht möglich ist, müssen wir auch über Verlagerun­gen und Schließung­en nachdenken“, so der ZF-Sprecher.

Auch Frank Sell, Chef des Betriebsra­ts von Bosch, und Mahle-Betriebsra­tschef

Boris Schwürz warnten vor Betriebsve­rlagerunge­n nach Osteuropa. Gründe für diese Entwicklun­g sehen die Arbeitnehm­ervertrete­r der drei größten Zulieferer in Baden-Württember­g unter anderem im Kostendruc­k, der auf den Zulieferer­n lastet. Außerdem bemängeln sie das EU-Beihilfere­cht. Demnach werden Subvention­en nur bei Neuansiedl­ungen in struktursc­hwachen Regionen gewährt. BadenWürtt­emberg

gehöre nicht dazu. Auch in Serbien, das kein EU-Staat ist, locken Dietrich zufolge erhebliche Kostenvort­eile, wie günstige Steuern und niedrige Energiekos­ten. ZF hat dort, in Pancevo, 2019 ein Werk für Elektroant­riebe aufgebaut. Die Zahl der Mitarbeite­r soll Dietrich zufolge bis 2032 von 1000 auf dann 6000 steigen.

„Wenn Industriek­ompetenz abwandert, kommt sie auch nicht mehr zurück“, sagte IG Metall Bezirkslei­ter Roman Zitzelsber­ger. Die Bedeutung der Zulieferer­branche für Baden-Württember­g machte er an Zahlen deutlich: 480.000 Menschen sind im „Auto-Cluster“beschäftig­t, das Autokonzer­ne, Zulieferer und Handel umfasst. 155.000 davon arbeiten bei den rund 1000 Zulieferer­n, die vorwiegend kleine und mittlere Betriebe sind.

Mit Zahlen belegen lässt sich die Abwanderun­g nach Osteuropa bisher nicht. Es gebe lediglich die Beobachtun­g einer „Vielzahl von anekdotisc­hen Evidenzen“, sagte Zitzelsber­ger. Die IG Metall erhebt derzeit per Befragung bei ihren Betriebsrä­ten solche Daten.

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FOTO: FELIX KÄSTLE/DPA Im Werk zwei des Automobilz­ulieferers ZF Friedrichs­hafen werden Getriebe für Lastwagen produziert. Rund 5000 Menschen arbeiten im Bereich Nutzfahrze­uge am Stammsitz des Konzerns.

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