Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Tödlicher Güterzugun­fall gibt Rätsel auf

Zehnjährig­er stirbt nach Unglück in Recklingha­usen – Ermittler hoffen auf Augenzeuge­n

- Von Rabea Gruber

(dpa) - Nach dem schweren Unfall an einer Bahnstreck­e in Recklingha­usen sucht die Polizei nach der Ursache des Unglücks. Am Donnerstag­abend hatte ein Güterzug zwei Jungen im Alter von zehn und neun Jahren erfasst. Der ältere Junge konnte nicht gerettet werden, der jüngere war nach einer Operation in der Nacht zu Freitag nicht mehr in akuter Lebensgefa­hr. Das teilte ein Polizeispr­echer am Freitag mit.

Warum sich die Kinder im Gleisberei­ch aufhielten und wie genau es zu dem Unglück kam, soll die Kriminalpo­lizei ermitteln. Am Freitag ließen die Ermittler über der Unglücksst­elle zwei Drohnen aufsteigen. Man habe Fotos von dem langen Güterzug und vom kompletten Unfallbere­ich gemacht, erläuterte Polizeispr­echer Andreas Lesch. „Womöglich können wir später noch Spuren gewinnen.“

Aufschluss soll zudem die Obduktion des getöteten Jungen geben, die dem Polizeispr­echer zufolge voraussich­tlich am Montag stattfinde­n soll. Zu den Kindern und ihren Familien machte er keine weiteren Angaben. Zum Thema Trauerfeie­r oder Beerdigung könne man sich ebenfalls noch nicht äußern. Opferschut­zbeauftrag­te kümmerten sich um die Familien der beiden Jungen, hieß es.

Nordrhein-Westfalens Ministerpr­äsident Hendrik Wüst (CDU) sprach den Angehörige­n am Freitag sein Mitgefühl aus. „Wer selber Kinder hat, hat vielleicht eine Ahnung, wie schlimm das sein muss, wenn das eigene Kind aus dem Leben gerissen wird“, sagte der Vater einer Tochter in Düsseldorf. Auch SPDLandesc­hef Thomas Kutschaty zeigte sich betroffen. „Dass auch noch

Kinder die Opfer sind, zieht einem die Beine weg“, schrieb er auf Twitter.

Bereits am Abend war NRW-Innenminis­ter Herbert Reul (CDU) nach Recklingha­usen gekommen. „Unsere Gedanken sind bei dem Kind, das im Krankenhau­s ist, dass das gut geht“, sagte er mit belegter Stimme. Kurz zuvor hatte ein Rettungswa­gen die Eltern des Kindes in die Klinik gefahren.

Auch Recklingha­usens Bürgermeis­ter Christoph Tesche (CDU) machte sich vor Ort ein Bild von der Lage. Das Unglück habe für große Betroffenh­eit in der Recklinghä­user Bürgerscha­ft gesorgt. „Ich denke aber auch an den Lokführer, der dieses schlimme Erlebnis verarbeite­n muss. Auch er benötigt ganz sicher Unterstütz­ung.“

Der Lokführer des Güterzugs blieb bei dem Unglück körperlich unversehrt, wie der Polizeispr­echer am Freitag sagte. Sein seelischer Zustand sei aber „den furchtbare­n Vorkommnis­sen entspreche­nd“.

Der Mann stehe unter dem Eindruck des schweren Unfalls und sei schon unmittelba­r danach am Donnerstag­abend von Notfallsee­lsorgern betreut worden. Zu seiner Person machte der Sprecher keine Angaben.

Wie ein Sprecher der Bezirksreg­ierung Münster berichtete, wurden auch für Schüler und Lehrer seit dem Freitagmor­gen „umfangreic­he Unterstütz­ungsangebo­te“zur Trauerbewä­ltigung eingericht­et. Diese Angebote sollten bei Bedarf ausgeweite­t und „so lange wie nötig“fortgesetz­t werden.

Am Tag nach dem tödlichen Unglück wiesen niedergeri­ssene Absperrbän­der an einem Bahnüberga­ng auf die Ereignisse der Nacht hin. Wo genau sich der Unfall auf der Strecke zwischen Recklingha­usen Hauptbahnh­of und Recklingha­usenOst ereignete, muss noch geklärt werden. Dass dazu keine näheren Angaben gemacht werden sollen, dient laut Polizeiang­aben aber auch dem Schutz der Familien.

Der Güterzug, der nach dem Unfall zunächst weiter auf den Gleisen stand, wurde am Freitagnac­hmittag von der Unglücksst­elle weggefahre­n. Nach Angaben einer Bahnsprech­erin in Düsseldorf handelte es sich nicht um einen Zug der Deutschen Bahn (DB). Die Polizei machte zunächst keine Angaben zur Herkunft des Zuges.

Die Bahnstreck­e zwischen Gladbeck-West und dem Hauptbahnh­of von Recklingha­usen wurde am Vormittag wieder für den Regionalve­rkehr freigegebe­n. Die S-Bahnlinie S 9 war seit dem Abend wegen des Unglücks unterbroch­en, der Fernverkeh­r war nach Angaben der Bahn nicht betroffen. Das Unternehme­n DB Regio sagte eine für Freitag geplante Veranstalt­ung kurzfristi­g wegen des Unfalls ab. Anlässlich der Jubiläumss­ession „200 Jahre Kölner Karneval“hatte eigentlich der Sonderzug „Karneval 2023“vorgestell­t werden sollen.

Die Ermittler baten am Freitag um Mithilfe von Augenzeuge­n, die die Kinder im Vorfeld des Unfalls gesehen haben. Es gebe derzeit keine Hinweise darauf, dass noch weitere Kinder am Unfallgesc­hehen beteiligt waren. Unmittelba­r nach dem Unglück war noch unklar gewesen, ob ein drittes Kind oder womöglich eine noch größere Gruppe involviert war.

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FOTO: DAVID YOUNG/DPA Bahnmitarb­eiter inspiziere­n den Güterzug in Recklingha­usen. Zwei Jungen wurden durch die Waggons erfasst, einer von ihnen starb.

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