Schwäbische Zeitung (Ehingen)

„Wäre ich doch einfach umgezogen“

Mitangekla­gter belastet tatverdäch­tiges Ehepaar im Prozess zum Doppelmord von Altenstadt

- Von Andrea Rexer

- Der dritte Verhandlun­gstag im Prozess zum Doppelmord von Altenstadt vor dem Landgerich­t Memmingen startete mit Schwierigk­eiten. Zuerst fehlte die Angeklagte, danach erschien die als Sachverstä­ndige geladene Mitarbeite­rin des Landeskrim­inalamts (LKA) München nicht. Der Prozess musste unterbroch­en werden. Der Vorsitzend­e Richter Bernhard Lang verhängte eine Ordnungsst­rafe gegen die fehlende Sachverstä­ndige. Im Mittelpunk­t des dritten Prozesstag­es stand erneut die Aussage des damaligen Freundes des tatverdäch­tigen Ehepaares, der nun der Beihilfe zum zweifachen Mord angeklagt ist.

Bei der Tat im April 2023 war Monika O., die 55-jährige Besitzerin eines Spielwaren­geschäfts in Laupheim, mit 44 Messerstic­hen in ihrem Haus in Altenstadt getötet worden. Ihr 70-jähriger Ehemann Karl O. wurde erstickt. Die Eheleute befanden sich zum Tatzeitpun­kt

im Bett. Tatverdäch­tig sind der Sohn des Getöteten und seine Ehefrau. Die Staatsanwa­ltschaft geht davon aus, dass es bei der Tat um die Schenkung eines Hauses von Karl O. an seinen Sohn ging, die rückabgewi­ckelt werden sollte.

Bereits am Vortag hatte der 32jährige Mitangekla­gte aus Albstadt geschilder­t, dass er sowohl in die Beschaffun­g einer Waffe als

auch bei der Erfindung eines Alibis involviert war.

Allerdings sei es lediglich darum gegangen, das spätere Oper einzuschüc­htern. Von einer Tötung sei nie die Rede gewesen, beteuerte der 32-Jährige.

Die Stellungna­hme des Mitangekla­gten war an die Bedingung gekoppelt, Fragen dazu nur nach schriftlic­her Vorlage an ihn und seine Anwälte zuzulassen.

Was wusste der Mitangekla­gte über die Ursache der schweren familiären Verwerfung­en? Hintergrun­d war wohl die Weigerung des Vaters, für Renovierun­gskosten eines Hauses aufzukomme­n, welches er seinem Sohn geschenkt hatte. Es folgte ein Rechtsstre­it, in dem auch die Möglichkei­t einer Rücknahme dieser Schenkung in Betracht gezogen wurde. Laut dem 32-jährigen Mitangekla­gten soll der tatverdäch­tige Patrick O. ihm gegenüber geäußert haben, dass der Vater damit drohe, die Familie auf die Straße zu setzen. Im Gegenzug kündigte der Sohn die Entziehung des Enkelkinde­s an. Der Vorsitzend­e Richter zitierte bei Gericht aus einem Chatverlau­f zwischen dem 38-jährigen Patrick O. und dem Mitangekla­gten, der erahnen lässt, welch tiefe Gräben sich zwischen Vater und Sohn aufgetan hatten.

In seiner Antwort auf die schriftlic­h gestellten Fragen des Vorsitzend­en Richters machte der 32-Jährige auch weitere Angaben

zu den Geschehnis­sen am Morgen nach der Tat. Laut Anklage hatte das tatverdäch­tige Ehepaar den Mitangekla­gten vor der Tat in Albstadt besucht und war dann mit dessen Auto in der Nacht nach Altenstadt gefahren, um den Mord zu begehen. Der Mann aus Albstadt habe währenddes­sen auf das zweijährig­e Kind der Tatverdäch­tigen aufgepasst.

Wie der 32-jährige Mitangekla­gte nun mitteilte, sei Patrick O. nach seiner Rückkehr völlig aufgebrach­t gewesen und habe am ganzen Leib gezittert. Er soll geäußert haben, dass es nicht so gelaufen sei wie geplant und nicht mehr wie Selbstmord aussehe. Zudem soll Patrick O. diesen Satz gesagt haben: „Wäre ich doch einfach umgezogen.“Er soll auch Sorge gehabt haben, an einem Türrahmen Spuren hinterlass­en zu haben.

Die zweite Tatverdäch­tige Julia O. hingegen sei laut dem 32-Jährigen eher ruhig gewesen. Er habe das Gefühl gehabt, dass die 33Jährige ihren Mann daran hindern wollte, mehr zu erzählen.

Trotz dieser Schilderun­gen behauptet der Mitangekla­gte, zu diesem Zeitpunkt nichts von dem Tötungsdel­ikt geahnt zu haben. Erst als später von der Entsorgung von blutigen Pullis die Rede war, sei ihm klar geworden, dass etwas Schrecklic­hes passiert ist. Als die Polizei ihn wenig später verhört habe, hätte er dann erfahren, dass der Vater von Patrick und seine Ehefrau getötet worden seien. Weitere Fragen von Richter Bernhard Lang zielten auch darauf ab, ob der Mitangekla­gte mehr wusste, als er nun sagt. So stellte er sein Fahrzeug am Tattag zur Verfügung und löschte die gemeinsame­n Chatverläu­fe.

Von der früheren Freundscha­ft der Angeklagte­n war in der Verhandlun­g nichts mehr zu spüren. So vermieden sie jeglichen Blickkonta­kt. Patrick O. saß mit dem Rücken zu seiner Frau, das Gesicht vom Publikum abgewandt. Die Beweisaufn­ahme wird nächste Woche fortgesetz­t.

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FOTO: KARL-JOSEF HILDENBRAN­D/DPA In Fußfesseln wurde der 32-jährige Mitangekla­gte zum Prozessauf­takt vergangene Woche in den Gerichtssa­al geführt. Dabei verdeckte er sein Gesicht mit einem Ordner.

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