Alle sprechen plötzlich über diesen Lindauer
Mit seinem Regiedebüt „Eine Million Minuten“stürmt Christopher Doll die Kinocharts
- Der Kinofilm „Eine Million Minuten“geht momentan durch die Decke: Mit seinem Regiedebüt gelang dem gebürtigen Lindauer Christopher Doll sofort ein Volltreffer. Dabei fühlte er sich vor dem Start des Films an seine Zeit in Lindau zurückerinnert – und hoffte auf ähnliche Milde bei seinen Kritikern wie er es früher vorgelebt hat.
Das erste Mal ist immer besonders. Das Kribbeln. Die Nervosität. Aber auch diese Unsicherheit. Wie nimmt das Publikum den Film an? Wie fallen die Kritiken aus? Nur zu gut kann sich Christopher Doll in diese Lage hineinversetzen. Denn die Rolle des Filmkritikers nahm er viele Jahre selbst wahr – auch wenn es schon eine Zeitlang her ist.
Und falls es wirklich Karma gibt – dann liegt es an Dolls Vergangenheit, dass die Filmkritiken und Besucherzahlen zu seinem Regiedebüt von „Eine Million Minuten“so positiv ausfallen. Obwohl er dies nun mit Selbstkritik an seiner damaligen Aufgabe etwas relativiert. „Ich war vermutlich kein guter Filmkritiker“, erzählt er heute und lacht.
Für Radio Lindau bewertete er in den 1990ern fünf Jahre lang Filme. „Ich habe damals keinen Film schlecht besprochen“, erinnert er sich. „Wenn es etwas zu kritisieren gab, dann habe ich den diplomatischen Weg gewählt.“Da war er allerdings eine Ausnahme: Doll weiß, wie manche Kritiker die Filme förmlich zerreißen können. Zu lange ist er schon in dieser Branche aktiv. „Das kann verletzend sein, unangenehm“, sagt er.
Zwar passierte ein solcher Verriss in seiner Laufbahn als Produzent, Regieassistent und Mitarbeiter in Filmproduktionen nie, aber irgendwie steckt dann in einem doch eine kleine Portion Ungewissheit. „Man hofft insgeheim schon, dass man positiv wahrgenommen wird“, sagt der 47-Jährige. Doch alle Unsicherheit war unbegründet.
Rund eine Woche nachdem der Film erstmals auf den deutschen Leinwänden zu sehen war (Kinostart: 1. Februar), fiel die Bilanz bereits äußerst positiv aus: In 616 Kinos kamen über 200.000 Besucher. Platz eins in den Kinocharts. Ein Regiedebüt wie aus einem Märchen.
Dabei stand Christopher Doll viele Jahre in der zweiten Reihe. In dieser Rolle habe er sich immer „total wohlgefühlt“. Es passt zu seinem bodenständigen Auftreten. Und irgendwie hat er mit dem Im-Schatten-Stehen ja doch auch Erfahrung – nicht nur beruf lich.
Seit mehreren Jahren ist Doll mit der Schauspielerin Karoline Herfurth verheiratet – obwohl die beiden die Beziehung erst vor Kurzem öffentlich machten. „Es war bei uns keine Windschattenbewegung, sondern eine Parallelbewegung“, sagt Doll über die Ehe mit der bekannten Schauspielerin.
Beide hätten sich gemeinsam entwickelt. Seit 25 Jahren kennen sie sich – und haben viele gemeinsame Projekte und Filme realisiert. Sie vor der Kamera, er im Hintergrund. Und doch war nun auch für Doll die Zeit reif, den Schritt ins Rampenlicht zu machen.
Ein Bekannter, Kameramann Andreas Berger, habe ihn 2017 angerufen. Dieser hörte ein Interview mit dem Autor Wolf Küper, der über sein spannendes Buchprojekt sprach. Damit kam Doll erstmals mit „Einer Million Minuten“in Berührung. Der gebürtige Lindauer fand schnell Gefallen an dem Projekt. „Ich habe mich dann mit Wolf Küper getroffen. Wir mochten uns sofort“, erinnert sich Doll.
Aus dem Reisebericht erfolgte Transkriptionsarbeit – die Übersetzung
und Grundlage für einen Kinofilm. Doll kniete sich in das Projekt hinein. Als Gespräche mit potenziellen Regisseuren nicht in die entsprechende Richtung gingen, merkte Doll, wie sehr er bereits selbst mit dem Projekt verbunden war.
„Wenn man die Backen vollmacht, muss man auch laufen können“, umschreibt es Doll, wie er mehr und mehr in die Rolle des Regisseurs kam. Und der Zuspruch nahm zu, von Herfurth, von Geschäftspartnern – und so ging Doll den letzten Schritt ins Rampenlicht. Dabei fremdelte Doll lange Zeit mit der ungeteilten Aufmerksamkeit. Vor Menschen sprechen, das mochte er beispielsweise in den Schuljahren nicht. „Bei Referaten stand ich nie gerne vorne“, erinnert er sich. Wobei die Schulzeit generell nicht zu Dolls Lieblingszeiten gehört. „Ich habe schon das eine oder andere Mal eine Ehrenrunde gedreht“, erzählt er schmunzelnd.
Auf der Lindauer Insel geboren, wuchs Doll in Wasserburg auf.
Dort ging er in die Grundschule. Mit fünf Jahren zog er mit seiner Familie nach Reutin um. Er besuchte das Bodenseegymnasium. Im Club Vaudeville war er häufig zu Gast. Ebenso im Lindenhofpark und im Sommer im Strandbad Eichwald. Natur, Bodensee, Pfänder – noch heute hat Doll wunderschöne Erinnerungen daran. Berlin, sein heutiger Wohnort, hätte zwar an manchen Stellen auch viel Natur zu bieten. „Aber es ist nicht vergleichbar. Die Gegend ist fast wie eine Fantasie, wenn man am See steht und in die Berge blickt“, schwärmt er.
Deshalb kommt er noch regelmäßig nach Lindau – auch um seinen Bruder zu besuchen, der noch dort lebt. Ein- bis zweimal pro Jahr sei er da. Der Pfänder stand kürzlich ebenso auf der Besuchsliste wie der Reptilienzoo in Scheidegg, der früher noch „Paradies der Ungeliebten“hieß, wie Doll amüsiert anmerkt.
In Lindau – das wird schnell klar – hängt Dolls Herz immer noch. 23 Jahre lebte er dort. „Vieles habe ich hier das erste Mal erlebt“, sagt Doll. Das erste Mal Kino darf dabei nicht fehlen. So f lammte die Liebe zum Film am Bodensee auf. In der Grenzvideothek war Doll Stammgast. Dort bestellte er Originalversionen von Filmen. „Ich hatte ein Faible dafür“, erzählt er. Bis die Streifen kamen, vergingen Wochen. „Teilweise habe ich dort täglich nachgefragt, ob das Video da ist“, erinnert er sich. Und so ließ ihn dieses Hobby nicht mehr los. „Irgendwann ist es mehr und mehr zur Leidenschaft geworden und schließlich zum Beruf“, sagt Doll. Das geschah kurze Zeit nachdem er sich für ein Studium der Psychologie, Philosophie und Politik in München eingeschrieben hatte. Offiziell war er für vier Semester immatrikuliert. Tatsächlich studiert hat er allerdings nur ein Semester, denn parallel dazu begann bereits seine Karriere in der Filmindustrie.
Zuerst noch als Praktikant machte sich Doll schnell einen Namen. Bekannte Regisseure wie Bully Herbig und Roland Emmerich wurden auf ihn aufmerksam. So folgten nach und nach Projekte, bis sich Doll mit seinem Partner Lothar Hellinger im Jahr 2014 entschied, selbst eine unabhängige Produktionsfirma zu gründen.
Nun folgt mit dem Regiedebüt der nächste Entwicklungsschritt. „Es war eine tolle Erfahrung. Ob es in dieser Richtung weitergeht, wird sich aber erst noch zeigen“, sagt Doll. Zumindest das erste Mal war äußerst positiv. Genauso wie die Mehrzahl seiner Filmkritiken für Radio Lindau.