EnBW-Chef Schell legt plötzlich Amt nieder
Meinungsverschiedenheiten mit dem Aufsichtsrat – Georg Stamatelopoulos übernimmt ab sofort
- Paukenschlag in Karlsruhe: Der Vorstandschef des Energieversorgers EnBW, Andreas Schell, hat sein Amt überraschend niedergelegt. Der Aufsichtsrat habe dieser Entscheidung in einer außerordentlichen Sitzung zugestimmt, teilte das Unternehmen am Freitag in Karlsruhe mit. Wesentlicher Grund waren demnach unterschiedliche Auffassungen zwischen dem Aufsichtsrat und Schell „in entscheidenden Fragen der strategischen Weiterentwicklung“, heißt es. Schon jüngst wurde über Uneinigkeiten bezüglich der Strategie berichtet.
Schell, der zuvor den Friedrichshafener Motorenbauer RollsRoyce Power Systems (RRPS) geführt hatte, trat sein Amt als EnBW-Chef erst im November 2022 an. Mit einer Vertragslaufzeit von drei Jahren folgte er damals auf den langjährigen Boss Frank Mastiaux. Auf den Chefposten rückt nun Vorstandsmitglied Georg Stamatelopoulos.
Der EnBW-Aufsichtsratsvorsitzende Lutz Feldmann teilte zum Abgang von Schell mit: „Wir bedauern diesen Schritt, der im gegenseitigen Einvernehmen stattfindet.“Trotz intensiver Diskussionen habe man in den vergangenen Monaten keine Einigkeit erzielen können. Zu den genauen Gründen und Umständen der für Außenstehende doch überraschenden Trennung wollte sich der Konzern am Freitagnachmittag auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“nicht äußern.
Andreas Schell wurde 1969 im mittelhessischen Herborn geboren.
Nach einem Maschinenbauund Elektrotechnik-Studium begann er seine berufliche Laufbahn 1996 im Daimler-Konzern. 2009 wechselte er zur United Technologies Corporation, einem US-Zulieferer für die Luft- und Raumfahrtindustrie. Einige Jahre später zog es Schell zurück nach Deutschland an den Bodensee, wo er im Januar 2017 die Führung des in Friedrichshafen ansässigen Unternehmens Rolls-Royce Power Systems übernahm. In knapp sechs Jahren baute Schell den Motorenhersteller zum Anbieter integrierter nachhaltiger Energieund Antriebslösungen um.
Der neue EnBW-Boss Stamatelopoulos verantwortet aktuell das Ressort „Nachhaltige Erzeugungsinfrastruktur“. Er wurde den Angaben nach bis Ende seiner bestehenden Bestellungen, also bis 31. Mai 2029, zum Vorstandsvorsitzenden
ernannt. „Georg Stamatelopoulos hat in den vergangenen fast 15 Jahren bei der EnBW den Umbau der Erzeugung in verschiedenen Positionen äußerst erfolgreich vorangetrieben“, sagte Feldmann. Das beinhalte einerseits den starken Ausbau von Wind- und Solarenergie bei gleichzeitiger Planung neuer wasserstofffähiger Gaskraftwerke, andererseits den Ausstieg aus der Kernenergie und absehbar auch aus der Kohleverstromung. „Dieser bisher gelungene Umbau trägt maßgeblich seine Handschrift“, so der Aufsichtsratschef.
„Die EnBW ist ein wichtiger Akteur der Energiewende in all ihren Facetten – von Strom über Wärme bis zur Mobilität. Wir müssen in allen diesen Bereichen das richtige Tempo beibehalten, die richtigen Maßnahmen ergreifen und in die richtigen Projekte
investieren“, sagte Stamatelopoulos nach seiner Ernennung. Der Versorger befindet sich in einem massiven Umbau in Richtung erneuerbare Energieerzeugung. Die Kernkraftwerke sind bereits abgeschaltet worden, Gaskraftwerke sollen perspektivisch auf Wasserstoff umgestellt werden.
Darüber hinaus hat der Aufsichtsrat Thomas Kusterer, seit 2011 Finanzvorstand der EnBW, zum stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden ernannt. Der Aufsichtsrat habe vor Kurzem den Vertrag von Kusterer bis zum 31. März 2029 verlängert. Feldmann dazu: „Thomas Kusterer hat als Finanzvorstand den 2012 mit großer Kraft begonnenen Umbau der EnBW zu einem konsequent auf die Energiewende ausgerichteten Unternehmen mitbegleitet.“
Die EnBW mit Sitz in Karlsruhe ist das drittgrößte Energieversorgungsunternehmen
in Deutschland. Im Jahr 2022 setzte der Konzern, der knapp 27.000 Mitarbeiter beschäftigt, 56 Milliarden Euro um und erzielte ein operatives Ergebnis von knapp 3,3 Milliarden Euro. Die Bilanzpressekonferenz, auf der die Zahlen für das Jahr 2023 bekannt gegeben werden, findet am 27. März statt.
Die EnBW ist sowohl in der Energieerzeugung, im Energietransport und der -verteilung als auch im Energievertrieb und -handel tätig. Der Konzern befindet sich fast vollständig in öffentlicher Hand. Die beiden Hauptaktionäre sind das Land BadenWürttemberg und der Zweckverband Oberschwäbische Elektrizitätswerke (OEW), ein Zusammenschluss von neun Landkreisen im südlichen Baden-Württemberg. Beide halten jeweils 46,75 Prozent der Anteile.