Schwäbische Zeitung (Ehingen)

War es versuchter Mord auf dem Spielplatz?

24-Jähriger attackiert­e im Herbst einen Jugendlich­en aus Eifersucht mit einer kaputten Weinflasch­e

- Von Philip Hertle

- War es versuchter Mord? Aktuell muss sich ein zum Tatzeitpun­kt 24-Jähriger deshalb vor dem Ulmer Landgerich­t verantwort­en, nachdem er auf einem Spielplatz in der Ulmer Innenstadt im vergangene­n Herbst einen 16-Jährigen mit einer zersplitte­rten Weinf lasche angegriffe­n und verletzt haben soll. Eifersucht habe dabei eine Rolle gespielt. Jetzt stellt sich die Frage, ob der Angeklagte vorsätzlic­h gehandelt hat und den Jugendlich­en töten wollte. Selbst äußern wollte sich der in Untersuchu­ngshaft Sitzende am ersten Verhandlun­gstag nicht.

Die Staatsanwa­ltschaft Ulm wirft ihm versuchten Mord in Tateinheit mit gefährlich­er Körperverl­etzung vor. Ein Dolmetsche­r übersetzt dem inzwischen 25-Jährigen die Verlesung der Anklagesch­rift ins Arabische. „Der

Angeklagte soll der damals 13Jährigen am 20. September 2023 seine Liebe bekundet haben“, so Oberstaats­anwalt Peter Staudenmai­er. Das Mädchen soll diese aber nicht erwidert und dem Angeklagte­n stattdesse­n mitgeteilt haben, bereits einen Freund zu haben. Die Zurückweis­ung habe den Angeklagte­n erzürnt. „Nur er selbst habe Anspruch auf die 13-Jährige“, zitiert der Staatsanwa­lt.

Am selben Nachmittag sei der Angeklagte gegen 14.30 Uhr deshalb zum besagten Spielplatz gekommen, wo sich das Mädchen mit ihrem Freund aufhielt. Bevor er auf das Paar zuging, soll der Angeklagte eine auf dem Grund liegende Weinflasch­e genommen und ihr den Boden abgeschlag­en haben. Mit dieser Waffe soll er den Jugendlich­en schließlic­h attackiert haben. Durch Schläge mit dem Flaschenha­ls gegen den Kopf des Jugendlich­en soll er laut

Staatsanwa­lt versucht haben, ihn zu töten. Der Jugendlich­e trug dabei Schnittwun­den an der Nase, den Lippen und am Ohr davon und musste in einer Klinik behandelt werden.

Selbst aussagen wollte der Angeklagte vor Gericht nicht. Seine Verteidige­rin Christina SengRoth verlas lediglich eine Erklärung ihres Mandanten, in der er die Tat einräumte. „Ich bin wütend geworden“, zitiert ihn die Anwältin. „Aber ich wollte ihn nicht töten.“Weiter geht der Angeklagte allerdings nicht auf die Tat ein. Auch Nachfragen des Vorsitzend­en Richters Wolfgang Tresenreit­er will er dazu nicht beantworte­n. „Sie machen also keine Angaben dazu, wie Sie sich kennengele­rnt haben und warum Sie wütend geworden sind?“, fragt er. Nein, lautete die Antwort der Verteidige­rin.

Der junge Mann, der seit zwei Jahren in Deutschlan­d lebt, soll schon in der Vergangenh­eit auffällig geworden sein. So sei er bereits wegen Körperverl­etzung und Beleidigun­g für 90 Tage in Ersatzhaft gesessen. Zudem besitze er aktuell keinen Aufenthalt­itel für Deutschlan­d. In der Verhandlun­g kommt auch der regelmäßig­e Konsum von Rauschmitt­el wie Ecstasy, Haschisch und Antiepilep­tika zur Sprache, so das Gericht.

Er habe auch am Tattag seltsam gewirkt, erklärt eine Zeugin, die den Vorfall gemeinsam mit einem Bekannten verfolgt und schließlic­h die Polizei alarmiert hatte. Die beiden saßen damals außerhalb des eingezäunt­en Spielplatz­es auf einer Parkbank. „Seine Haltung, das Auftreten waren fast, als hätte er etwas getrunken“, so die 18-Jährige. Mehrfach sei er so vor den beiden mit lauter Musik hin- und hergelaufe­n, bis er sich entschloss­en habe, auf den hinter der Parkbank liegenden

Spielplatz zu gehen – dort, wo sich die 13-Jährige und ihr 16-jähriger Freund aufhielten.

Schließlic­h habe sie die Glasf lasche zerbrechen gehört. Als der Angeklagte dann auf den Geschädigt­en und seine Freundin zugegangen sei, hätten sich die Zeugen dazu entschloss­en, den Platz zu verlassen, um die Polizei zu alarmieren. In der Zwischenze­it soll der Angeklagte den inzwischen am Boden liegenden und verletzten 16-Jährigen im „Schwitzkas­ten“gepackt haben. „Der Verletzte war am Ende mit den Kräften“, berichtete ein weiterer Zeuge, der schließlic­h dazwischen­gegangen ist. „Ich habe ihn dann an den Füßen gepackt und ihn weggezogen“, erinnert sich der 47-Jährige. „Irgendwann hat er ihn dann losgelasse­n.“Daraufhin sei er zu Fuß geflüchtet, wurde aber kurze Zeit später von der Polizei nahe der Donau festgenomm­en.

Für den weiteren Verlauf der Verhandlun­g ist jetzt zu klären, ob der Angeklagte mit dem Ziel, den Geschädigt­en zu töten, zum Spielplatz gekommen ist. Oder hat er aus Affekt eine zufällig herumliege­nde Weinf lasche als Tatwaffe genutzt. Diese Fragen muss das Gericht nun beantworte­n.

„Zum Glück ist er nicht lebensgefä­hrlich verletzt worden“, sagte seine Verteidige­rin Christina Seng-Roth nach der Verhandlun­g auf Nachfrage. „Es stellt sich natürlich die Frage, ob diese Verletzung mit Tötungsvor­satz geführt wurde oder nicht.“Ihr Mandant verneine das, so die Anwältin. Aus ihrer Sicht müsse das Gericht nicht an der Frage „Mord oder Totschlag?“ansetzen, sondern ob überhaupt ein Tötungsvor­satz vorliege. „Daran habe ich meine Zweifel“, so die Verteidige­rin.

Im Prozess stehen drei weitere Sitzungsta­ge an. Ein Urteil wird Ende März erwartet.

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