Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Deutsche Illusionen

- Von Wolfgang Mulke

Wenn die Kekse sprechen, haben die Krümel wenig zu melden. Das große Gebäck sind die Weltmächte, etwa China, das der Bundeskanz­ler gerade besucht hat. Nun ist Deutschlan­d zwar kein kleiner Krümel in der Weltpoliti­k. Aber der Einfluss des Landes und seines Kanzlers ist doch überschaub­ar. Insofern war von der Reise einer großen deutschen Delegation ins Reich der Mitte nicht sehr viel zu erwarten, auch wenn Scholz die großen internatio­nalen Krisen in den Mittelpunk­t der Gespräche rückte. Die liberale Losung vom Wandel durch Handel stimmt längst nicht mehr. In Fragen der Menschenre­chte oder einer gemeinsame­n Friedenspo­litik bleibt China knallhart.

Vielmehr zeigte sich erneut, wie schwierig die Gestaltung eines von beiderseit­igem Nutzen geprägten Verhältnis­ses beider Länder ist. China hat den Anspruch auf eine weltweite Führungsro­lle und lässt sich nicht reinreden. Die deutsche Wirtschaft wiederum ist enorm abhängig von der Volksrepub­lik, angefangen vom Import wichtiger Rohstoffe und Vorprodukt­e bis hin zum Export von Autos oder Maschinen. Dazu bedarf es fairer Handelsbez­iehungen. Immerhin ist das wirtschaft­liche Interesse Chinas ebenfalls beträchtli­ch. Daher ist hier durchaus ein kooperativ­es Verhalten beider Länder möglich. Wie weit das partnersch­aftliche Verhalten gehen kann, ist jedoch mit Fragezeich­en zu versehen.

Die hochrangig­en Wirtschaft­svertreter in der deutschen Delegation verdeutlic­hen die Abhängigke­it vom China-Geschäft einmal mehr. Der Wunsch nach einem Abbau der Risiken steht in den Chefetagen deutlich hinter dem nach einträglic­hen Geschäften. Insofern ist auch das Potenzial, hinsichtli­ch fairer Wettbewerb­sbedingung­en und verlässlic­her Handelsbez­iehungen Druck auf die chinesisch­e Führung auszuüben, ziemlich gering. Unterm Strich ist Deutschlan­d eben ein – wenngleich großer – Krümel.

China ist für die deutsche Wirtschaft zu wichtig, um die Handelsbez­iehungen aufgrund sehr unterschie­dlicher politische­r Interessen und Sichtweise­n zu opfern. Den erhofften Wandel wird es so oder so nicht geben. Überzogene Erwartunge­n an den deutschen Einfluss sind Illusionen.

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