Deutsche Illusionen
Wenn die Kekse sprechen, haben die Krümel wenig zu melden. Das große Gebäck sind die Weltmächte, etwa China, das der Bundeskanzler gerade besucht hat. Nun ist Deutschland zwar kein kleiner Krümel in der Weltpolitik. Aber der Einfluss des Landes und seines Kanzlers ist doch überschaubar. Insofern war von der Reise einer großen deutschen Delegation ins Reich der Mitte nicht sehr viel zu erwarten, auch wenn Scholz die großen internationalen Krisen in den Mittelpunkt der Gespräche rückte. Die liberale Losung vom Wandel durch Handel stimmt längst nicht mehr. In Fragen der Menschenrechte oder einer gemeinsamen Friedenspolitik bleibt China knallhart.
Vielmehr zeigte sich erneut, wie schwierig die Gestaltung eines von beiderseitigem Nutzen geprägten Verhältnisses beider Länder ist. China hat den Anspruch auf eine weltweite Führungsrolle und lässt sich nicht reinreden. Die deutsche Wirtschaft wiederum ist enorm abhängig von der Volksrepublik, angefangen vom Import wichtiger Rohstoffe und Vorprodukte bis hin zum Export von Autos oder Maschinen. Dazu bedarf es fairer Handelsbeziehungen. Immerhin ist das wirtschaftliche Interesse Chinas ebenfalls beträchtlich. Daher ist hier durchaus ein kooperatives Verhalten beider Länder möglich. Wie weit das partnerschaftliche Verhalten gehen kann, ist jedoch mit Fragezeichen zu versehen.
Die hochrangigen Wirtschaftsvertreter in der deutschen Delegation verdeutlichen die Abhängigkeit vom China-Geschäft einmal mehr. Der Wunsch nach einem Abbau der Risiken steht in den Chefetagen deutlich hinter dem nach einträglichen Geschäften. Insofern ist auch das Potenzial, hinsichtlich fairer Wettbewerbsbedingungen und verlässlicher Handelsbeziehungen Druck auf die chinesische Führung auszuüben, ziemlich gering. Unterm Strich ist Deutschland eben ein – wenngleich großer – Krümel.
China ist für die deutsche Wirtschaft zu wichtig, um die Handelsbeziehungen aufgrund sehr unterschiedlicher politischer Interessen und Sichtweisen zu opfern. Den erhofften Wandel wird es so oder so nicht geben. Überzogene Erwartungen an den deutschen Einfluss sind Illusionen.