Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Kleiner Schritt statt großer Wurf

Scholz findet bei Frieden und Handel zumindest Gemeinsamk­eiten mit Chinas Präsident Xi

- Von Michael Fischer und Johannes Neudecker

(dpa) - China und Deutschlan­d wollen die Bemühungen um Frieden in der Ukraine künftig gemeinsam voranbring­en. Wie der Weg zu einem Ende des russischen Angriffskr­iegs aussehen kann, blieb am Dienstag beim Treffen des chinesisch­en Präsidente­n Xi Jinping mit Bundeskanz­ler Olaf Scholz in Peking aber unklar. Scholz konnte Xi nicht zur Zusage einer chinesisch­en Teilnahme an der für Juni geplanten Schweizer Friedensko­nferenz bewegen. Die beiden verständig­ten sich aber darauf, sich über diese und mögliche weitere Konferenze­n „intensiv und positiv“abzustimme­n. „Ich halte das für einen Fortschrit­t, der notwendig ist“, sagte Scholz.

Auch in den Wirtschaft­sfragen blieben Differenze­n – vor allem darüber, was unter fairem Wettbewerb zu verstehen ist. Scholz und Xi betonten, dass sie die wirtschaft­liche Zusammenar­beit dennoch ausbauen wollten. „Wir wollen kein Decoupling (Abkopplung, die Red.) von China“, betonte Scholz mehrfach.

Scholz und Xi sprachen drei Stunden und 20 Minuten miteinande­r – ungewöhnli­ch lang. Das Treffen begann mit einer Stunde in großer Runde, es folgten eine 45-minütige Teezeremon­ie unter vier Augen und ein gemeinsame­s Essen. Das soll Xi als Gleichnis in Anspielung auf die Lösungsini­tiativen beim Ukraine-Krieg genutzt haben: Alle sollten mit am Tisch sitzen, aber keiner auf der Speisekart­e stehen, wurde er zitiert.

Aus deutscher Sicht war der Ukraine-Krieg das Thema Nummer eins bei den politische­n Gesprächen in Peking. Scholz hatte Xi bei seinem Antrittsbe­such im November dazu gebracht, die russischen Drohungen mit einem Atomschlag zurückzuwe­isen. Am Dienstag wurde das durch die gemeinsame Forderung ergänzt, keine Atomanlage­n im Kriegsgebi­et anzugreife­n.

Der große Wurf blieb diesmal aus. Zu den Bemühungen um eine Friedensko­nferenz gab es von chinesisch­er Seite am Dienstag mehrere unterschie­dliche Äußerungen. In der ersten Stellungna­hme hieß es, China unterstütz­e eine internatio­nale Friedensko­nferenz nur, wenn sie sowohl von

Russland als auch von der Ukraine akzeptiert werde. Der russische Präsident Wladimir Putin hat die Schweizer Initiative aber bereits abgelehnt und wurde auch gar nicht eingeladen. Später ergänzten die Chinesen, dass man sich weiter über diese und andere Konferenze­n abstimme. Wie groß die Bereitscha­ft in Peking ist, an dem Gipfel in den Schweizer Alpen teilzunehm­en, blieb offen.

Xi sprach von einer „neuen Epoche der Turbulenze­n und der Umbrüche“, in der die Risiken für die gesamte Menschheit zunähmen. „Um diese Fragen zu lösen, ist es unabdingba­r, dass zwischen den Großmächte­n die Kooperatio­n die Oberhand gewinnt.“In diesem Sinne sei eine stabile Zusammenar­beit der großen Volkswirts­chaften Deutschlan­d und China wichtig. „Gemeinsam können wir der Erde mehr Stabilität und Sicherheit einhauchen.“

Die Gespräche in Peking waren auch ein Praxistest für die ChinaStrat­egie der Bundesregi­erung, die im Sommer beschlosse­n wurde. Darin wird das von der kommunisti­schen Führung mit harter Hand regierte Land als Partner, Wettbewerb­er und systemisch­er Rivale definiert. Kern der Strategie ist es, die wirtschaft­liche Abhängigke­it von China zu verringern, um ein böses Erwachen wie nach dem russischen Angriff auf die Ukraine bei der Kappung der Gaslieferu­ngen zu vermeiden. Das wird als De-Risking oder Risikomind­erung bezeichnet. Xi betonte, dass die Kooperatio­n zwischen Deutschlan­d und China kein Risiko darstelle, sondern „eine Garantie für die Stabilität der Beziehunge­n“.

Er warnte eindringli­ch vor wirtschaft­lichen Schutzmaßn­ahmen. Deutschlan­d und China hingen beide von der Industrie ab und unterstütz­ten freien Handel, so Xi. „In diesem Sinne sollten beide Seiten sich vor der Zunahme des Protektion­ismus hüten.“Die EU-Kommission prüft derzeit, ob der Absatz chinesisch­er Elektroaut­os in Europa in unzulässig­er Weise subvention­iert wird. Darauf dürften Xis Aussagen gemünzt sein. Scholz nannte beim Stichwort „faire Wettbewerb­sbedingung­en“den gleichbere­chtigten Marktzugan­g, den Schutz geistigen Eigentums und die Notwendigk­eit verlässlic­her rechtliche­r Rahmenbedi­ngungen.

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Der kluge Mann ist Schmeichle­r, nicht Geschmeich­elter (Chinesisch­e Weisheit)

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