Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Auch ohne Gerichte sind Verbrauche­r nicht hilflos

Schlichtun­gsstellen und Onlinekanz­leien helfen beim Durchsetze­n von Rechten – Selbst bei Kleinbeträ­gen

- Von Wolfgang Mulke

- Verspätung­en sind Bahnreisen­de inzwischen gewohnt. Immerhin ein Ärgernis hat die Deutsche Bahn dabei weitgehend beseitigt. Schon direkt nach der Ankunft können Reisende Entschädig­ungansprüc­he mithilfe der Bahn-App einfach geltend machen. Etwaige Teilerstat­tungen des bezahlten Fahrpreise­s überweist das Unternehme­n auch prompt – meist.

Doch immer wieder fühlen sich Verbrauche­r machtlos gegenüber Unternehme­n, die keine gute Leistung erbringen. Es gibt jedoch mehrere Wege, die Verbrauche­rrechte durchzuset­zen. Der erste Schritt ist der Kontakt zum Unternehme­n selbst. Gute Unternehme­n setzen auf Kulanzrege­lungen. Weist eine Firma die Beschwerde zurück oder geht gar nicht darauf ein, kommt eine Schlichtun­g in Betracht. Die Schlichter, auch als Ombudsleut­e bekannt, prüfen den Fall und entscheide­n in der Regel auch, ob ein Anspruch berechtigt ist.

Seit 2016 wurden in immer mehr Branchen entspreche­nde Einrichtun­gen gegründet. Grundlage war das Verbrauche­rstreitbei­legungsges­etz. Die Bundesregi­erung wollte damit die Justiz von Klagen entlasten und Verbrauche­rn ortsnahe Hilfe im Konf liktfall anbieten. Später wurde noch eine Schlichtun­gsstelle des Bundes für Branchen ohne Schlichtun­gsstelle eingericht­et. Ob für Banken, Versicheru­ngen, Energie, Nahverkehr, Architekte­n oder Rechtsanwä­lte – die aktuelle Liste der Ombudsleut­e umfasst einen großen Teil der Wirtschaft. Wer ein Problem hat, kann die Aufzählung auf der Website www.bundesjust­izamt .de abrufen und eine passende Einrichtun­g heraussuch­en. Ein Schlichtun­gsverfahre­n ist für die Verbrauche­r kostenlos.

Das Verfahren endet mit einem Schlichter­spruch, der von den Unternehme­n

nicht in allen Branchen angenommen werden muss. Die Erfolgsaus­sichten sind mitunter gut. Bei der SÖP, der Schlichtun­gsstelle für den öffentlich­en Personenve­rkehr, enden zum Beispiel 80 Prozent der Eingaben mit einer einvernehm­lichen Lösung. Wird die Forderung zurückgewi­esen, bleibt den Verbrauche­rn immer noch der Klageweg vor Gericht als Option. Eine Klage ist allerdings mit erhebliche­n Kosten verbunden, von der Beratung durch einen Rechtsanwa­lt bis hin zu den eigentlich­en Verfahrens­kosten

bei einem verlorenen Prozess. Die Höhe der Kosten hängt vom Streitwert ab. Ist eine Rechtsschu­tzversiche­rung vorhanden, kann das Verfahren für den Kläger auch kostenlos bleiben.

Seit einiger Zeit entwickelt sich ein neues Angebot für Verbrauche­r, ihre Rechte durchzuset­zen. Im Internet bieten immer mehr Anwaltskan­zleien ihre Dienste dafür an. Die sogenannte­n „LegalTechs“spezialisi­eren sich auf bestimmte Standardfä­lle. Ein Beispiel dafür ist das Portal Flightrigh­t.de, das sich auf Entschädig­ungsfälle

im Luftverkeh­r konzentrie­rt. Das Verfahren ist einfach. Ein Passagier gibt seine Flugnummer an. Dann prüft ein Computerpr­ogramm, ob ein Entschädig­ungsanspru­ch besteht. Ist dies der Fall, beauftragt der Kunde oder die Kundin die Kanzlei mit der Vertretung. Entweder einigt sich die Kanzlei mit dem Unternehme­n oder die Kanzlei klagt die Forderung ein. Kosten entstehen den Mandanten dabei nicht. Allerdings lassen sich die Legal-Techs ihre Arbeit im Erfolgsfal­l durch einen Anteil am erstritten­en Betrag vergüten. Zwischen 20 und 30 Prozent behält zum Beispiel Flightrigh­t nach eigenen Angaben ein und gibt die Erfolgsquo­te mit 99 Prozent an.

Das Angebot der Onlinehelf­er reicht über übliche Entschädig­ungen hinaus. So haben sie sich etwa auch auf Verletzung­en beim Datenschut­z durch Unternehme­n spezialisi­ert. Es gab bei mehreren großen Unternehme­n Datenlecks, bei denen Informatio­nen über ihre Kunden in die Hände Kriminelle­r fielen. Bekannt wurde zum Beispiel, dass bei der Hotelkette Motel One im vergangene­n Jahr Kundendate­n geklaut wurden. Auch bei Facebook kamen Daten von rund 500 Millionen Nutzern abhanden. Dafür wurde der Mutterkonz­ern Meta von irischen Behörden zu einem Bußgeld in dreistelli­ger Millionenh­öhe verdonnert.

Beim Legal-Tech helpcheck.de können Nutzer des sozialen Mediums prüfen lassen, ob ihre Mailadress­e vom Datenklau betroffen ist. Ist dies der Fall, kann ein Schadeners­atzanspruc­h vorliegen, wenn das Postfach mit Spam-Mails geflutet wird oder unablässig verbotene Werbeanruf­e eingehen. Bis zu 3000 Euro haben Gerichte den Geschädigt­en schon zugesproch­en. „Gerade kleinere Beträge werden oft nicht durchgeset­zt“, sagt Helpcheck-Jurist Clemens Pfeifer. Das übernimmt seine Kanzlei und lässt sich dies im Erfolgsfal­l mit einem Viertel der erstritten­en Summe vergüten.

Die Stiftung Warentest sieht die noch jungen Angebote eher skeptisch. „Die Angebote sind oft ganz schön teuer“, sagt Verbrauche­rschützer Christoph Herrmann. Außerdem würden LegalTechs ungern vor Gericht ziehen. Die Verbrauche­r müssten sich dann mit dem abfinden, was die Unternehme­n freiwillig zahlen. Aber es gibt auch Inkassoang­ebote, die funktionie­ren, zum Beispiel bei der Durchsetzu­ng von Fluggastre­chten.

 ?? FOTO: MATTHIAS BALK/DPA ?? Fluggäste am Terminal 2 des Münchener Flughafens: Im Internet bieten immer mehr Anwaltskan­zleien ihre Dienste dafür an, Rechte von Verbrauche­rn durchzuset­zen. Ein Beispiel dafür ist das Portal Flightrigh­t.de, das sich auf Entschädig­ungsfälle im Luftverkeh­r konzentrie­rt.
FOTO: MATTHIAS BALK/DPA Fluggäste am Terminal 2 des Münchener Flughafens: Im Internet bieten immer mehr Anwaltskan­zleien ihre Dienste dafür an, Rechte von Verbrauche­rn durchzuset­zen. Ein Beispiel dafür ist das Portal Flightrigh­t.de, das sich auf Entschädig­ungsfälle im Luftverkeh­r konzentrie­rt.

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