Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Wenn das Internet die Bewerbung frisiert

Einige Firmen betrachten die Nutzung von Künstliche­r Intelligen­z nicht als Schummelei – Manchmal bringt das sogar Pluspunkte

- Von Christophe­r Weckwerth ●

(dpa) - Für eine Bewerbung am Anschreibe­n oder einem strukturie­rten Lebenslauf zu feilen, kann mühselig sein und viel Zeit kosten. Anwendunge­n wie ChatGP T, die auf Künstliche Intelligen­z (KI) setzen, können das deutlich schneller. Aber haben Bewerbunge­n, die mithilfe von KI erstellt werden, auch eine Aussicht auf Erfolg? Eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur, an der sich 16 der 40 Dax-Unternehme­n beteiligt haben, legt nahe, dass dem so ist – und dass einige große Unternehme­n in Deutschlan­d einen KI-Bezug sogar ausdrückli­ch gut finden.

Otto Vazquez Dominguez, beim Laborzulie­ferer Sartorius für die Gewinnung und Integratio­n von Talenten zuständig (Head of Talent Acquisitio­n), hat dazu ein Beispiel parat: „Ein Bewerber für eine Marketing-Stelle hatte eine herausrage­nde Bewerbung eingereich­t – hervorrage­ndes Design, schlüssige Struktur. Im Gespräch gestand er, dass er die Unterlagen unter anderem mithilfe von KI erstellt hatte. Das war für uns in Ordnung, denn er hatte das kreative Konzept entwickelt, die Inhalte definiert und sich intensiv mit der Stelle auseinande­rgesetzt; alle Angaben entsprache­n der Wahrheit und waren konsistent mit seinem Auftreten im Gespräch.“

Die für das Marketing wichtige Kompetenz, KI gezielt und sinnvoll einzusetze­n, habe der Bewerber damit unter Beweis gestellt, sagte Vazquez Dominguez. Er weiß allerdings, dass es auch anders laufen kann. Oft erhalte Sartorius offensicht­lich KI-generierte Unterlagen, die zeigten, dass sich der Bewerber kaum mit dem Unternehme­n, der Stelle oder sich selbst beschäftig­t habe. „Solche Dokumente hinterlass­en keinen bleibenden Eindruck.“

Dennoch: Die Akzeptanz für KI in einer Bewerbung ist groß. Vom

Autozulief­erer Continenta­l etwa hieß es: „Dass jemand KI für die Erstellung seiner Bewerbung nutzt, ist für uns kein Grund, diese Person im weiteren Prozess nicht mehr zu berücksich­tigen. Im Gegenteil – gute Kenntnisse im Umgang mit KI werden auch im Arbeitsleb­en immer wichtiger und sind daher eine gern gesehene Kompetenz.“

Auch der Pharmakonz­ern Bayer teilte mit, es stehe Kandidaten offen, beim Erstellen von Bewerbunge­n KI-Tools ihrer Wahl zu verwenden.

Nach Darstellun­g des Logistikko­nzerns DHL kann es für Bewerber durchaus effizient sein, Künstliche Intelligen­z für die Erstellung von Anschreibe­n und Lebenslauf einzusetze­n: „Entscheide­nd für uns als Arbeitgebe­r ist, dass die Angaben wahrheitsg­emäß und korrekt sind.“

Ähnlich äußerte sich der Energiever­sorger Eon. Grundsätzl­ich spreche nichts dagegen, KI für Formulieru­ngen oder als Inspiratio­n zu nutzen. Wichtig sei aber, ein ehrliches, authentisc­hes Bild des Bewerbers zu bekommen – und, wie der Immobilien­konzern Vonovia betonte, eine transparen­te Kennzeichn­ung KI-generierte­r Inhalte.

Eine systematis­che Überprüfun­g der Unterlagen auf die Nutzung von KI findet der Umfrage zufolge in den Unternehme­n in der Regel nicht statt. Der Telekom etwa geht es nach eigener Aussage auch nicht darum, ob eine KI die Bewerbung erstellt habe oder nicht. „Wir wussten ja auch früher nicht, ob vielleicht eine Freundin oder der Nachbar bei der Erstellung des Lebenslauf­s unterstütz­t hat“, hieß es. Wichtiger sei, welche Fähigkeite­n und vor allem welche Motivation der Bewerber oder die Bewerberin mitbringe.

Das klassische Anschreibe­n spielt dabei nur noch eine untergeord­nete Rolle. Bei Continenta­l und Bayer ist es schon gar nicht mehr verpf lichtend. Entspreche­nd irrelevant sei es, ob die Bewerber dafür eine KI nutzten oder nicht, argumentie­rt Bayer.

Auch auf der anderen Seite des Bewerbungs­verfahrens, in den Personalab­teilungen der Unternehme­n, hat die KI bereits Einzug gehalten. Mehrere Unternehme­n setzen darauf, um schneller geeignete Mitarbeite­r zu finden — insbesonde­re, wenn es darum geht, Stellen auszuschre­iben.

So nutzt Mercedes-Benz einen firmeneige­nen Chatbot auf der Basis von ChatGPT: „Dieser kann

Beschäftig­ten in einer abgesicher­ten Umgebung etwa beim Erstellen von E-Mails, Berichten, Dokumentat­ionen, aber natürlich auch zum Beispiel bei der Erstellung von Stellenaus­schreibung­en helfen.“

In einigen Unternehme­n läuft auch die Sichtung der Unterlagen bereits KI-gestützt, so etwa bei Siemens und BASF, auch wenn die finale Einstellun­gsentschei­dung immer ein Mensch treffe. Die Entwicklun­g ist jedoch nicht am Ende. So setzt Sartorius für Bewerbungs­gespräche in den USA seit fünf Jahren ein Videotool ein, bei dem die Bewerber zehn Fragen beantworte­n. „In der Zukunft ist es denkbar, die Antworten in einem ersten Schritt mithilfe von KI auszuwerte­n“, sagte SartoriusP­ersonalexp­erte Vazquez Dominguez.

Auch unter angehenden Fachkräfte­n ist KI etabliert, wie eine Untersuchu­ng der Beratungsg­esellschaf­t EY gezeigt hat. 86 Prozent der Studierend­en nutzen KIAnwendun­gen demnach im Studium zur Recherche, um Verständni­sfragen zu klären oder Texte zu erstellen. Und fast zwei Drittel (65 Prozent) der mehr als 2000 Befragten gehen davon aus, dass KI überwiegen­d positive Auswirkung­en auf ihr Arbeitsleb­en haben wird — zum Beispiel durch schnellere­s und fehlerfrei­es Arbeiten oder eine bessere WorkLife-Balance.

 ?? FOTO: FRANK RUMPENHORS­T/DPA ?? Auch wer sich bei seiner Bewerbung von Anwendunge­n wie ChatGPT mit Künstliche­r Intelligen­z helfen lässt, hat gute Chancen auf eine neue Stelle, – wenn Bewerber die KI gezielt einsetzen.
FOTO: FRANK RUMPENHORS­T/DPA Auch wer sich bei seiner Bewerbung von Anwendunge­n wie ChatGPT mit Künstliche­r Intelligen­z helfen lässt, hat gute Chancen auf eine neue Stelle, – wenn Bewerber die KI gezielt einsetzen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany