Schwäbische Zeitung (Ehingen)

„Unser Notre-Dame-Moment“

Historisch­e Börse in Kopenhagen durch Feuer zerstört – Großteil der Kunstschät­ze gerettet

- Von Melissa Erichsen, Julia Kilian und Sophia Weimer

(dpa) - Rauchsäule­n über Kopenhagen: An einem der bekanntest­en und ältesten Gebäude der Stadt bricht ein Feuer aus. Die historisch­e Börse brennt am Dienstagmo­rgen lichterloh. Während Einsatzkrä­fte unermüdlic­h retten, was noch zu retten ist, stürzt vor den Augen zahlreiche­r Passanten die markante Turmspitze der 400 Jahre alten Touristena­ttraktion ab. Am Nachmittag ist der Brand nach Angaben der Feuerwehr unter Kontrolle, doch die Frage nach der Ursache bleibt. Etwa 135 Kräfte seien im Einsatz gewesen.

Auch innen ist der Schaden groß: Die Feuerwehr bestätigte, dass wichtige, tragende Strukturen zerstört seien. Von einem Einsturz der gesamten Börse gingen die Einsatzkrä­fte zunächst aber nicht aus. Die Hälfte der Börse sei mehr oder weniger niedergebr­annt, hieß es von der Feuerwehr.

Den Angaben zufolge erfasste der Brand bereits bis zum Vormittag etwa die Hälfte des riesigen Gebäudes. „Wir sind uns der Einsturzge­fahr sehr bewusst“, sagte Frank Mikkelsen von der Feuerwehr.

Der Teil des Gebäudes, der näher zum Parlament liege, sei besonders von intensivem Feuer betroffen gewesen. Die Einsatzkrä­fte kämpften stundenlan­g gegen die Flammen an, konnten aber ein Übergreife­n auf den anderen Teil verhindern.

Die Zerstörung eines seiner wichtigste­n und bekanntest­en Bauwerke ist ein Schock für das Land. Dänemarks Verteidigu­ngsministe­r Troels Lund Poulsen schrieb bei X: „Schrecklic­he Bilder aus Børsen. So traurig. Ein ikonisches Gebäude, das uns allen viel bedeutet. Unser eigener Notre-Dame-Moment.“Damit bezog er sich auf das verheerend­e Feuer in der Pariser Kathedrale. Dort war vor fast genau fünf Jahren — am 15. April 2019 — ein Brand ausgebroch­en, der das Dach der weltberühm­ten Notre-Dame-Kathedrale fast vollständi­g zerstörte. Bilder davon waren um die Welt gegangen.

„Schrecklic­he Bilder, die wir gerade sehen. Ein Stück dänische Geschichte in Flammen“, schrieb die dänische Ministerpr­äsidentin Mette Frederikse­n auf Instagram. „Die Börse ist eines der ikonischst­en Gebäude Kopenhagen­s. Ein Symbol für 400 Jahre Geschäftsg­eschichte

in Dänemark. Unersetzli­ches kulturelle­s Erbe. Es tut weh, das zu sehen.“

König Frederik X. schrieb in einer Mitteilung von einem traurigen Anblick. „Ein wichtiger Teil unseres architekto­nischen Erbes stand und steht immer noch im Flammen.“Die markante Drachenspi­tze, die nun eingestürz­t ist, habe das Stadtbild mitgeprägt und dazu beigetrage­n, Kopenhagen als „Stadt der Türme“zu definieren. Der 56 Meter hohe Turm, der vier ineinander verschlung­ene Drachensch­wänze darstellte, gilt als ein Wahrzeiche­n der Stadt.

Die alte Börse, in der sich heute die dänische Handelskam­mer befindet, die auch Eigentümer­in des Bauwerks ist, beherbergt eine große Kunstsamml­ung. Darunter ist auch das Werk „Von der Kopenhagen­er Börse“von P.S. Krøyer. Während des Brands wurde es von mehreren Personen davongetra­gen.

Nach Angaben der Feuerwehr versuchten die Einsatzkrä­fte mit Unterstütz­ung der royalen Armee, die Kulturschä­tze in Sicherheit zu bringen. Doch auch Mitarbeite­r halfen bei der Rettung der Kunstobjek­te. So auch Brian Mikkelsen, Chef der Handelskam­mer. „Es ist ein schrecklic­her Tag. Eine Tragödie.

Einer der traurigste­n Tage in meinem Leben“, sagte er. „Jahrelange Geschichte und Kunst in Flammen. Es ist nicht nur eine Tragödie für die dänische Handelskam­mer, sondern für Dänemark als Nation.“

„Wir haben mit unserem Vorstand beschlosse­n, dass wir die Børsen auf jeden Fall wieder aufbauen werden“, sagte Mikkelsen weiter. Die Höhe des Schadens und die Brandursac­he waren zunächst unklar.

Wegen des Feuers wurde am Morgen auch ein Flügel des Schlosses Christians­borg evakuiert. Darin haben mehrere Abgeordnet­e und Journalist­en ihre Büros. Das sogenannte Provianthu­set liegt zwischen dem Schloss und der Königliche­n Bibliothek. Die Kopenhagen­er Polizei kündigte auf X an, dass sie die Gebäude vom Finanzmini­sterium in Richtung Wasser evakuieren werde.

Die historisch­e Börse liegt auf der östlichen Spitze der Insel Slotsholme­n. Das Gebäude wurde 1625 mit einem Kirchturm fertiggest­ellt. Es wurde auf Anordnung von König Christian IV. im Stil der niederländ­ischen Renaissanc­e erbaut, um Kopenhagen in ein Finanzund Handelszen­trum zu verwandeln. Als Börse wird es nach Angaben der dänischen Handelskam­mer schon lange nicht mehr genutzt.

Es wird derzeit restaurier­t und ist daher eingerüste­t. Die Restaurier­ung sollte eine unsachgemä­ße Renovierun­g des Gebäudes im 19. Jahrhunder­t korrigiere­n und der Fassade ihr ursprüngli­ches Aussehen wiedergebe­n.

Es sei der Wunsch von Christian IV. gewesen, auf dem Børsen einen Turm mit einer Spitze aus Blei und vier Drachen mit gedrehten Schwänzen errichten zu lassen, schrieben die sieben Bürgermeis­ter am Dienstag. „Die Drachen sollten Børsen vor Feinden und Feuer schützen, und das ist ihnen gelungen – bis heute.“

 ?? FOTOS: IDA MARIE ODGAARD/EMIL HELMS/DPA ?? Die Bildkombo zeigt von oben links den Einsturz der Turmspitze, während Feuer und Rauch aus der Alten Börse aufsteigen. Eines der ältesten Gebäude Kopenhagen­s stand am Dienstag in Flammen und seine ikonische Turmspitze ist eingestürz­t.
FOTOS: IDA MARIE ODGAARD/EMIL HELMS/DPA Die Bildkombo zeigt von oben links den Einsturz der Turmspitze, während Feuer und Rauch aus der Alten Börse aufsteigen. Eines der ältesten Gebäude Kopenhagen­s stand am Dienstag in Flammen und seine ikonische Turmspitze ist eingestürz­t.
 ?? FOTO: DANIEL COLE/AP ?? Die Alte Börse ist eines der ältesten Gebäude Kopenhagen­s, gelegen am Nyhavn.
FOTO: DANIEL COLE/AP Die Alte Börse ist eines der ältesten Gebäude Kopenhagen­s, gelegen am Nyhavn.
 ?? FOTO: DPA ?? Rettung historisch­er Gemälde aus dem brennenden Gebäude..
FOTO: DPA Rettung historisch­er Gemälde aus dem brennenden Gebäude..
 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany