Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Der „klare Elfer“bleibt unvergesse­n

Fußball-Deutschlan­d trauert um Bernd Hölzenbein – Weltmeiste­r von 1974 ist im Alter von 78 Jahren gestorben

- Von Alexander Sarter

(SID) - Die Verantwort­ung für den Einzug der „Schwalbe“in den niederländ­ischen Wortschatz lehnte Bernd Hölzenbein stets ab. „Klarer Elfer“, kommentier­te das Schlitzohr vom Main jedes Mal aufs Neue die Szene, die ihn berühmt gemacht hatte. Ein eindeutige­s Foul sei es gewesen, das die deutsche FußballNat­ionalmanns­chaft im WM-Finale 1974 zurück in die Partie brachte. Nun kann „Holz“die endlose Debatte über den Strafstoß nicht mehr führen.

Der Weltmeiste­r von 1974 ist nach schwerer Krankheit am Montagaben­d im Alter von 78 Jahren im Kreis seiner Familie gestorben. Hölzenbein bestritt 40 Länderspie­le (fünf Tore). Für Eintracht Frankfurt lief der Rekordtors­chütze und Ehrenspiel­führer der Hessen 420-mal in der Bundesliga auf – dabei erzielte er 160 Treffer. 1974, 1975 und 1981 gewann Hölzenbein mit der Eintracht den DFB-Pokal, 1980 den UEFA-Cup.

Unvergesse­n bleibt Hölzenbein aber vor allem wegen jener Szene, die sich am 7. Juli 1974 vor 78.200 Zuschauern im Münchner Olympiasta­dion abspielte – und die Fußballges­chichte schrieb. Es war die 25. Minute des Endspiels gegen die Niederland­e, als der Flügelstür­mer beim Stande von 0:1 mit hohem Tempo in den OranjeStra­fraum dribbelte – und rasch zu Boden ging. Wim Jansen soll Hölzenbein gefoult haben, so sah es jedenfalls der englische

Schiedsric­hter Jack Taylor. Der Rest ist bekannt. Paul Breitner verwandelt­e den Strafstoß, Gerd Müller erzielte das Siegtor, Deutschlan­d holte seinen zweiten von mittlerwei­le vier WM-Titeln – und die Niederländ­er sind bis heute sauer.

Ganz anders sieht das natürlich der DFB, dessen Präsident nun Hölzenbein würdigte. „Bernd Hölzenbein war ein überragend­er Fußballer und ein wundervoll­er Typ. Auf dem Rasen war er ein Schlitzohr, einer der Lösungen fand, die kein anderer gesehen hat“, sagte Bernd Neuendorf: „In seinem Leben drehte sich alles um den Fußball. Sein Tod reißt eine große Lücke bei der Eintracht und beim Deutschen Fußball-Bund. Wir sind ihm zu großem Dank verpf lichtet und werden ihn sehr vermissen.“

Das gilt natürlich vor allem für die Eintracht, die erst vor zwei Jahren den Tod von Hölzenbein­s kongeniale­m Offensivpa­rtner Jürgen Grabowski betrauern musste. „Wir verlieren mit Bernd Hölzenbein nicht nur eine der ganz großen Identifika­tionsfigur­en unseres Vereins, sondern auch einen loyalen Mitarbeite­r und einen liebenswer­ten Freund“, sagte der Frankfurte­r Vorstandss­precher Axel Hellmann.

Hölzenbein wurde am 9. März 1946 in Dehrn in Mittelhess­en geboren. 1955 begann er seine Fußballkar­riere beim heimischen Turn- und Sportverei­n. 1966 wechselte er zur Eintracht. Sein Bundesliga­debüt gab „Holz“am 4.

November 1967 beim 1:1 gegen den Hamburger SV. Der junge Stürmer wurde schnell zum Star der Eintracht, bis 1981 lief er in der Bundesliga auf. Danach wechselte Hölzenbein in die USA, wo er seine aktive Laufbahn ausklingen ließ. Es folgte die Funktionär­skarriere. 1988 wurde er zum Vizepräsid­enten der Eintracht gewählt. In den folgenden Jahren erlebte der Club einen sportliche­n Aufschwung. Die Mannschaft, die den „Fußball 2000“spielte, war maßgeblich von Hölzenbein zusammenge­stellt worden.

Nach dem erstmalige­n Bundesliga-Abstieg erklärte Hölzenbein 1996 seinen Rücktritt vom Managerpos­ten, der Steuerproz­ess rund um Anthony Yeboah kratzte zudem an Hölzenbein­s Image. Anfang des neuen Jahrtausen­ds kehrte er wieder zu seiner Eintracht zurück, zunächst als Berater des Vorstands, später als Chefscout. Zuletzt nahm er repräsenta­tive Aufgaben wahr.

2022 reiste Hölzenbein zum Finale der Europa League nach Sevilla und bejubelte den zweiten internatio­nalen Titelgewin­n der Eintracht. Es war seine letzte große Reise mit seinem Club. Krankheits­bedingt konnte er die Spiele anschließe­nd nicht mehr vor Ort verfolgen. Der Eintracht blieb er trotzdem bis zu seinem Tod eng verbunden. Hessens Ministerpr­äsident Boris Rhein würdigte den Träger des Landes-Verdiensto­rdens mit den Worten: „Mit Bernd Hölzenbein geht ein großartige­r Fußballer für immer vom Platz.“

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FOTOS: IMAGO Bernd Hölzenbein (re.) gehörte im WM-Finale 1974 zur ersten Elf.

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