Blick in die Planungswelt der Gartenschau
Visionen und Herausforderungen: Hinter den Kulissen der Gartenplanung - ein Gespräch mit Axel Lohrer, Landschaftsarchitekt und Stadtplaner.
Die wichtigste Frage zuerst: Wird zum Start der Landesgartenschau Wangen im Allgäu alles fertig?
Natürlich nicht. Denn ein Garten kann zur Eröffnung gar nicht fertig sein. Das, was ihn prägt, die Pflanzen, brauchen Zeit, Pflege und vor allem Reife - Bäume brauchen wohl 50 Jahre, um die bei der Planung intendierte Wirkung zu erreichen. Wenn wir die Frage aber auf die Gartenschau an und für sich beziehen, dann wird diese natürlich fertig (lacht) - die Daueranlage mit den alten und neunen Häusern, der Park mit seinen Einbauten, Gärten, Spielbereichen und Pflanzkulissen wie auch die temporäre Ausstellung mit weiteren Gärten oder farbenfrohem Wechselflor.
Was fasziniert Sie an der LGS Wangen besonders?
Das Spannende an Wangen ist die städtebauliche Komponente. Das revitalisierte ERBAQuartier mit der renaturierten Flusslandschaft ist ein Modell für zukunftsgewandtes innerstädtisches Leben: Wie integrieren wir alte Bauten? Was sind passende neue Elemente? Wie eng ist Wohnen mit Grün verknüpft? Wie funktioniert landschaftlich integrierter Hochwasserschutz und was ist eine bürgerorientierte innenstadtnahe Parkanlage? Aspekte, die uns alle im Alltag immer wieder bewegen und die in Wangen im Zusammenspiel und durch temporäre Ausstellungsbeiträge ergänzt am gelebten Beispiel präsentiert werden.
Welche Herausforderungen gab es bei der Planung und Umsetzung?
Das Projekt und sein Enddatum selbst. Im Nachhinein betrachtet,
sind die zehn Jahre Projektlaufzeit für ein Areal dieser Größe und Vielschichtigkeit ein sehr enges Korsett, das allen Beteiligten über die gesamte Laufzeit viel abverlangte.
Was sind die Hauptattraktionen, auf die sich die Besucher
bei der LGS freuen können? Highlight ist nicht das besondere Eine, es ist die Vielfältigkeit der Landschaft. Sie können klassische Attraktionen wie den Aussichtsturm präferieren, sich über tradierte Beiträge wie farbenfrohen Wechselflor freuen, über die Spielplätze toben, sich in die intimeren Gärten zurückziehen, die Kunstbeiträge würdigen oder einfach nur mit den Füssen in der renaturierten Argen stehen und dem Klang des Wassers lauschen.
Wie wurden örtliche Ressourcen und das kulturelle Erbe in das Design und die Gestaltung integriert?
Der Fluss bildet das gestalterische wie narrative Rückgrat des neuen Grünbandes. Der Park folgt dem Talraum, der Klang des Wassers ist allgegenwärtig, und immer wieder öffnen sich Blicke, immer wieder ist das Wasser auch zugänglich. Der Baustoff Holz findet sich von den neuen Gebäuden über Brücken und Gärten bis hin zu den Kunstwerken. Er ist regenerativ, altert ansprechend, ist optisch zurückhaltend und erlaubt den visuellen Fokus aufs Wesentliche - die Topografie und die Pflanzen. Und schließlich die frühere Industrieanlage! Im ERBA-Park wird ja eine Geschichte erzählt - denn genau das tun all die umfunktionierten Relikte. All die Skulpturen, Pergolen, Vasen, Tempelchen oder fassenden Enfiladen, sie alle erzählen vom früheren Leben in Wangen.
Was können Sie uns über Ihre Bemühungen für Nachhaltigkeit sagen?
Diese Aspekte sind vielschichtig in das Gesamtgelände eingeflossen, sei es mit einer Quartiersgarage, dem engmaschigen Radwegenetz, Neubauten aus nachwachsenden Rohstoffen und den ressourcensparenden experimentellen Konstruktionen. >>>
Im Park wurden recyclefähige Materialien verwendet, Bodenaushub vor Ort in die neue Topografie eingebaut und klimaadaptierter Hochwasserschutz gestalterisch unauffällig integriert. Die Argen wurde aus dem starren Bett befreit und revitalisiert. Auf der Argenwiese sind große Flächen vollständig der natürlichen Gewässerdynamik überlassen.
Wieviel Herzblut haben Sie in die Planung der LGS gesteckt, und wie spiegelt sich dies in den Aspekten wider?
Na ja, das waren schon zehn dichte Jahre. Solche Landschaften haben kein Regelwerk, auf das Sie zurückgreifen können. Einem Maler gleichend, können Sie da nur mit Leidenschaft und innerem Gespür für den Ort Stimmungen einfangen und dreidimensionale Bilder entwerfen. Inwieweit das gelungen ist, sollen spätere Betrachter beantworten, am besten in Ruhe und nach etwas Ausreifung des Geländes.
Was können Sie über das Team hinter der Landesgartenschau
und dessen Engagement sagen?
Wangen war durch ein sehr kompaktes Kernteam aus Politik, Verwaltung, Bauherrnvertretern und Planern gekennzeichnet. Grundlage bildete gegenseitiges Vertrauen, Verlässlichkeit und das Ziel, rechtzeitig und mit was Gutem fertig zu werden. Eine einfache Struktur, ohne die das Projekt so nie hätte umgesetzt werden können.
Welche Bedeutung hat die LGS für die lokale Gemeinschaft in der Region?
Für das Projekt wurde von öffentlicher und privater Seite viel Geld investiert, wobei die meisten Aufträge in der Region blieben. Das große Gartenfest weckt das Wir-Gefühl, das zeigte sich schon in den Vorbereitungen wie in der großen Zahl an ehrenamtlich Tätigen und Interessierten - und das deutlich über die Grenzen der Stadt hinaus.
Gab es während der Planung oder Umsetzung besondere Momente oder Projekte, die
Ihnen am Herzen lagen?
Da war die Preisverleihung zum gewonnenen Wettbewerb, dann ging es kontinuierlich voran, sodass ich mir dazu keine Gedanken machte – vielleicht hole ich das nach, wenn die Tore offen sind und ich mir eine ruhige Schattenbank gesichert habe.
Wie haben Sie die Gärten gestaltet, um ein breites Publikum anzusprechen?
Indem wir einen aneignungsfähigen Freiraum mit robuster
Struktur und flexibel bespielbaren Themenfeldern schufen. Deren spezifische Inhalte wurden auf der Grundlage eines Dialogprozess mit den unterschiedlichen Gruppen verdichtet.
Welche langfristigen Auswirkungen erhoffen Sie sich von der LGS in Bezug auf Tourismus wie auch auf die städtebauliche Entwicklung? Wangen gewinnt ein zukunftsweisendes bildprägendes Arbeitsund Wohnquartier mit engem Bezug zum Freiraum. Die Besucher Wangens bekommen ein attraktives Ziel im Grünen, was sicherlich an warmen Sommertagen eine willkommene Ergänzung zum Besuch in der Altstadt werden wird.
Was möchten Sie den Besuchern mit auf den Weg geben? Das Schöne an meinem Beruf ist, dass man dazu nicht viele Worte braucht. Legt die Texte zur Seite, geht in den Garten und lasst ihn einfach auf Euch wirken! meb