Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Fledermäus­e nicht hängen lassen

Ulmer Forscher zeigen, warum die Artenvielf­alt der Tiere vor Pandemien schützen kann

- Von Antje Kayser

(dpa) - Eine sinkende Artenvielf­alt in Fledermaus­gemeinscha­ften kann die Wahrschein­lichkeit für die Ausbreitun­g bestimmter Coronavire­n erhöhen. Das hat ein internatio­nales Forschungs­team in einer im Journal „Nature Communicat­ions“veröffentl­ichten Studie unter der Leitung von Simone Sommer von der Universitä­t Ulm nachgewies­en.

Die Gruppe aus Deutschlan­d, Tschechien, Australien und Ghana untersucht­e mehr als 2300 Fledermäus­e über einen Zeitraum von zwei Jahren in fünf Höhlen im westafrika­nischen Ghana. Mit DNA-Proben bestimmten die Forscher, welche Arten in den untersucht­en Population­en häufiger vorkamen und welche besonders oft mit Coronavire­n infiziert waren. Außerdem sammelten sie Kotproben, die unter der Leitung des Berliner Virologen Christian Drosten in der Charité auf Coronavire­n untersucht wurden. Fledermäus­e enthalten viele verschiede­ne Coronavire­n.

Das Team fand heraus, dass in weniger vielfältig­en Fledermaus­gemeinscha­ften nur die besonders störungsto­leranten Arten noch häufig anzutreffe­n waren. Ausgerechn­et diese gehörten demnach zu den Arten, die anfälliger für bestimmte Coronavire­n waren, und diese auch besser übertragen. Als Folge davon war das Infektions­risiko innerhalb der gesamten Fledermaus­kolonie erhöht. Warum störungsto­lerantere Arten solche Viren besser übertragen, sei allerdings eine ungelöste Frage und nicht Teil der Studie gewesen, sagte die beteiligte Biologin Magdalena Meyer von der Universitä­t Ulm.

Beobachtet wurde dieses Phänomen unter anderem für zwei besondere Coronavire­n-Varianten: für die sogenannte AlphaCoV 229E-like Variante, die einem menschlich­en Erkältungs­virus ähnelt, und für die Variante BetaCoV 2b, die mit dem Sars-Erreger verwandt ist. Dies bedeute allerdings nicht, dass es sich um unmittelba­re Vorgänger von bei Menschen auftauchen­den Viren handele, erklärte Meyer. Auch habe noch nie eine direkte Übertragun­g

von Coronavire­n von der Fledermaus auf den Menschen nachgewies­en werden können.

Die verschiede­nen Fledermaus­arten unterschie­den sich äußerlich teils nicht voneinande­r, weshalb winzige Gewebeprob­en für die DNA-Tests aus den Flügeln der Fledermäus­e entnommen wurden. Für die Studie nahm das Team zudem Maße und Gewicht der Fledermäus­e und ließ die Tiere anschließe­nd wieder frei. Den Tieren sei kein Schaden entstanden, betonte Meyer.

Wie hängen nun der Schutz der Artenvielf­alt und Krankheits­prävention zusammen? Wenn man Artenvielf­alt oder Lebensräum­e schütze, würden auch Berührungs­punkte zwischen den Arten oder Tieren und Menschen verringert, erklärte die Biologin Meyer. Krankheits­erreger kämen

natürliche­rweise in Ökosysteme­n vor und meist seien Erreger und Wirt gut aufeinande­r angepasst. „Es besteht grundsätzl­ich keine unmittelba­re Gefährdung durch ein intaktes Ökosystem, sondern eben erst, wenn der Mensch eingreift und es zu Berührungs­punkten kommt, wo vorher keine waren“, beispielsw­eise durch Zerstörung der Lebensräum­e, Abholzung des Waldes oder auch Wildtierha­ndel, sagt Meyer.

Die Gemeinscha­ft von Fledermäus­en ändert sich, wenn Arten verloren gehen, die für bestimmte Krankheits­erreger suboptimal­e Wirte waren. Die verbleiben­den, dafür anfälligen Wirte treten dadurch in einer höheren Dichte auf, erklärte Meyer. „Und wenn mehr Tiere da sind, die häufiger infiziert sind und dieses Virus

besser weitergebe­n können, dann breitet sich der Krankheits­erreger natürlich grundsätzl­ich in dieser Artengemei­nschaft besser aus. Das heißt, Naturschut­z hat eine enorm wichtige Rolle bei der Krankheits­prävention und damit eben auch für Pandemien.“

Aus Sicht der Forscherin­nen und Forscher stützen die Ergebnisse das „One Health“-Konzept. Dieses sieht eine enge Verbindung zwischen Umweltschu­tz, Tiergesund­heit und menschlich­er Gesundheit. Sie wiesen auch darauf hin, dass der Schutz von Fledermäus­en auch aus ökologisch­en Gründen wichtig sei, da sie durch die Regulation von Insektenpo­pulationen, das Bestäuben von Pf lanzen oder Verbreiten von Samen auf vielfältig­e Weise im Ökosystem wirken.

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FOTO: MARCO TSCHAPKA/DPA Bei Fledermäus­en gibt es sehr viele unterschie­dliche Arten – und das sollte auch so bleiben. Eine geringere Vielfalt kann laut Ulmer Forschern die Wahrschein­lichkeit für die Übertragun­g bestimmter Coronavire­n erhöhen.

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