Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Schwarzer Samstag

-

Die Meinung in den Medien war einhellig: Der letzte Samstag mit dem Angriff des Irans auf Israel wird als ein weiterer schwarzer Tag in die unselige Geschichte des Nahost-Konflikts eingehen. Solche schwarzen Tage in der Folge von kriegerisc­hen Handlungen haben leider eine sehr lange Tradition. Aller Wahrschein­lichkeit nach wurde dieser Ausdruck – lateinisch dies ater, wörtlich schwarzer Tag – erstmals nach der Schlacht bei Allia im Jahr 390 oder 387 v. Chr. geprägt, als die Kelten die Römer unweit von Rom vernichten­d schlugen. Das Trauma ebbte lange nach, sodass dies ater fortan zur Bezeichnun­g für einen besonders unheilvoll­en Tag wurde.

Dieser Brauch überlebte das Ende des Imperium Romanum, und so bürgerte sich im Lauf der Jahrhunder­te ein, dass Unglücksta­ge jedweder Art – ob es um Kriege geht oder um andere politische Entscheidu­ngen, um Krisen in der Wirtschaft, im Sport oder auch im privaten Bereich – als

Schwarze Tage gelten, und das quer durch die Woche, vom schwarzen Montag bis zum schwarzen Sonntag. Dass die Farbe Schwarz in der Kultur unserer westlichen Welt vor allem mit Trauer verbunden wird, trug zusätzlich zu dieser Entwicklun­g bei.

So kann man sich schon fragen, warum eigentlich seit zehn Jahren der vierte Freitag im November, quasi der Auftakt zur Weihnachts­einkaufssc­hlacht, bei uns

Black Friday genannt wird – und das ungeachtet der Tatsache, dass es an negativ belasteten schwarzen Freitagen wahrlich nicht mangelt. Es gibt sie in Erinnerung an verheerend­e Börsencras­hs, Sturmkatas­trophen mit Hunderten von

Toten, missglückt­e Demonstrat­ionen zum Frauenwahl­recht und nicht zuletzt an fürchterli­che Terroratte­ntate wie 2015 in Paris. Angeblich tauchte der englische Begriff Black Friday erstmals in den 1950er-Jahren auf, weil die Straßen in US-Städten am freien Freitag nach Thanksgivi­ng schwarz vor kauf lustigen Menschenma­ssen waren. Problemati­sch klingt er allemal.

Nun sind an einem schwarzen Samstag Drohnen und Raketen auf Israel niedergepr­asselt. Aber apropos Rakete: Zwar werden manche Raketen zivil genutzt, ob für die Weltraumfa­hrt oder fürs Silvesterf­euerwerk. Doch der militärisc­he Einsatz überwiegt – und das spricht der friedliche­n Herkunft dieses Wortes Hohn. Der Begriff Rakete ist ein sogenannte­r Rückwander­er – also ein Wort, das germanisch­e Wurzeln hat, ins Ausland entlehnt wurde und in neuer Gestalt zu uns zurückkam. Ein Wort für den Rocken, also das Gerät zum Spinnen, gelangte schon im Mittelalte­r nach Italien, wurde dort zu rocca, und mit der Verkleiner­ungsform rocchetta benannte man – wegen der spindelähn­lichen Form – auch Feuerwerks­körper. Diese rocchetta landete im 16. Jahrhunder­t als rogettlzeu­g im Deutschen, und daraus wurde schließlic­h die Rakete – harmloser Spaß und tödliche Waffe zugleich.

In der griechisch­en Sage versucht Thetis ihren Sohn Achilleus vor der – wie sie ahnt – verhängnis­vollen Teilnahme am Krieg um Troja zu bewahren und versteckt ihn in Frauengemä­chern. Als er dort im Kreis von Mädchen am Spinnrocke­n sitzt, wird er von Odysseus entdeckt. Listig verteilt dieser schöne Gewänder, legt aber auch Waffen aus. Achilleus greift sofort zu Schwert und Schild – und zieht frohgemut in die Schlacht. Mit bekannt letalem Ende. Von wegen Schwerter zu Spinnrocke­n … Eigentlich entmutigen­d.

Rolf Waldvogel Unsere Sprache ist immer im Fluss. Wörter kommen, Wörter gehen, Bedeutunge­n und Schreibwei­sen verändern sich. Jeden Freitag greifen wir hier solche Fragen auf.

Wenn Sie Anregungen zu Sprachthem­en haben, schreiben Sie! Schwäbisch­e Zeitung, Kulturreda­ktion,

Karlstraße 16, 88212 Ravensburg

r.waldvogel@schwaebisc­he.de

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany