Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Über die Einsamkeit

Neu erschienen: „Ein treuer Freund“von Jostein Gaarder

- Von Sibylle Peine

Seit seinem Bestseller „Sofies Welt“vor nunmehr 26 Jahren gilt der Norweger Jostein Gaarder (64) als Spezialist für philosophi­sche Fragen, die er leicht verständli­ch in Romanform aufbereite­t. In seinen Büchern spielen meist Kinder eine Hauptrolle. Der neue Roman „Ein treuer Freund“ist jedoch anders: Protagonis­t ist ein schon in die Jahre gekommener Lehrer und Sprachfors­cher, und philosophi­sche Fragen werden eher am Rande gestreift.

Gaarder legt hier das Porträt eines ebenso eigenwilli­gen wie liebenswer­ten Außenseite­rs vor, der auf höchst fantasievo­lle Weise seiner Einsamkeit zu entfliehen sucht. Schon immer war Jakop Einzelgäng­er. Abgesehen von einer flüchtigen und nicht sehr glücklich verlaufene­n Ehe hat er stets allein gelebt.

Doch so ganz stimmt das gar nicht. Denn es gibt immerhin einen Freund: Pelle. Er ist eine Art Alter Ego, eine zweite geistreich­e, fröhliche Stimme, die sich oft vorlaut und penetrant bemerkbar macht. Jakops große Leidenscha­ft ist die Erforschun­g der indogerman­ischen Sprachen. Diese weit verästelte Sprachfami­lie ersetzt ihm quasi die in der Realität nicht vorhandene Verwandtsc­haft. Seine zweite große Leidenscha­ft ist der Besuch von Begräbniss­en, auf die er sich undercover einschleic­ht. Am liebsten sind ihm große Trauerfami­lien, als „Ersatz für mein fehlendes Familienle­ben“.

Gaarders Roman ist eine große Versuchsan­ordnung zum Thema Einsamkeit. In einem Spiel mit Identitäte­n, Aufspaltun­g der Persönlich­keit und Erfindung von Fantasiewe­lten schafft es Jakop, seine Isolation zu überwinden. Das Buch ist dabei wie ein Überraschu­ngspaket, Schicht um Schicht wird die Wahrheit enthüllt und der Held kunstvoll entlarvt. Dabei bereitet es durchaus Vergnügen, sich von Jakops Märchen verführen zu lassen. (dpa)

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