Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Backsteinhaus weicht Mietwohnungen
Fränkel AG plant an der Ecke Riedleparkstraße/Hofener Straße bis zu 30 Wohneinheiten
- Erneut ist Friedrichshafen um ein historisches Gebäude ärmer. Ein Backsteinhaus aus der Zeit um die Jahrhundertwende wurde gestern in der Riedleparkstraße 9 abgerissen. Die Fränkel AG plant an der Kreuzung Hofener Straße den Bau von 25 bis 30 Zwei- bis Vier-Zimmer-Mietwohnungen mit Tiefgarage, aufgeteilt in zwei Gebäuden, wie Vorstand Peter Buck mitteilt. Das Bestandsgebäude stehe städtebaulich an der falschen Stelle und sei laut Sachverständigem nicht sanierbar. Das Baugesuch wird derzeit erarbeitet. Im Frühjahr 2018 soll mit dem Neubau begonnen werden.
Wie bereits beim Haus Schöllhorn in der Friedrichstraße, das vor einem Jahr einem geplanten Neubau weichen musste, hat auch das Verschwinden des Backsteinhauses aus der Gründerzeit in den sozialen Netzwerken eine hitzige Debatte pro und contra Erhaltung historischer Bausubstanz verursacht. Nach Angaben des Bauherrn stammt das Haus aus dem Jahr 1857, nach Aktenlage des Bauamtes wurde es 1902 von Johannes Bulling gebaut.
Der Gründer der Gruppe „Friedrichshafen – damals, gestern, heute“, Peter Liptau, findet es „extrem schade“, dass das Haus abgerissen werde. Gerade an dieser Kreuzung habe man den einstigen Charakter der Allee, die zum Riedlewald führe, noch erahnen können. An allen vier Ecken sei historische Bausubstanz erhalten geblieben. „Umso schlimmer, dass ein Eck wegkommt“, sagt Liptau. Auch Philipp Fuhrmann ist enttäuscht: „Da blutet mir das Herz“, sagte der ehemalige OB-Kandidat. Er zeigt auf die Innereien, das Fachwerk, das Gebälk, die Treppen und das Dach, Letzteres sei erst vor drei Jahren erneuert worden. „So etwas Gutes, Solides und Beständiges kann man heute gar nicht mehr bauen“, so Fuhrmann.
Sanierungsaufwand zu hoch
Der Bauherr kann die Leute verstehen, die sagen: Schade, dass so ein schönes Haus weg muss. „Auch wir hätten es gerne stehen lassen, saniert und eventuell durch einen passenden Neubau ergänzt, aber Fachleute haben uns abgeraten“, sagt Buck. Aus verschiedenen Gründen: Zum einen sei das Gebäude von einem Sachverständigen als nicht erhaltenswürdig eingestuft worden. Drei von vier Fassaden seien im Krieg zerstört und danach wieder aufgebaut worden. Argumente des Denkmalschutzes hätten deshalb nur bedingt gezogen.
Darüber hinaus weise das Haus tiefgreifende Schäden auf. So verliefen tiefgehende Risse durch mehrere Geschosse. Hierbei sei nach Ansicht von Bauexperten davon auszugehen, dass die Ursache in der Tragkonstruktion liege. Vermutlich sei das Fundament aus der Form geraten. Im Innern zeigten sich laut Buck unter anderem erhebliche Wasserschäden und Feuchtigkeit. Energetisch und schalltechnisch wäre eine Sanierung nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand möglich.
Strahlende Schlackensteine
Wesentlich zur Entscheidung beigetragen, das Haus abzureißen, hätten belastete Bauteile. Die Innenwände seien mit sogenannten Schlackensteinen gemauert. Hergestellt aus Schlacke, dem Abfall von Hochöfen, könnten sie radioaktiv kontaminiert sein, sagt Buck. „Wir hätten alle Steine von Hand ausbrechen müssen und wären dann immer noch nicht sicher gewesen, ob Rückstände blieben.“Das Architekturbüro Plösser habe in einer ersten Planungsrunde ein überzeugendes Konzept für den Neubau vorgelegt. Nun gelte es, das Baugesuch vorzubereiten.
Es sei verständlich, dass an so einem Gebäude Erinnerungen hängen und dass so mancher sich deshalb den Erhalt gewünscht hätte, teilt die Pressesprecherin der Stadt, Monika Blank mit. Aber die rechtlichen Bedingungen seien durch das Eigentumsrecht vorgegeben. Daher liege die Entscheidung beim Eigentümer. Für den Abbruch des Gebäudes habe der Eigentümer das nach Landesrecht mögliche Kenntnisgabeverfahren gewählt. Das heißt, der Eigentümer setzt die Stadtverwaltung durch die Einreichung der vollständigen Unterlagen über sein Abbruchvorhaben in Kenntnis. Die Behörde genehmige in diesem Verfahren also nicht den Abbruch, sondern werde darüber informiert.
Die planungsrechtliche Beurteilung für den Neubau erfolgt nach Paragraf 34 Bundesbaugesetz, das heißt es werde geprüft, ob sich das Vorhaben in die nähere Umgebung einfügt, teilt Monika Blank mit.