Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Eine Ruhestätte im Schutz der Genfer Konvention
Auf dem Liebenauer Friedhof erinnert ein Gräberfeld an 13 Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft
- Wer in Liebenau über den Friedhof geht, mag – von Süden kommend – über ein Gräberfeld erstaunt sein, das an der östlichen Friedhofsmauer angelegt ist. Zwölf Grabsteine sind hier aufgerichtet, vier Platten liegen flach im Boden und werden langsam vom Grün überwachsen. Es handelt sich – mit Sterbedaten zwischen 1941 und 1948 – um Gräber von zumeist polnischen Kriegsgefangenen, die zu Arbeiten in der „Heil- und Pflegeanstalt“herangezogen wurden – so die Bezeichnung der heutigen Stiftung Liebenau zur Zeit des Zweiten Weltkriegs.
Seit Langem herrscht ein offener, ein transparenter Umgang in Liebenau mit diesen Jahren und ihren Themen. So auch diesmal, als Archivarin Susanne Brüstle und Josef Friedel (Diakon in der Stiftung und bekannter Heimatforscher für Meckenbeuren) mit großer Sachkenntnis die SZFragen beantworteten. Drei Themenkreise gilt es zu unterscheiden:
Das Internierungslager für Frauen in Liebenau:
Von 1940 bis Kriegsende lebten im Josefshaus wie im Schloss internierte ausländische Frauen. Sie verfügten über amerikanische, englische oder französische Pässe. Unter ihnen befanden sich 45 Ordenspersonen. Alle Befugnisse, die Internierten betreffend, hielt Regierungsinspektor Thomma (Gestapo) in der Hand.
Die Frauen waren allein aus dem Grund aufgegriffen und interniert worden, weil sie aus sogenannten Feindländern stammten. Ein offenes Geheimnis ist es, Brüstle und Friedel zufolge, dass sie oft als „Faustpfand“für den Austausch mit gefangenen Nationalsozialisten dienten. Deals, die immer wieder in Konstanz über die Bühne gingen. Prominentester Zugang war Genevieve de Gaulle, eine Nichte des französischen Generals. Sechs Wochen war sie im Frühjahr 1945 in Liebenau, das ihr einem Brief zufolge „paradiesisch“erschien im Vergleich zu dem Lager, aus dem sie kam. Sie wurde in Konstanz an das Internationale Komitee des Roten Kreuzes übergeben – allerdings nicht im Personentausch, sondern als Aufforderung an die Franzosen zu einem entsprechenden Entgegenkommen.
Wie Direktor Wilhelms Jahrbuch zu entnehmen ist, hielten sich 1942 exakt 1194 Personen in der Stiftung Liebenau auf. Darunter waren 601 internierte Frauen, sieben Männer als Wachpersonal, 14 Kriegsgefangene, 342 Pfleglinge, 110 Schulkinder und 100 Angestellte.
Das Serbenlager in Hegenberg: Während der gesamten Kriegszeit waren hier Kriegsgefangene untergebracht, die unter militärischer Aufsicht standen. Am 9. Juli 1945 zogen die Serben ab, ist dem Hegenberger Seelsorgebericht zu entnehmen.
Das Lager für Kriegsgefangene in Liebenau:
Im Jahresbericht 1940 ist die Rede von 32 französischen Kriegsgefangenen, von denen 15 für Arbeiten in der „Anstalt“zur Verfügung standen.
Dass sie hier gut behandelt wurden, dafür lässt sich ein Brief vom 1. Januar 1941 an Direktor Josef Wilhelm anführen, den 30 Franzosen unterzeichneten. In ihm dankten sie den Schwestern, wie Wilhelm und wünschten ein gutes neues Jahr, das „für Sie unter dem Schutz Gottes stehen möge“.
„Camp Liebenau“auch noch 1946
Aus Berichten und Dokumenten wissen Susanne Brüstle und Josef Friedel, dass die Zwangsarbeiter anfangs mit zu den Gottesdiensten durften, was ihnen später verboten werden sollte. Allerdings habe sich der fließend Französisch sprechende Direktor Josef Wilhelm auf die Seite der Kriegsgefangenen gestellt – „sehr couragiert“ist denn auch die allgemeine Einschätzung für den Anstaltsleiter, den die Nationalsozialisten auf dem „Kieker“hatten und der im Januar 1946 von den Franzosen für kurze Zeit inhaftiert wurde.
Auch in einem Ausweisdokument aus dem Jahr 1946 ist noch von „Camp Liebenau“die Rede. Mehrere internierte Frauen wie kriegsgefangene Männer hat es offenbar auch nach Kriegsende im Mai 1945 nicht nach Hause getrieben – teils auch, weil sie kein Zuhause und keine Angehörigen mehr hatten.
Allerdings gibt es auch gegenteilige Fälle: So wurde eine polnische Familie auf der Suche nach einem Angehörigen im Vorjahr vom Meckenbeurer Rathaus an Josef Friedel verwiesen. Und tatsächlich ließ sich auf dem Friedhof in Liebenau der Grabstein mit dem Namen ihres Anverwandten ausfindig machen.