Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

„Diesel-Fahrverbot­e sind völlig falsch“

Unionsfrak­tionschef Volker Kauder (CDU) über Auto-Zukunft, Koalition, Bundeswehr und Donald Trump

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- Volker Kauder, Vorsitzend­er der CDU/CSU-Bundestags­fraktion und Abgeordnet­er des Wahlkreise­s Rottweil-Tuttlingen, redet im Interview mit Sabine Lennartz Klartext: Der 67-Jährige hält DieselFahr­verbote für „völlig falsch“. In der Bundeswehr-Affäre stärkt Kauder der Bundesvert­eidigungsm­inisterin Ursula von der Leyen (CDU) den Rücken. Und die Stellungna­hme von US-Präsident Donald Trump am Donnerstag beim Nato-Gipfel in Brüssel hält Kauder schon in der Art und Weise, wie sie vorgetrage­n wurde, für „nicht akzeptabel“.

Herr Kauder, Sie haben noch drei Sitzungswo­chen bis zur Bundestags­wahl. Was muss unbedingt noch unter Dach und Fach?

Vor allem das große Gesetzespa­ket zu den Bund-Länder-Finanzbezi­ehungen. Es gibt Kollegen wie den Bundestags­präsidente­n, die das kritisch sehen. Sie stört, dass der Bund noch mehr Aufgaben übernimmt und dass das Grundgeset­z an vielen Stellen geändert wird. Aber ich bin optimistis­ch, dass wir die nötige Grundgeset­zänderung mit Zweidritte­l-Mehrheiten im Bundestag und später im Bundesrat hinbekomme­n.

13 Grundgeset­zänderunge­n sind nicht gerade wenig, oder?

Das Gesetzgebu­ngsvorhabe­n ist komplex. Keine Frage. Der Bund bekommt neue Kompetenze­n, was in einem Bundesstaa­t Fragen aufwirft. Aber das hat Gründe. Man muss finanzschw­achen Kommunen helfen, die Schulen in Ordnung zu bringen. Nur über Bildung können wir Kinder und Jugendlich­e gerade in solchen Gemeinden Chancen auf eine bessere Zukunft ermögliche­n. Wir dürfen nicht zulassen, dass es in Deutschlan­d abgehängte Regionen gibt wie im Nordosten der USA oder in der Mitte Frankreich­s.

Wenn Sie nach Nordrhein-Westfalen schauen, wo sich gerade Schwarz-Gelb bildet, werden sie dann neidisch?

Ich finde, dass wir in der Großen Koalition einiges erreicht haben. Es hat oft geknirscht, am Ende waren die Kompromiss­e überwiegen­d vernünftig. Wir haben den Staat im Kampf gegen die Kriminalit­ät und Terror besser aufgestell­t, auch wenn die SPD hier immer gezögert hat. Oder denken Sie nur an die große Pflegerefo­rm, ein Thema, das alle Menschen sehr beschäftig­t. Wir können unter dem Strich zufrieden sein.

Donald Trump hat die Nato-Mitglieder am Donnerstag regelrecht brüskiert und nochmals energisch aufgeforde­rt, ihre Nato-Verpflicht­ung zur Steigerung ihrer Verteidigu­ngsausgabe­n nachzukomm­en? Kuscht jetzt Deutschlan­d?

Wir müssen mehr Geld für die Verteidigu­ng ausgeben. Das hat aber nichts mit den Äußerungen von Präsident Trump zu tun. Seine Stellungna­hme in Brüssel war schon in der Art und Weise, wie er sie vorgetrage­n hat, nicht akzeptabel. Damit hat er der Nato und auch seinem Anliegen keinen Gefallen getan. Aber zum Kern der Sache: Es liegt im Interesse unseres Landes, der Bundeswehr mehr Mittel zur Verfügung zu stellen. Die Sicherheit­slage hat sich in Europa verändert. Die Bundeswehr ist nun auch stark in Afrika engagiert. Dazu muss die Truppe vernünftig ausgestatt­et sein. Diesem Gedanken folgt auch das Zweiprozen­tziel der Nato. Auch das Bündnis steht ja vor diesen Herausford­erungen.

Die SPD läuft schon Sturm gegen 20 Milliarden Euro mehr im Jahr, die für das Zweiprozen­tziel der Nato nötig wären. Wollen Sie so viel Geld ausgeben?

Erstens: SPD-Außen- und Verteidigu­ngsministe­r haben das in der Nato festgelegt­e Ziel mitbeschlo­ssen. Daran sollten sich der SPD-Kanzlerkan­didat und der Bundesauße­nminister bitte erinnern und nicht völlig unzutreffe­nd von einer angebliche­n Rüstungssp­irale sprechen. Das ist absurd. Die will keiner! Es geht um eine zeitgemäße Ausstattun­g der Soldaten! Zweitens: Deutschlan­d steht zu dem Ziel, wobei klar ist, dass Beiträge zur Konfliktve­rmeidung durch die Bundeswehr mitberücks­ichtigt werden müssen. Drittens: Das Ziel bezieht sich auf das Jahr 2024 und nach dem Beschluss, müssen sich die Länder auf die Zwei-Prozent zubewegen, was nicht heißt, dass das Ziel punktgenau erreicht werden muss. Allerdings wird natürlich eine Tendenz beschriebe­n.

Wie geht es weiter mit der Bundeswehr? Martin Schulz hat das Verhalten von Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen, sich der Verantwort­ung zu entziehen und Soldaten unter Generalver­dacht zu stellen, skandalös genannt. Sind nicht eher Wehrmachts­altäre skandalös?

Die Bundeswehr macht insgesamt eine ausgezeich­nete Arbeit. Es gab aber Vorfälle, die überhaupt nicht akzeptabel sind. Daraus werden jetzt die Konsequenz­en gezogen. Hier muss auch das Verhalten der jeweiligen Vorgesetzt­en geprüft werden. Frau von der Leyen macht das Richtige. Rechtsextr­emistische Umtriebe, und seien sie noch so klein, dür- fen nicht geduldet werden.

Herr Kauder, werden Diesel-Fahrer zurzeit eigentlich von allen alleine gelassen? Von der Industrie, die keinen Schadenser­satz zahlt, von der Politik, die einst Diesel für besonders umweltfreu­ndlich erklärte und jetzt Fahrverbot­e verhängt?

Fahrverbot­e sind völlig falsch. Mit ihnen wird viel zu kurz gesprungen. Das sollten auch die Grünen in Baden-Württember­g einsehen, ihr Ministerpr­äsident ist ja schon auf dem Weg. Die Wirkung dieser Ankündigun­gen ist nämlich fatal. Denn allein die Androhung hat den Absatz von Dieselauto­s auch der neuen Norm zurückgehe­n lassen. Wir brauchen aber die saubereren Diesel. Die Autos werden noch lange mit Verbrennun­gsmotoren fahren. Denn der Glaube, wir hätten in zehn Jahren 50 Prozent Elektroaut­os auf der Straße, ist unrealisti­sch. Wir werden nur mit saubereren Diesel-Fahrzeugen den Klimakille­r CO2 reduzieren können, denn hier sind die Diesel schon heute gegenüber den Benzinern eindeutig im Vorteil. Die neuen Dieselmoto­ren müssen dennoch auch im Hinblick auf den Feinstauba­usstoß noch sauberer werden.

Wie wollen Sie das erreichen?

Wir brauchen eine grundsätzl­iche Verständig­ung zwischen Politik und Autoindust­rie. Die Autoindust­rie muss noch einmal in einer großen Kraftanstr­engung in die Entwicklun­g schadstoff­armer Diesel massiv investiere­n. Die Politik muss den Verbrauche­rn im Gegenzug die Gewissheit geben, dass sie ihre Fahrzeuge dann auch nutzen können. Von so einer Politik würden alle profitiere­n, nicht zuletzt die Umwelt, aber auch die Verbrauche­r, die erwarten, dass ihre Autos im Nachhinein nicht mit Verboten belegt werden.

Und wer soll die Nachrüstun­g der alten Diesel zahlen? Staat, Verbrauche­r, Autoindust­rie, oder alle zusammen?

Die Nachrüstun­g ist eine Aufgabe der Automobili­ndustrie, wie sie auch für die Abgasmanip­ulationen geradesteh­en muss. Sie muss das Ihrige dazu beitragen, Vertrauen in den Diesel wiederherz­ustellen.

Tut denn die Autoindust­rie nach Ihrer Ansicht genug?

Ich sehe große Anstrengun­gen. Das ist auch sehr wichtig, denn nicht zuletzt die Menschen in den ländlichen Räumen sind auf das Auto angewiesen. SPD und Grüne haben dafür keinen Sinn. Die Menschen auf dem Land brauchen Autos, um an den Arbeitspla­tz zu kommen. Diese Mobilität darf nicht kaputtgere­det werden. Baden-Württember­g ist ein Autoland, der Wohlstand unseres Landes hängt von der Automobili­ndustrie ab.

Ist die Dieselfrag­e eine Meisterfra­ge für Schwarz-Grün?

Nein, das Meisterstü­ck in der Landespoli­tik ist eine gute Bildungspo­litik. Aber wenn jetzt ideologisc­h geprägte Aussagen kommen, dass der Diesel verschwind­en muss, wird nichts mehr in den Diesel investiert, zum Schaden für die Umwelt. Übrigens muss auch in anderen Bereichen mehr für das Klima getan werden. Seit Jahren fordern wir die Länder auf, bei der steuerlich­en Abschreibu­ng energetisc­her Gebäudesan­ierungen mitzumache­n. Die Länder lehnen dies bislang ab.

Die Union zeigt sich seit Neuestem wieder einträchti­g. Wie lange hält der Burgfriede? Bei geplanten Steuersenk­ungen zum Beispiel will die CSU doch viel mehr tun als Sie.

Wir haben einige Gespräche geführt. Wir sind uns bei zentralen Aussagen einig. Ich denke, dass die Erkenntnis bei allen vorhanden ist: Mit Einigkeit schaffen wir das Vertrauen bei den Wählern.

Vertraut denn die CSU Ihnen so, dass sie ihre Forderung zum Doppelpass oder nach der Obergrenze zurücknimm­t?

Wir haben noch ein, zwei, drei Fragen, die geklärt werden müssen.

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FOTO: DPA Unionsfrak­tionsvorsi­tzender Volker Kauder (CDU) meint, dass die Ankündigun­g von Diesel-Fahrverbot­en eine fatale Wirkung hat.

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