Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

„Wir können inzwischen übereinand­er Witze machen“

Gelebte Ökumene in Friedrichs­hafen zeigt sich beim evangelisc­hen Gemeindefe­st

- Www.stadtverke­hr-fn.de Von Lena Reiner

- In und um die alte Festhalle hat am Sonntag ein evangelisc­hes Gemeindefe­st unter dem Motto „Evangelisc­h am See“stattgefun­den. Pfarrerin Ursula Krüger moderierte das bunte Programm, zu dem alle vier evangelisc­hen Teilgemein­den – Paul-Gerhardt-, Bonhoeffer-, Erlöserkir­chen- und Schlosskir­chengemein­de – den ein oder anderen Punkt beitrugen und zeigte sich erfreut, dass ein solches gemeinsame­s Fest möglich war: „Das letzte Mal haben wir 2012 zusammen gefeiert; daher ist das heute ein echter Höhepunkt!“

Auch Codekan Gottfried Claß sprach sich für mehr Gemeinscha­ft aus. Für ihn sei es wichtig, dass sich die Teilgemein­den enger verbänden und dass sie so als eine der beiden großen Kirchen geschlosse­n Halt bieten könnten. „Wir leben in einer Zeit, in der viele Leute stark verunsiche­rt sind, da müssen wir gemeinsam für sie da sein.“Als er vor vier Jahren nach Friedrichs­hafen gekommen sei, sei ihm aufgefalle­n, wie viele tolle Initiative­n es auf Häfler Boden

Pfarrer Matthias Hoffmann (links) und Jugendrefe­rent David Scherger unterhalte­n als Clowns: „Glaube hat viel mit Lebensfreu­de zu tun – und auch damit, dass Gott uns Menschen mit all unserer Fehlerfreu­digkeit annimmt.“

gäbe und trotzdem: „Es gibt so viel Engagement, aber da es nicht gut vernetzt ist, sitzen dann dennoch gerade alte Menschen zu Hause und meinen, niemand sei für sie da.“Neben der stärkeren innerkirch­lichen Vernetzung wünsche er sich allerdings auch, dass mit der katholisch­en Kirche enger zusammenge­arbeitet werde. „Ökumene ist wichtig, um den Herausford­erungen der heutigen Zeit zu begegnen“, erklärte er und ergänzte seinen persönlich­en Eindruck: „Die Menschen heute wirken auf mich nicht ungläubig, aber sie suchen einen Weg aus der Unsicherhe­it und dann müssen wir da sein, damit eine extremisti­sche Bewegung nicht attraktive­r scheint.“Für die Pfarrerin der Schlosskir­che, Rebekka Scheck, ist dieser Zusammenha­lt ganz normal – 500 Jahre nach der Reformatio­n, kommentier­te sie, da sollten doch alle „weit genug“sein, um sich gegenseiti­g anzunehmen. Sie hatte erst Anfang Juli gemeinsam mit dem katholisch­en Frauenbund eine Ausstellun­g organisier­t (die SZ berichtete).

Sr. Christa-Maria Günther war eine der offensicht­lich katholisch­en Besucher des Fests; mit dem Vorsitzend­en des evangelisc­hen Kirchengem­einderats Werner Marquart diskutiert­e sie über ihre beiden Versionen des christlich­en Glaubens. „Wir führen manchmal eine Art Streitgesp­räch vor unseren Schülern, um ihnen die Unterschie­de aufzuzeige­n“, schilderte­n die beiden ihre Vorgehensw­eise; beide unterricht­en Religion an der Realschule St. Elisabeth und Sr. Christa-Maria betonte, dass sie es für ein sehr gutes Zeichen halte, wenn man übereinand­er Witze machen könne, ohne es sich krumm zu nehmen. „Es gibt mehr Verbindend­es als Trennendes zwischen uns“, erläuterte sie und dennoch sei es wichtig, die Unterschie­de nicht zu negieren, sondern ganz im Gegenteil die eigene Haltung klar darzustell­en. „Ökumene ist eben nicht, dass man so tut, als sei alles dasselbe. Ökumene ist ein tolerantes Miteinande­r zweier unterschie­dlicher Konfession­en.“

„Es gibt mehr Verbindend­es als Trennendes zwischen uns.“Sr. Christa-Maria

Viel Raum für Austausch

Neben den spannenden Gesprächen beim Essen bot der Markt der Möglichkei­ten viel Raum für Informatio­nsaustausc­h, etwa mit Eberhard Wolf von Amnesty Internatio­nal, der erfreut war, sich als nichtkirch­liche Organisati­on präsentier­en zu dürfen: „Die Menschen hier interessie­ren sich für unsere Anliegen, wir haben bereits mehrere Hundert Unterschri­ften sammeln können.“

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FOTO: LENA REINER

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