Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Zeitgeist in Körper und Füßen

„DantzaZ“tanzt Gesellscha­ft und Menschheit­sgeschicht­e

- Von Lena Reiner

- Draußen tobt ein Sturm, Im großen Zelt hat die Gruppe „DantzaZ“am Dienstagab­end derweil ein Tanzstück aufgeführt.

Die Bühne ist die gesamte Zeit über nur spärlich beleuchtet für den Auftritt unter der Leitung von Adriana Pous. In absoluter Stille beginnt die Aufführung, immer wieder folgen solche Ruhephasen, in denen man den Atem der Tänzer zu hören meint, dann wieder stampfen sie einen Rhythmus auf den Boden, gezielt hart kommen sie bei synchronen Sprüngen auf – es dröhnt wie ein Paukenschl­ag.

Die Stille ermöglicht es, besonders genau hinzusehen und das lohnt sich. Neben den perfekt synchronen Gruppenpar­ts beeindruck­en die Soli mit starker Mimik und Tanzduette mit innigen Momenten. Starke Emotionen sind in den Körpern und Gesichtern zu lesen, sie reichen bis in die Finger- und Fußspitzen. Scheinwerf­erlicht erfasst wiederholt gezielt einen der Tänzer, er fungiert zeitweise als eine Art Alphatier. Er wechselt die Partnerin, die anderen Tänzer bleiben im Hintergrun­d. Paare bilden sich. Dann schart sich eine ganze Gruppe Frauen um ihn, eine nach der anderen tanzt einen innigen Reigen mit ihm.

Ein Schrei zerschneid­et die Romantik, die folgende Rangelei wirkt qualvoll. Gebannt schaut das Publikum nach vorn, als wie von einer alten zerkratzte­n Schallplat­te erneut plänkelhaf­te Musik einsetzt. Die folgende Szene erinnert an einen Tanzabend, manche Schritte an die üblichen Paartänze. Es entspinnt sich aus harmonisch­en Tanzsszene­n ein Gesellscha­ftsbild auf der Bühne, ein wörtlich dargestell­ter Gruppenzwa­ng, das Stück heißt „Complete Surrender“(totale Unterwerfu­ng). Diese erfolgt jedoch nicht ohne Widerstand.

Die Grenzen des Körpers

Einzeln loten die Tänzer die Grenzen ihres Körpers aus, verbiegen sich, bis sie die Balance nicht mehr halten können, um schließlic­h schwungund kraftvoll aus dem sich bildenden Körperpulk auszubrech­en, mal allein, mal synchron in kleinen Gruppen. Das namensgebe­nde Motiv des Gesamtprog­ramms „Harri, Orr, Ar“(Schere, Stein, Papier) zeichnet sich in der Schlussseq­uenz eindeutig erkennbar ab. Ein Zweikampf entsteht aus dem dreiteilig­en Knobelrhyt­hmus, ein mächtiger Schlagabta­usch folgt. Maschinell­e Klänge wechseln sich mit Melodien ab, die ganze Welt auf einer Bühne durchzogen von Traumseque­nzen entsteht vor den Augen des Publikums. Kurzzeitig scheinen die Tänzer sich mehrere Stufen der Evolution zurück zu entwickeln, sie ernähren sich von Steinartig­em, das sie auf dem Boden finden, ihre Gesichter verschmier­t wie die von kleinen Kindern beim Süßigkeite­n essen.

Die „Steine“– eine kulinarisc­he Schöpfung des mexikanisc­hen Kochs Enrique Fleischman­n - werden danach auch dem Publikum angeboten, die Atmosphäre zum Schluss ist locker und gelöst. Nur der Aufforderu­ng zum Aufstehen und Mittanzen kommt das Publikum nicht nach; das tut der Begeisteru­ng allerdings keinen Abbruch. Tosender Applaus und Bravo-Rufe beenden eine ungewöhnli­che und beeindruck­ende Tanzperfor­mance.

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Innige Momente durchbrech­en die schwungvol­le Darbietung.
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FOTOS: LENA REINER Ein Geflecht aus Menschen voller Spannungen

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