Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Alleingang im Mittelmeer
Italien will zur Bekämpfung von Schleusern das Militär vor die Küste Libyens schicken
- Die heimlich aufgenommenen Fotos sind für die italienischen Behörden eindeutig. Sie zeigen laut Medienberichten, wie Mitarbeiter des Frachters „Iuventa“der deutschen Hilfsorganisation „Jugend Rettet“auf dem Mittelmeer zwischen Italien und Libyen mit ihrem Schiff auf ein Schlepperboot zufahren. Die Freiwilligen nehmen die Flüchtlinge vom Schlepperboot in Empfang und bringen sie auf ihrem Frachter „Iuventa“in Sicherheit.
Die Fotos zeigen auch, dass die deutschen Mitarbeiter der Organisation den Schleppern ihr Boot zurückgeben, ohne vorher dessen Namen registriert zu haben.
Ein Beamter der italienischen Küstenwache hat diese Fotos gemacht. Er hatte sich unerkannt bei den ehrenamtlichen Seenotrettern eingeschleust. „Aus diesem Grund“, erklärte der italienische Staatsanwalt Ambrogio Cartosio aus dem sizilianischen Trapani am Donnerstag, „haben wir die ‚Iuventa‘ beschlagnahmt, um herauszufinden, inwiefern deren Besatzung mit kriminellen Schleppern zusammenarbeitet“.
Der Fall der „Iuventa“schlägt in Italien hohe Wellen. „Er beweist“, so Matteo Salvini, Chef der ausländerfeindlichen Partei Lega Nord, „dass diese selbsternannten Flüchtlingsretter ganz klar Kriminelle unterstützen“. Ähnlich äußerten sich auch Abgeordnete weniger radikaler Parteien, darunter auch die regierenden Sozialdemokraten.
Gegen den Verhaltenskodex
Die Hilfsorganisation „Jugend Rettet“gehört zu jenen Nichtregierungsorganisationen (NGOs), die sich gegen einen Verhaltenskodex der italienischen Regierung zum Umgang mit Schleppern ausgesprochen haben. Mitarbeiter des italienischen Innenministeriums unter Leitung von Minister Marco Minniti hatten diesen Kodex verfasst. Jene NGOs, die diesen nicht unterzeichnen, dürfen fortan keine italienischen Häfen mehr anfahren.
Die Besatzung der „Iuventa“verteidigt sich. „Wir sind keine Kriminellen und arbeiten auch nicht mit solchen zusammen“, so ihr Sprecher Titus Molkenbur. Man sei nur daran interessiert, „Menschenleben zu retten“. Den italienischen Behörden liegen liegen laut Medienberichten Mitschnitte abgehörter Unterhaltungen der Besatzung vor. In diesen sei davon die Rede, dass man der Polizei keine Fotos zur Verfügung stellen will, auf denen Menschen, auch Schlepper, identifizierbar sind.
Für die Ermittler in Trapani bedeute dieses Verhalten nichts anderes, als dass „Jugend Rettet“nicht die Absicht habe, den Kampf gegen die Schleppermafia zu erleichtern. Der Frachter der deutschen NGO liegt jetzt im Hafen von Lampedusa und wird von der Polizei untersucht. Derweil behaupten Mitarbeiter der im Mittelmeer agierenden NGOs, der italienische Alleingang sei völkerrechtswidrig – das bestätigte jetzt auch ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des deutschen Bundestages. Genau das aber sieht die italienische Regierung anders. Innenminister Minniti erklärte, dass „Italien mit dem Einwanderungsstrom so gut wie alleingelassen wird, und wir deshalb auch allein entsprechende Maßnahmen ergreifen müssen“.
Minniti spricht sich für eine entschiedene Anwendung des Verhaltenskodex für NGOs aus. Wer nicht unterzeichne, so Italiens Innenminister, „wird erhebliche Probleme haben, auch weiterhin zu operieren, denn unsere Häfen werden für diese NGOs dicht gemacht“. Rund 40 Prozent aller im Mittelmeer geretteten Flüchtlinge gelangen auf Schiffen privater Hilfsorganisationen nach Italien. Das sei zu viel, heißt es aus dem Innenministerium in Rom.
Italiens Parlament entschied am Mittwoch mit einer großen parlamentarischen Mehrheit gegen Schlepperbanden – auch direkt vor der libyschen Küste und mithilfe des Militärs – vorzugehen. Ziel soll sein, Schlepperboote schon in Küstennähe abzufangen. Mit dieser Entscheidung kam das italienische Parlament einer Anfrage der libyschen Regierung unter Fajis al-Sarradsch, dem Chef der international anerkannten Regierung in Tripoli, entgegen. Wie genau die Zusammenarbeit zwischen der italienischen und libyschen Küstenwache funktionieren soll, ist allerdings noch unklar.
Auch hofft Italiens Ministerpräsident Paolo Gentiloni, dass „Europa uns endlich tatkräftig bei der Bewältigung dieses Problems unterstützen und mehr Flüchtlinge in den einzelnen Mitgliedsländern aufnehmen wird“.
Da dies noch nicht der Fall sei, „werden wir allein versuchen, den Schlepperbanden das Handwerk zu legen, mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln“, so Innenminister Minniti.