Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Die Mustangstu­te mit der Harry-Potter-Narbe

Beim Wettbewerb „Mustang Makeover“geht es um das Vertrauen zwischen Mensch und Tier – Häflerin ist dabei

- Von Christoph Dierking

- Tanja Riedinger aus Friedrichs­hafen hat einen Mustang gezähmt. Dafür hatte sie 90 Tage Zeit. Am Wochenende nimmt die 18-Jährige an „Mustang Makeover“teil, einem Wettbewerb, der in Aachen stattfinde­t. Die Herausford­erung: das Vertrauen von Mustangs gewinnen. Die Tiere kommen aus Amerika und haben in freier Wildbahn gelebt. Insgesamt treten 15 Trainer gegeneinan­der an.

Naira hat eine blitzförmi­ge Narbe auf der Stirn, wie Harry Potter. Die Mustangstu­te ist erst seit wenigen Monaten in Deutschlan­d. Vorher hat sie in freier Wildbahn gelebt. In Oregon, einem US-Bundesstaa­t an der Pazifikküs­te. Weil die Landwirtsc­haft immer größere Flächen beanspruch­t, wird der Lebensraum der Mustangs immer kleiner. Es gibt eine Überpopula­tion. Deshalb werden die Tiere eingefange­n, in Auffangsta­tionen gebracht und vermittelt. Auf diese Situation wollen die Veranstalt­er von „Mustang Makeover“aufmerksam machen.

Für den Wettbewerb ist Naira nach Deutschlan­d geflogen worden. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie keinen Namen, sondern nur eine Nummer: TAG 3195. „Das wollte ich schnell ändern“, sagt Riedinger, die dieses Jahr ihr Abitur am Graf-Zeppelin-Gymnasium gemacht hat. Naira bedeutet übersetzt „große Augen“. Der Name geht auf eine Indianersp­rache zurück. „Ich fand ihn passend, weil Naira viel Geschichte in sich trägt, die sich hinter ihren Augen verbirgt“, fügt Riedinger hinzu. Niemand kennt die Geschichte der Mustangstu­te. Niemand weiß genau, was sie in der freien Wildbahn erlebt hat.

Riedinger ist schon lange im Reitsport aktiv. Als sie elf Jahre alt war, bekam sie von ihrer Mutter eine Andalusier­stute geschenkt. Ihr Name: Estella. Mit dem Pferd ist Riedinger deutschlan­dweit auf Dressursho­ws unterwegs. Auf „Mustang Makeover“ist sie über Facebook aufmerksam geworden. Gemeinsam mit Bettina Rittler, einer Schulfreun­din, bereitete sie die Bewerbung vor. Die jungen Frauen scheuten keine Mühen, erstellten eine Präsentati­on und drehten sogar ein Vorstellun­gsvideo. Riedinger überzeugte und setzte sich gegen über 100 andere Bewerber durch. Mit 18 Jahren ist sie die jüngste Teilnehmer­in.

Jeden Tag geht Riedinger mit Naira spazieren, reitet aus oder trainiert mit ihr in der Halle. Auf Regelmäßig­keit kommt es an, aber einen festen Trainingsp­lan gibt es nicht. „Es ist wichtig, keinen Druck aufzubauen“, sagt sie. „Das führt zu nichts, außer Resignatio­n.“Die 18-Jährige schätzt die Ehrlichkei­t von Pferden: „Man kann sich nicht verstellen, das merken sie sofort. Und es ist wichtig, auf die Mimik zu achten.“Das hat Riedinger am eigenen Leib erfahren müssen.

Verletzung an der Hüfte

Ende Juni hat Naira ihre Trainerin getreten und an der Hüfte verletzt. Die Wunde musste genäht werden, aber insgesamt ist die Sache glimpflich ausgegange­n. Nach dem Unfall seien Selbstzwei­fel aufgekomme­n, lässt Riedinger wissen. Sie habe zu wenig auf die Mimik der Mustangstu­te geachtet und zu wenig auf ihr eigenes Bauchgefüh­l gehört. „Aber ich habe immer an mich geglaubt und an mir gearbeitet.“Schließlic­h sei es gelungen, ein noch stärkeres Vertrauen zu Naira aufzubauen als vor dem Unfall. Das ist, worauf es bei „Mustang Makeover“ankommt. Die Schiedsric­hter bewerten nicht nur, ob die Teilnehmer die drei Gangarten – Schritt, Trab und Galopp – beherrsche­n. Vor allem achten sie auf die Beziehung zwischen Mensch und Tier.

„Vor zwei Jahren musste ich im Englischun­terricht einen Brief über meine Zukunft schreiben“, erzählt Riedinger. Damals habe sie geschriebe­n, dass sie einen Mustang trainieren wolle. Ihr Wunsch ist zur Realität geworden. Wenn das Turnier vorbei ist, muss sie die Mustangstu­te wieder hergeben. Alle Pferde werden versteiger­t. Traurig ist sie nicht: „Ich habe mich von Anfang an darauf eingestell­t. Aber natürlich ist es mir wichtig, dass Naira ein schönes neues Zuhause bekommt.“

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FOTO: CHRISTOPH DIERKING Auf Regelmäßig­keit kommt es an: Jeden Tag geht Riedinger mit Naira spazieren, reitet aus oder trainiert mit ihr in der Halle.
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FOTO: CHRISTOPH DIERKING Ihr Traum ist Realität geworden: Tanja Riedinger wollte schon lange einen Mustang zähmen.

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