Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Auch Straßenkünstler müssen irgendwo schlafen können
Stadtverwaltung stellt mit dem Parkplatz an der Festhalle eine Notlösung zur Verfügung
- Sie sind fröhlich, sie sind bunt, sie sind zauberhaft: Die Straßenkünstler aus aller Welt, die jährlich Tausende Besucher tagsüber während des Kulturufers an die Promenade locken. Auch sie müssen aber übernachten. Wir haben uns umgeschaut.
Wohin verschwinden die Straßenkünstler, wenn um Mitternacht die Auftritte enden. Noch vor wenigen Jahren waren sie sichtbar: Möglichst ufernah schlugen sie ihre Zelte auf oder schliefen in ihren abgestellten Autos. Das gehört jetzt der Vergangenheit an und die Pressesprecherin der Stadt Friedrichshafen erklärt, warum: „In der Vergangenheit gab es immer wieder Anwohnerbeschwerden, weil Straßenkünstler nahegelegene, öffentliche Parkplätze für ihren Aufenthalt beim Kulturufer als Übernachtungsmöglichkeit genutzt haben. Außerdem werden diese Parkplätze in der Regel bewirtschaftet, sind also gebührenpflichtig, Dauerparken oder Campen ist dort nicht vorgesehen.“
Platz an Festhalle als Notlösung
Um dieses Problem zu lösen, wurde seitens der Stadt vergangenes Jahr der Parkplatz an der alten Festhalle in der Scheffelstraße als offizielle Stell- und Campiermöglichkeit etabliert. Bereits einige Meter vor dem Parkplatz schlägt uns ein unangenehmer Geruch entgegen. Zwei Dixieklos stehen im gleißenden Sonnenschein direkt am Zugang des Parkplatzes. Daneben stehen dicht gereiht Kombis, Vans, Wohnwägen und Zelte – auf mehreren Wäscheleinen trocknet bunte Kleidung. Die wenigen abgeschatteten Plätze sind belegt, hier reihen sich kleine Zelte auf dem gepflasterten Boden dicht an dicht.
Der restliche Platz liegt schattenlos in der Sonne, es ist heiß. Die Künstlerin Laura Dilettante erlaubt einen Blick, aber kein Foto nach drinnen, aus dem Wagen kommt schwüle Luft. Ihr rinnt der Schweiß von der Stirn. „Tagsüber ist es drinnen nicht auszuhalten“, erklärt sie. Man dürfe jetzt zwar offiziell hier stehen, ihren Wohnraum könne sie wegen der Temperaturen aber nicht nutzen.
Ein anderer Künstler kommt mit einem Eimer Wasser vom öffentlich zugänglichen Trinkwasserhahn, er trägt nur Shorts, gießt sich einen Teil des Wassers über den Kopf und lacht. Eine kalte Dusche steht den Künstlern im Backstagebereich des Kulturufers direkt auf dem Gelände zur Verfügung. „Wir sind da pragmatisch und direkt nach dem Auftritt ist eine Dusche sowieso am besten“, kommentiert Dilettante. Nur das mit den Toiletten, das störe sie wirklich.
Auf dem Gelände selbst gibt es außer diesen beiden Plastikklos keine Sanitäranlagen. Die nebenan gelegene Festhalle ist verschlossen, laut Stadtverwaltung sei es nicht möglich, sie und die darin gelegenen Sanitäranlagen zur Verfügung zu stellen, weil dafür Personal nötig wäre.
Gisela 'Gigi' O'Rady-Pfeiffer sitzt im Schatten ihres Wohnwagens und wäscht den Bogen für ihre klingende Säge. Sie bezeichnet sich selbst als „Fossil des Kulturufers“. Wie lange sie schon hier auftrete, das könne sie nicht mehr zählen, aber es seien auf jeden Fall mehr als 20 Jahre. Auch sie lobt den Ansatz, dass es nun einen offiziellen Ort für ihre Übernachtung gebe, weist aber auch auf die Mängel hin. „Die Klos sind ein Unding!“, sagt sie. Auch Coralie Quehen von „Paprika Royale“rät davon ab, den Häuschen zu nahe zu kommen. Ihr Künstlerpartner Riet Duri Strähle deutet auf die Zelte, die nebenan aufgebaut sind: „Die schlafen direkt auf dem harten Boden. Hier gibt es ja nur Beton.“Und dieser Beton ist durch die Sonne aufgeheizt, das ist selbst durch Schuhsohlen spürbar.
Von Seiten der Stadt erfahren wir, dass in Absprache mit den Künstlern stetig daran gearbeitet werde, die Wohnsituation während der Uferzeit zu verbessern. Um konkrete Maßnahmen zu benennen, die im kommenden Jahr verändert werden würden, sei es noch zu früh.
Händler wohnen auf dem Campingplatz Cap Rotach oder in Ferienwohnungen. Sie können das finanziell planen: Wer aber nur aus dem Hut lebt, wie die Straßenkünstler, ist auf jeden Cent angewiesen.