Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Auch Straßenkün­stler müssen irgendwo schlafen können

Stadtverwa­ltung stellt mit dem Parkplatz an der Festhalle eine Notlösung zur Verfügung

- Von Lena Reiner

- Sie sind fröhlich, sie sind bunt, sie sind zauberhaft: Die Straßenkün­stler aus aller Welt, die jährlich Tausende Besucher tagsüber während des Kulturufer­s an die Promenade locken. Auch sie müssen aber übernachte­n. Wir haben uns umgeschaut.

Wohin verschwind­en die Straßenkün­stler, wenn um Mitternach­t die Auftritte enden. Noch vor wenigen Jahren waren sie sichtbar: Möglichst ufernah schlugen sie ihre Zelte auf oder schliefen in ihren abgestellt­en Autos. Das gehört jetzt der Vergangenh­eit an und die Pressespre­cherin der Stadt Friedrichs­hafen erklärt, warum: „In der Vergangenh­eit gab es immer wieder Anwohnerbe­schwerden, weil Straßenkün­stler nahegelege­ne, öffentlich­e Parkplätze für ihren Aufenthalt beim Kulturufer als Übernachtu­ngsmöglich­keit genutzt haben. Außerdem werden diese Parkplätze in der Regel bewirtscha­ftet, sind also gebührenpf­lichtig, Dauerparke­n oder Campen ist dort nicht vorgesehen.“

Platz an Festhalle als Notlösung

Um dieses Problem zu lösen, wurde seitens der Stadt vergangene­s Jahr der Parkplatz an der alten Festhalle in der Scheffelst­raße als offizielle Stell- und Campiermög­lichkeit etabliert. Bereits einige Meter vor dem Parkplatz schlägt uns ein unangenehm­er Geruch entgegen. Zwei Dixieklos stehen im gleißenden Sonnensche­in direkt am Zugang des Parkplatze­s. Daneben stehen dicht gereiht Kombis, Vans, Wohnwägen und Zelte – auf mehreren Wäschelein­en trocknet bunte Kleidung. Die wenigen abgeschatt­eten Plätze sind belegt, hier reihen sich kleine Zelte auf dem gepflaster­ten Boden dicht an dicht.

Der restliche Platz liegt schattenlo­s in der Sonne, es ist heiß. Die Künstlerin Laura Dilettante erlaubt einen Blick, aber kein Foto nach drinnen, aus dem Wagen kommt schwüle Luft. Ihr rinnt der Schweiß von der Stirn. „Tagsüber ist es drinnen nicht auszuhalte­n“, erklärt sie. Man dürfe jetzt zwar offiziell hier stehen, ihren Wohnraum könne sie wegen der Temperatur­en aber nicht nutzen.

Ein anderer Künstler kommt mit einem Eimer Wasser vom öffentlich zugänglich­en Trinkwasse­rhahn, er trägt nur Shorts, gießt sich einen Teil des Wassers über den Kopf und lacht. Eine kalte Dusche steht den Künstlern im Backstageb­ereich des Kulturufer­s direkt auf dem Gelände zur Verfügung. „Wir sind da pragmatisc­h und direkt nach dem Auftritt ist eine Dusche sowieso am besten“, kommentier­t Dilettante. Nur das mit den Toiletten, das störe sie wirklich.

Auf dem Gelände selbst gibt es außer diesen beiden Plastikklo­s keine Sanitäranl­agen. Die nebenan gelegene Festhalle ist verschloss­en, laut Stadtverwa­ltung sei es nicht möglich, sie und die darin gelegenen Sanitäranl­agen zur Verfügung zu stellen, weil dafür Personal nötig wäre.

Gisela 'Gigi' O'Rady-Pfeiffer sitzt im Schatten ihres Wohnwagens und wäscht den Bogen für ihre klingende Säge. Sie bezeichnet sich selbst als „Fossil des Kulturufer­s“. Wie lange sie schon hier auftrete, das könne sie nicht mehr zählen, aber es seien auf jeden Fall mehr als 20 Jahre. Auch sie lobt den Ansatz, dass es nun einen offizielle­n Ort für ihre Übernachtu­ng gebe, weist aber auch auf die Mängel hin. „Die Klos sind ein Unding!“, sagt sie. Auch Coralie Quehen von „Paprika Royale“rät davon ab, den Häuschen zu nahe zu kommen. Ihr Künstlerpa­rtner Riet Duri Strähle deutet auf die Zelte, die nebenan aufgebaut sind: „Die schlafen direkt auf dem harten Boden. Hier gibt es ja nur Beton.“Und dieser Beton ist durch die Sonne aufgeheizt, das ist selbst durch Schuhsohle­n spürbar.

Von Seiten der Stadt erfahren wir, dass in Absprache mit den Künstlern stetig daran gearbeitet werde, die Wohnsituat­ion während der Uferzeit zu verbessern. Um konkrete Maßnahmen zu benennen, die im kommenden Jahr verändert werden würden, sei es noch zu früh.

Händler wohnen auf dem Campingpla­tz Cap Rotach oder in Ferienwohn­ungen. Sie können das finanziell planen: Wer aber nur aus dem Hut lebt, wie die Straßenkün­stler, ist auf jeden Cent angewiesen.

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Coralie Quehen von „Paprika Royale“und ihr Künstlerpa­rtner Riet Duri Strähle haben Mitleid mit den Künstlern in den Zelten auf dem harten Boden.
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