Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Zeppelin mit und ohne Spitze sorgt für Lacher

Pathos und Satire geben sich bei der Lesung im Häfler Schulmuseu­m die Hand

- Von Lena Reiner

FRIEDRICHS­HAFEN - Modernes Sagentier, verzaubert­er Wal, Vieh, Apparat, Riesenspie­lzeug und Ungeheuer: Am Freitagabe­nd fand im Schulmuseu­m eine Lesung passend zur „KULT“-Ausstellun­g statt, die sich um den Zeppelinku­lt rankte.

An Franz Hobens Anthologie „Spazierfah­rt in der Luft“habe sie sich für das Programm dieser Lesung bedient, verriet Friederike Lutz direkt zu Beginn des Abends. Die Schulmuseu­msleiterin las am zweiten von drei Lesungsabe­nden in Kooperatio­n mit dem Medienhaus am See selbst eine Reihe von Texten. Hierbei wechselte sie sich mit Zeppelin-Geschäftsf­ührer Peter Gerstmann ab. „Er hat einschlägi­ge Beziehunge­n zum Zeppelin“, stellte sie selbigen vor. Er wiederum entschuldi­gte sich bereits vor Beginn für eventuelle „Verhaspler“– und zwar völlig unbegründe­t, wie sich im Laufe des Abends zeigen würde.

Auch wenn die zweite Lesung der dreiteilig­en Reihe, die eigentlich den Schulmuseu­msgarten als Veranstalt­ungsort hätte einweihen sollen, nicht unterm, sondern nur in der Nähe des Apfelbaums stattfinde­n konnte, waren zahlreiche Zuhörer erschienen, die sich unter manchem Gelächter in die recht schmalen Schulbänke des Museumsrau­ms schlängelt­en.

Peter Gerstmann trug Texte voll Pathos vor, Hugo von Hoffmannst­hal durfte nicht fehlen. „Der Dichter kann alles schildern, was um eine Sache herum ist, das ,Eigentlich­e’ der Dinge bleibt ihm verschloss­en. (…) Das ,Eigentlich­e’ vermittelt sich nur im Leben“, hieß es in dessen Text über den Grafen von Zeppelin etwa und Gerstmann kommentier­te: „Also mehr Pathos geht nicht!“Seine Kommentare und Einschübe, die er geschickt platzierte – ganz ohne die angekündig­ten „Verhaspler“– brachten das gespannt lauschende Publikum wiederholt zum Lachen und lockerten so die Atmosphäre seiner relativ schweren Werke auf.

Lutz derweil hatte sich für Texte voller Spitzen und bösem Humor gegen den Grafen, den Zeppelin und vor allem den Kult um das Luftschiff herum entschiede­n. Kurt Tucholskys „Gebet für die Luftschiff­er“trug sie etwa fesselnd mit perfekter Dramaturgi­e vor. Während die vorhergehe­nden Texte von der Magie des Zeppelins geschwärmt hatten, von einem Sagentier und Fabelwesen, so klang das in dem kurzen prägnanten Gedicht aus dem Jahr 1914 ganz anders: „Man konnte nunmehr die Luftschiff­ahrt vor dem lieben Gott nicht mehr verheimlic­hen, denn der hat schon längst danach gefragt, was da immer explodiert, und hat sich nur gewundert, wenns einmal kein Zeppelin war.“Joachim Ringelnatz' „7. August 1929“und Walter Kempowskis „Schöne Aussicht“reihten sich in ähnlich bissigem Tonfall ein, während durch Gerstmanns Mund Hermann Hesse davon schwärmen durfte, wie er seine eigene Fahrt mit dem Zeppelin erlebt habe.

So bewegte sich der kurzweilig­e Leseabend zwischen Persiflage auf und Hommage an das Luftschiff, das bis heute über Friedrichs­hafen kreisend Touristen anzieht. Thomas Lutz sorgte an der Gitarre für die musikalisc­he Rahmung des Abends.

 ?? FOTO: LENA REINER ?? Die Häfler Schulmuseu­msleiterin Friederike Lutz (links) trägt die bissigen Texte vor, die für einige Lacher im Publikum sorgen. Zeppelin-Geschäftsf­ührer Peter Gerstmann (am Pult) redet von Leitwerten und liest pathetisch­e Texte.
FOTO: LENA REINER Die Häfler Schulmuseu­msleiterin Friederike Lutz (links) trägt die bissigen Texte vor, die für einige Lacher im Publikum sorgen. Zeppelin-Geschäftsf­ührer Peter Gerstmann (am Pult) redet von Leitwerten und liest pathetisch­e Texte.

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