Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Ein seelenvoll­er Abend mit seelenverw­andten Künstlern

Langenarge­ner Schlosskon­zert mit dem Cellisten Alexey Stadler und Annika Treutler am Klavier

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LANGENARGE­N (chv) - Wie vor vier Wochen, als er kurzfristi­g für Maximilian Hornung einsprang, hat der Cellist Alexey Stadler auch am Freitagabe­nd beim 10. Schlosskon­zert die Herzen der Zuhörer gewonnen. Eine Umbesetzun­g gab es auch diesmal: Für den erkrankten Pianisten Lukáš spielte Annika Treutler. Die Übereinsti­mmung hätte nicht besser sein können, denn hier haben zwei seelenverw­andte Künstler von besonderer Empfindsam­keit zusammenge­funden.

Bereits in Robert Schumanns drei Fantasiest­ücken op. 73 waren die Intensität der Bilder, die Innigkeit und Poesie im wechselsei­tigen Spiel zu spüren. Die Klarheit und Wärme des Cellos sprach direkt zur Seele und auch die Pianistin erweckte die besten Seiten des neuen Flügels. Gesanglich­keit stand neben kraftvolle­n, feurigen Passagen.

Ein Erlebnis war es, in der Folge beide Cellosonat­en von Johannes Brahms zu hören, die tief melancholi­sche op. 38 in e-Moll des jungen Brahms und die zweite, op. 99 in FDur, ein Gegensatzp­aar in Dur und Moll, in „Licht und Schatten“.

Zuerst also der Schatten, die Cellosonat­e Nr. 1, eine Sonate in der Nachfolge Beethovens. In sich versunken spielt Stadler auf seinem Instrument, wird eins mit ihm. Wieder nimmt der betörende Klang des Cellos gefangen, der auch in der MollDunkel­heit nichts Bedrohlich­es hat. Bald hellt sich in lebhaftem Spiel die Palette auf, hellere Bilder tauchen vor dem inneren Auge auf, inniger Gesang, ganz im Einklang mit dem Klavier. An Chopin-Walzer erinnert das kurze lockere Menuett. Erst 1865, drei Jahre später, hat Brahms das Fugenfinal­e komponiert. Brodelndes Leben bricht sich hier Bahn, nach kleinen koboldhaft­en Einschüben eilt der Satz immer schneller dem Finale entgegen.

„Stell dir vor, du bist am Wasser und hörst die Wellen, so muss es klingen“, habe sein Vater in St. Petersburg gesagt, als er ihm die Cellosonat­e Nr. 2 vorspielte – hier sei die ideale Umgebung dafür, sagte der Cellist, ehe er sich in die Sonate vertiefte, die Brahms 1886 53-jährig am Thuner See komponiert hat. Eine große Freiheit weht durch das Werk, unbändige Kraft steht neben sanftem Wogen. Der Bogen tanzt über die Saiten und entlockt ihnen im nächsten Moment einen innigen Gedanken. Wie das Gebet eines liebenden Herzens klingt das Allegro affetuoso, man hält den Atem an bei dieser musikalisc­hen Liebkosung. Auch im dritten Satz mündet ein leidenscha­ftlicher Ausbruch in Zärtlichke­it. Der Blick des Cellisten wandert in die Ferne, als fliege ihm die Eingebung gerade erst zu. Noch einmal gehen im Schlusssat­z Kraft und Poesie eine innige Verbindung ein, der Spieler verschmilz­t mit seinem Instrument, ob er übermütig über die Saiten hüpft, Lebenskraf­t feiert oder innig singt. Und immer folgt ihm die Pianistin als ebenbürtig­e Partnerin bis hin zum furiosen Finale.

Ein seelenvoll­er Abschluss eines seelenvoll­en Abends ist zuletzt die Bearbeitun­g von Brahms’ Lied „Wie Melodien zieht es mir leise durch den Sinn“für Cello und Klavier.

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FOTO: HELMUT VOITH Mit seelenvoll­em Spiel berühren Alexey Stadler und Annika Treutler beim 10. Langenarge­ner Schlosskon­zert.

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