Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
„Ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben“
Vor 24 Jahren begann für Beisswenger der Wahlkampf um das Bürgermeisteramt – Jetzt läuft der Count Down
IMMENSTAAD - Am 16. August 1993 hat Jürgen Beisswenger seine Bewerbung für die Stelle des Bürgermeisters in Immenstaad abgegeben. Zwei Tage später stellte sich der damals 37-jährige Diplom Verwaltungswirt im „Seehof“der Presse vor. Fast auf den Tag genau 24 Jahre später trifft sich der Schultes zum letzten Sommerinterview mit Anton Fuchsloch am gleichen Ort. Am 5. Dezember endet seine dritte Amtszeit, voraussichtlich am 8. Dezember wird Beisswenger offiziell verabschiedet.
Der Count Down läuft. Wie fühlt sich das an?
Schon etwas seltsam. Man wird natürlich ständig darauf angesprochen. Aber bis dahin läuft der Betrieb auf vollen Touren, sodass ich mir nicht allzu viel Gedanken über das nahe Ende meiner Amtszeit mache. Dass der Zeitpunkt näher rückt, ist mir erst so richtig bewusst geworden als der erste Bewerber um meine Nachfolge kam.
Am 18. September endet die Bewerbungsfrist. Bis jetzt ist niemand in Sicht, der es mit dem jungen Mann aus Biberach aufnehmen will. Ist die Stelle so unattraktiv?
Keineswegs. Aber man sieht es landauf, landab, dass der Drang in dieses Amt nicht mehr übermäßig groß ist. Als ich mich vor 24 Jahren dazu entschloss, Bürgermeister zu werden, hatte ich die Auswahl zwischen Sipplingen, Überlingen, Eriskirch und Immenstaad. Ich habe mich dann mit acht Mitbewerbern bewusst für Immenstaad entschieden, und es nicht bereut. Dass es noch einmal so viele werden, ist nicht zu erwarten, aber es wäre schon schön, wenn die Immenstaader Bürger eine gewisse Auswahl hätten. Ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben. Auch ich bin damals erst in der zweiten Augusthälfte in den Wahlkampf eingestiegen, was eher logistische Gründe hatte. Von Stuttgart aus konnte ich ja nicht ständig pendeln. Meine Strategie war: kommen, outen und dann Vollgas geben bis zur Wahl. Das hat funktioniert. Mit
67,5 Prozent hatte ich im ersten Wahlgang eine deutliche Mehrheit. Jürgen Beisswenger zum Thema Nachverdichtung
Bis jetzt hatte Immenstaad einen bewegten Sommer - politisch und meteorologisch. Die letzte Sitzung vor der Sommerpause hatte es in sich: Der Kampf um die Echt Bodensee Card (EBC) ist ausgestanden, der Neubau des Kinderhauses Seegaddel auf dem Weg. Dann kam am 2. August der Tornado. Ein Naturereignis, das tiefe Spuren hinterließ und das keiner so schnell vergessen wird?
Das war schon heftig. Es passierte nachts um drei und dauerte nur 20 Minuten. Eine Windhose, die sich am Ufer entlang von Kirchberg bis zum Aquastaad bewegte, schlug eine Schneise der Verwüstung. Zwischen 60 und 70 Bäume wurden entwurzelt beziehungsweise so beschädigt, dass sie gefällt werden mussten, und die Trauben beim Weingut Röhrenbach hat der Hagel schwer getroffen. Unser Bauhof hat ganze Berge von Sturmholz zum Schreddern gebracht. Man muss wohl damit rechnen, dass sich solche Wetterereignisse häufen.
Sind sie froh, dass die Hängepartie mit der EBC endlich über die Bühne ist?
Mit war es wichtig, das Thema vor dem 15. Oktober zu entscheiden. Jetzt können wir die Einführung der Gästekarte 2018 sauber vorbereiten. In einem ersten Schritt wird nach der Sommerpause die Kurtaxensatzung angepasst und dann werden die Vermieter für das neue System geschult. Dass nicht alle mit der neuen Gästekarte einverstanden sind, spiegelt das Ergebnis der Abstimmung wider. Zehn waren dafür, sieben dagegen. Es wurde ausreichend informiert und diskutiert, jetzt war es war es einfach an der Zeit, zu entscheiden.
Muss nachgebessert werden?
Das Eine oder Andere muss im Rahmen der Kurtaxensatzung noch geregelt werden. Zum Beispiel, wie halten wir’s mit den so genannten Nächtlern, die eine Nacht auf dem Campingplatz verbringen und von der EBC nie Gebrauch machen werden. Für diese und andere Fälle finden wir Lösungen.
Der Bebauungsplan für den Neubau des Kinderhauses Seegaddel geht in die letzte Runde. Haben Sie Sorge, dass sich die Sache durch den Einspruch von Nachbarn noch verzögert?
Nicht wirklich. Wir haben alle Nachbarn sehr frühzeitig beteiligt und sind auf deren Anregungen und Bedenken schon vor Einleitung des Bebauungsplanes eingegangen. Da standen Themen wie Besonnung, Lärm oder Parkierung im Fokus. Wir haben darauf reagiert, unter anderem indem wir das Gebäude weiter nach Süden rückten. Der Bebauungsplan liegt bis Ende August aus, dann geht er in eine neue Beratungsrunde. Ich gehe davon aus, dass es in der zweiten Sitzung nach der Sommerpause zu einem Satzungsbeschluss kommt. Parallel arbeiten wir an der Objektplanung, damit wir den Bauantrag stellen können, sobald das Baurecht da ist.
Wenn der alte Seegaddel nächstes Jahr vielleicht schon abgerissen wird, wo kommen dann die Kinder unter?
Wir sehen im Moment zwei Varianten von Interimslösungen. Entweder wir stellen Container auf den Sportplatz hinter der Linzgauhalle oder wir verlagern die Grundschüler in die Hauptschule und bringen dort die Seegaddel-Kinder unter. Beides wäre machbar, aber das müssen wir insbesondere bezüglich der Kosten und der Genehmigungsfähigkeit noch genau untersuchen.
Für den Umbau der Schule brauchen Sie schließlich auch eine Ausweichmöglichkeit...
Das haben wir mitbedacht und auch schon mit dem neuen Rektor besprochen. Sofern es die Finanzen zulassen, könnte man nach Bezug des Seegaddel-Kinderhauses nahtlos den Umbau und die Erweiterung des Grundschulgebäudes der Schule in Angriff nehmen. Die Weichen dafür werden wir voraussichtlich in der Sitzung am 11. September stellen, indem wir einen Planer für die Schule auswählen.
Wann geht es mit dem Neubau des Bauhofs los?
Der Bauvorbescheid ist im Haus. Das Architekturbüro Mohr geht jetzt an die Objektplanung. 2018 kann es dann mit dem Bau vis á vis vom Recyclinghof losgehen.
Am 11./12. Juni haben Minderjährige den Kindergarten auf dem Ruhbühl verwüstet. Wie steht es mit der Sanierung?
Voraussichtlich können wir erst wieder Anfang Oktober den Betrieb aufnehmen. Es hat sich erst letzte Woche herausgestellt, dass die wochenlange Trocknung des vollkommen unter Wasser gesetzten Gebäudes nicht ausreicht. Wir müssen für die Zukunft auf Nummer sicher gehen den ganzen Estrich erneuern. Zum Glück haben wir zu Beginn des neuen Kindergartenjahres für die Kinder des Ruhbühl die Möglichkeit der Unterbringung in drei anderen Einrichtungen.
Wer trägt die Kosten, die wohl mehr als 100 000 Euro betragen?
Dafür werden die Versicherungen aufkommen, wobei unsere Gebäudeversicherung sich mit den Versicherungen der Eltern jener Kinder, die den Schaden angerichtet haben, vermutlich auseinandersetzen werden. Den betroffenen Eltern ist das alles sehr peinlich. Sie haben sich bei uns in aller Form entschuldigt.
Der neue Schulrektor sucht eine Wohnung, ein Arzt, der sich in Immenstaad niederlassen will, und der neue Bürgermeister möchte ja auch im Ort wohnen. Die Gemeinde ruft immer wieder dazu auf, für Flüchtlinge Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Alle suchen, wenige werden fündig. Dabei wird doch an allen Ecken und Enden der Gemeinde gebaut. Wie passt das zusammen?
Das ist wie in anderen Seegemeinden. Neue Baugebiete zu entwickeln, ist schwierig. Die Reserven sind endlich. Südlich der Gehrenbergstraße haben wir eine Fläche, die in weiten Teilen im Eigentum der Gemeinde ist, aber die Entscheidung, dort einen Bebauungsplan aufzustellen, hängt von der Weiterplanung der B 31 ab. Kommt es zu einer Ausbaulösung, was wir nicht hoffen, können wir das vergessen. Wer will schon hinter meterhohen Lärmschutzwänden wohnen? Von Nachverdichtung ist heute zwar viel der Rede, doch das Thema ist sehr unbeliebt und nur bedingt realisierbar, da wir zwar Baurecht schaffen können, aber keine Bauverpflichtung. Die Interessenskollisionen sind einfach zu stark, als dass damit viel zu erreichen wäre. Auf dem Wohnungsmarkt gehen derweil die Preise durch die Decke.
Wie steht es mit dem zweiten Bauabschnitt für Flüchtlingsunterkünfte in Bürglen?
Wir haben hier Pläne in der Schublade, die wir kurzfristig realisieren können. Nach der vom Gemeinderat am 31. Juli beschlossenen Priorisierung wollen wir zunächst in der Strandbadstraße fünf bis sechs Mobile Homes platzieren. Einstweilen setzen wir jedoch weiterhin auf Anmietung von Wohnungen. Das hat bisher ganz gut geklappt; dennoch sind wir bei der Unterbringung von anerkannten Flüchtlingen im Obligo, sodass wir die Pläne voraussichtlich brauchen werden.
„Wir können zwar Baurecht schaffen, aber keine Bauverpflichtung.“
Im gewerblichen Bereich läuft es besser. Mit Steigwiesen II neben dem Materialwirtschaftszentrum MWZ der MTU kann es bald losgehen?
Ja, die Planung ist fertig, die Flächen sind bis auf den inneren Bereich, den wir noch bewusst zurückhalten wollen, vergeben. Am Montag, den 4. September, ist der erste Spatenstich. Zwölf Firmen, die zu 99 Prozent aus Immenstaad und Friedrichshafen kommen, werden dort bauen. Darüber freue ich mich sehr und bin glücklich, dass ich das noch anschieben kann.
Aus welche Branchen kommen die Firmen?
Aus der Informationstechnologie, der Elektrotechnik, dem Verlagswesen, dem Handwerk und dem Logistikbereich. Außerdem entsteht ein Innovationszentrum, das jungen Firmen die Möglichkeit bietet, sich dort zu etablieren. Das wird eine äußerst spannende Sache.
Und wann macht der Immenstaad Schultes Urlaub ?
Nach der Eröffnung des Weinfestes am kommenden Freitag werden wir eine Woche nach Griechenland zum Segeln gehen.