Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Es schwärmt sich gut im Museumsviertel
Ravensburg: Die fünfte Lange Nacht der Museen erfreut die Herzen vieler Besucher
RAVENSBURG - Zur Langen Nacht der Museen sind am Freitagabend wieder viele Menschen in die vier Museen der Ravensburger Oberstadt gekommen. Anfangs noch zu hochsommerlichen Temperaturen, dann bei Regen, Sturm und Gewitter, was den verschiedenen Atmosphären in den Ausstellungsräumen aber nicht viel anhaben konnte. Neben den ausgebuchten Direktorenführungen waren es vor allem die kurzweiligen Auftritte von Mottentheater, HexenPerformance und Finanz-Jonglage, die die Besucher erfreuten.
Erst die Eintrittskarte und diese dann gegen das grüne Bändel tauschen, hieß es in der Warteschlange an der Kasse im Museum Humpisquartier. Schon vor dem eigentlichen Beginn um 19 Uhr füllten sich die Foyers für die ersten Direktorenführungen. So im Wirtschaftsmuseum Ravensburg auf der noch sonnenbeschienenen Terrasse im Innenhof. Hier duftete es nach fruchtigen Teesorten, die das IHK-Unternehmen Goldmännchen-Tee zu einer klassischen Teeverkostung anbot. Gegenüber erläuterte Museumschef Christian von der Heydt den ersten Besuchern das in Kooperation mit Studenten der Pädagogischen Hochschule Weingarten entwickelte Spiel „Bier-Wirtschafts-Lehre!“zur Ausleihe an Schulklassen. Hier könne man noch damit kokettieren, brutto und netto zu verwechseln. In anderen Ländern sei das längst peinlich, machte von der Heydt mit einigem Humor auf den Faktor Wirtschaftslehre aufmerksam.
Schweres leicht verdaulich
„Bier ist keine so trockene Grundmaterie und für 16-Jährige durchaus ein Thema“, ist er überzeugt, dass künftig der Unterschied von Umsatz und Absatz kein Problem mehr darstellt. Mit ihm trat Finanz-Jongleur Christoph Rummel auf die Bühne. Er griff zu den Bällen, womit ihm eine inspirierende Performance in Sachen Industrie 4.0, Automatisierung und Digitalisierung gelang. „Man braucht als Unternehmen ein breites Kreuz“, war vor dem Hintergrund der Sonderausstellung „150 Jahre IHK Bodensee-Oberschwaben“zu hören. Dazu eine Jonglage, die Schweres leicht verdaulich machte.
Darum ging es auch in von der Heydts Einblick in die Industriellenfamilie Julius Spohn im 19. Jahrhundert. Da diente der freie Sonntag nicht zur Erholung der Arbeiter, sondern dem Kirchgang. Während der Akkordarbeit herrschte Sprechverbot. Pausen gab es nicht und auch keine Toiletten. Vor allem die Frauen erhielten weniger Lohn, waren sie in der Regel nur Zusatzverdienerinnen. Dennoch die Anfänge des Kündigungsschutzes sorgten für Gegenwind. Rummels „Lebenshilfe Light“Jonglage entließ die Besucher in einen bereits stark verdunkelten Nachthimmel – auf dem Weg ins Kunstmuseum zu Lili Fischer und ihrem Mottentheater.
Von wegen normale Insekten
„Motten, kommt hierher! Nicht die aus den Kleidern, sondern die Nachtfalter!“, trat die Hamburger Künstlerin vor das Publikum und begab sich in das Leben einer Motte. Kein normales Insekt sei das. Es habe eine Seele in sich. Schaut man der 70-jährigen Lili Fischer zu, wie sie eine Fotografie nach der anderen hervorzieht, diesen oder jenen Falter verschmitzt lachend mit „Das könnte Helmut Kohl und Helmut Schmidt, Joseph Beuys, Pina Bausch oder Paula Modersohn-Becker sein“anpreist, verwandelt sie sich selbst in einen ihrer geliebten Nachtschwärmer – lustvoll den Mottenklöppel schwingend. Nach einer Meditation von der nimmersatten „dicken, fetten Raupe“hin zum grazilen Falter waren die Zuschauer an der Reihe, sich die umstehenden Kostüme überzuziehen. Zeigten sich einige Besucher von der Performance Fischers enttäuscht (bedingt durch eine Fußverletzung), entschädigte der tanzfreudige Falter-Ball zu Klängen Vivaldis allemal.
Wieder draußen, wo es in Strömen goss, hinein ins Museum Ravensburger und zu Rainer Weishaupts „Bubbleheads“. Mittels 3DBrille ließen sich seine ulkigen Kopffüßler im geschützten Raum erkunden – nicht weit entfernt von der jungen Band Layout mit gecoverten Popsongs und einer Saftbar zum Pausieren. Einige machten einen Abstecher in die Galerie 21.06 oben in der Marktstraße, um dann im ausgebuchten Innenhof im Museum Humpisquartier auf die Führung von Andreas Schmauder zum Thema „Hexenwahn“zu warten. Ob die Frau mit krummer Nase bei Hänsel und Gretel, die Hexe in der Fasnet oder Bibi Blocksberg – all das habe so gut wie nichts damit zu tun, was hier vor 500 Jahren stattfand. Schadenzauber, Hexensabbat und Teufelspakt sind die Stichworte, mit denen Schmauder seine Zuhörer in das Zeitalter der europäischen Hexenverfolgung mitnahm.
Eine sinnbildhafte, dunkel-düstere Verkörperung bot der Auftritt der Künstlerin „Die Hexe“aus Belfast. In Schwarz gehüllt mit weit ausladenden Flügelschwingen inszenierte sie sich zum elektronischen Soundtrack aus Soft Metal und Dark Ambient. Ihr Schatten legte sich im Hintergrund auf das projizierte Bild der Erde und verlieh dieser Performance eine mystische Aura. Die Nachtschwärmer blieben – auch noch bis zur letzten Leuchtjonglage.