Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Obstbauer klagt gegen Neubaugebiet in Schmalegg
Verwaltungsgerichtshof soll über Bebauungsplan entscheiden – Konflikte wegen des Lärms befürchtet
RAVENSBURG - Das jahrelange Tauziehen um das Neubaugebiet „Brachwiese III“in der Ravensburger Ortschaft Schmalegg findet kein Ende. Nun hat der Landwirt, dessen Obstplantage an das neue Wohngebiet grenzt, einen Normenkontrollantrag beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim eingereicht. Er möchte verhindern, dass es mit den zukünftigen Bewohnern der Brachwiese wegen Lärmbelästigungen zu Konflikten kommt. Die Lösung der Stadt, auf passive Lärmschutzmaßnahmen zu setzen, hält der Bauer für unzureichend.
Seit über fünf Jahren plant die Stadt schon an dem Neubaugebiet am südlichen Rande von Minnesängerstraße, Ritter-Heinrich-Straße und Schenkenstraße (die SZ berichtete mehrfach). Der erste Spatenstich war mal für 2014 angesetzt. Doch das Nebeneinander von Siedlungsentwicklung und Landwirtschaft stellte von Beginn an ein Problem dar: In unmittelbarer Nachbarschaft des Wohngebietes liegen ein landwirtschaftlicher Tierhaltungsbetrieb und eine Obstplantage. Lärm- und Geruchsemissionen können nicht ausgeschlossen werden.
So schrumpfte das ursprünglich geplante Neubaugebiet auf sieben Hektar zusammen. In einem ersten Bauabschnitt sollen auf 40 Grundstücken TRAUERANZEIGEN 90 Wohneinheiten entstehen – darunter Einfamilienhäuser, Doppelhäuser und Mehrfamilienhäuser. Weitere Bauabschnitte gibt es vorerst nicht – zumindest nicht, solange der benachbarte Obstbaubetrieb existiert.
Der betroffene Obstbauer, der hier anonym bleiben will, denkt bei Weitem nicht ans Aufgeben. Schließlich hat er die 25 Hektar große Intensivobstplantage schon bewirtschaftet, bevor die Brachwiese III entworfen wurde. Es ist seine Hauptplantage. Sie reicht direkt an das Neubaugebiet heran. Der Betrieb der Anlage ist – so sagt der Landwirt selbst – mit „erheblichem Lärm“verbunden. 30- bis 40-mal im Jahr muss er mithilfe von lauten Geräten Pflanzenschutzmittel ausbringen – zum Schutze von Bienen circa zehn- bis 15-mal pro Jahr auch nachts. Für die Bewohner hieße dies, sie würden den Lärm über eine Dauer von zehn Stunden deutlich wahrnehmen.
Eine Umstellung auf biologischen Obstanbau würde laut dem Landwirt nichts ändern. „Vielmehr wären dann im Vergleich zu einer konventionellen Bewirtschaftungsweise sogar rund ein Drittel mehr Spritzungen erforderlich, da andere Pflanzenschutzmittel zum Einsatz kommen“, erklärt er über seinen Anwalt Clemens Muñoz.
Um das Lautstärkeproblem zu lösen, schreibt die Stadt Ravensburg den Bauherren der Brachwiese III passive Lärmschutzmaßnahmen vor. Die Änderung des Bebauungsplanes wurde vom Gemeinderat im Dezember 2016 beschlossen. Heißt: Die Häuslebauer müssen sich vor Lärm selbst schützen – zum Beispiel, indem sie alle Türen, Fenster und Wände dreifach statt doppelt verglasen oder besonders verstärken. Dieser Schritt geht dem Obstbauer und seinem Anwalt nicht weit genug. Konflikte seien programmiert, meinen sie. Ihre Befürchtung: Der landwirtschaftliche Betrieb könnte den Kürzeren ziehen, wenn sich die Häusleund Wohnungsbesitzer später über den Lärm beschweren und dagegen klagen.
„Es ist nicht im Ansatz als realistisch zu bezeichnen, dass die Bewohner des neuen Baugebiets bei Beginn der Spritzungen die Fenster über die lange Zeitdauer schließen werden“, so Rechtsanwalt Muñoz. Darüber hinaus könnten die Außenbereiche der Grundstücke durch die vorgesehenen passiven Lärmschutzmaßnahmen überhaupt nicht geschützt werden, sagt er. Die Folge: Der landwirtschaftliche Betrieb sei gefährdet.
Daher haben der betroffene Landwirt und sein Anwalt einen Normenkontrollantrag eingereicht. Mit diesem solle die Rechtmäßigkeit des Bebauungsplanes „Brachwiese III“und des verabschiedeten Bebauungsplans „1. Änderung des Bebauungsplans „Brachwiese III“überprüft werden. Das Ziel ist laut Anwalt Muñoz, dass der Verwaltungsgerichthof die Pläne für unwirksam erklärt.
„Natürlich richtet sich das Begehren unseres Mandanten nicht gegen die Entstehung von neuer Wohnbebauung allgemein“, teilt der Rechtsanwalt mit. Doch das Risiko für seinen Betrieb sei dem Bauer zu hoch – besonders, weil der Betrieb dessen Lebensgrundlage bilde. Clemens Muñoz hat zudem rechtliche Bedenken: Dass die Bewohner des neuen Baugebietes sich über Jahre hinweg mit dem übermäßigen Lärm einverstanden erklären und auf Schutzmaßnahmen durch die Stadt verzichten, sei rechtlich nicht möglich. Und: Die Rechtsprechung räume landwirtschaftlichen Betrieben grundsätzlich einen Schutzanspruch vor sogenannter „heranrückender Wohnbebauung“ein, um den Betrieben ihr Fortbestehen zu ermöglichen, so Muñoz.
Über den Fall soll nun der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg entscheiden. Ein Hauptverhandlungstermin wurde von dem Gericht noch nicht festgesetzt. Die Stadt Ravensburg möchte sich zu dem anhängigen Normenkontrollverfahren nicht äußern. Baubürgermeister Dirk Bastin sagt auf SZ-Anfrage lediglich: „Während eines laufenden Rechtsverfahrens können wir keine Aussagen machen.“