Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Krug macht Druck
Projektleiter hält bei weiteren Technikpannen Abbruch des Tests für möglich – Gräfes Verhalten „unverzeihlich“
FRANKFURT (dpa/SID/sz) - Monatelang wurde getestet, diskutiert und abgewogen – nach den technischen Problemen zum Start, kochen nun die Diskussionen um den Videobeweis erneut hoch. Projektleiter Hellmut Krug hält bei weiteren Pannen sogar einen Abbruch der Testphase für möglich. „Wir können nicht Wochen und Wochen so weitermachen. Vor allem für Schiedsrichter ist das unzumutbar“, sagte der Schiedsrichtermanager des DFB bei Sky. „Wenn es weiterhin so läuft, müssen wir uns etwas anderes überlegen.“
Am ersten Spieltag konnte der neue Videoassistent in einigen Spielen nur teilweise oder gar nicht zum Einsatz kommen. Zudem stand die zur Unterstützung bei Abseitsentscheidungen vorgesehene kalibrierte Hilfslinie bei den Samstagspielen nicht zur Verfügung. Die DFL hatte diese Pannen bereits am Sonntag als „nicht hinnehmbar“kritisiert und für diese Woche ein Gespräch mit der Geschäftsführung des Dienstleiters Hawk-Eye angekündigt.
Laut Krug könnte ein überlastetes Glasfaserkabel Ursache der Probleme gewesen sein. Sollte es keine schnelle Lösung geben, sei laut Krug vieles vorstellbar. „Man müsste zurückgehen zur alten Form ohne Videoassistenten oder eine Van-Lösung wie in Italien ausprobieren“, sagte er. Derzeit werden die Bilder zentral in Köln ausgewertet.
DFB-Präsident Reinhard Grindel würde ein schnelles Ende für den Videoassistenten bedauern, sieht er ihn doch als „äußerst nützlich“an. „Die technischen Pannen sind bedauerlich. Aber dort, wo er funktionierte, wurden klare Entscheidungen getroffen“, sagte der 55-Jährige. „Wenn sich die Technik eingespielt hat, bringt das mehr Gerechtigkeit in den Fußball“, betonte Grindel.
Der Technik-Blackout zum Bundesligaauftakt ist natürlich Wasser auf die Mühlen der Kritiker. Doch trotz der Probleme sorgte die Neuerung am ersten Spieltag gleich mehrfach für gerechtere Entscheidungen. Die Bayern profitierten mit einem nachträglich – und zurecht – zugesprochenen Elfmeter beim 3:1 gegen Bayer Leverkusen ebenso davon wie Eintracht Frankfurt beim 0:0 in Freiburg, wo Schiedsrichter Manuel Gräfe nach Intervention ein irreguläres Tor der Hausherren zurücknahm.
Nicht zurückgenommen hat der Referee jedoch seine im „Tagesspiegel“geäußerte scharfe Kritik über seine ehemaligen Chefs Krug und Herbert Fandel (wir berichteten). Diese Angelegenheit bringt Krug noch mehr auf die Palme als die technischen Probleme mit dem Videobeweis. „Dass ein Schiedsrichter einen Kollegen aus den eigenen Reihen angreift und ihn diskreditiert, das ist für uns unverzeihlich und nicht akzeptabel“, sagte der 61-Jährige.
Gräfe hatte Krug und Fandel, den früheren Schiedsrichterchefs von DFB und DFL, unter anderem fehlende Transparenz, schlechten Führungsstil und Günstlingswirtschaft vorgeworfen und und auch den Aufstieg seines Kollegen Felix Zwayer hinterfragt. Zwayer machte trotz seiner Verwicklung in den Wettskandal um Robert Hoyer Karriere. Krug kann die Vorgehensweise von Gräfe nicht nachvollziehen: „Manuel kann kritisieren, aber die Form muss gewahrt werden. Wir Referees treffen uns mehrmals im Jahr, deswegen hat uns die Kritik komplett überrascht. Wir werden uns zusammensetzen und das aufarbeiten.“
Auch der frühere FIFA-Referee Markus Merk kritisierte die Attacken: „Das ist unvorstellbar. In keinem Team dieser Welt darf es so etwas geben“, schimpfte er und erklärte: „Zwayer ist ein Topmann, hat in den letzten Jahren Manuel Gräfe in der FIFA-Liste überholt, das kratzt und beißt vielleicht an ihm.“Dagegen hatte Bernd Heynemann, ebenfalls früherer FIFA-Schiedsrichter, in der Dienstagsausgabe der „Schwäbischen Zeitung“Verständnis gezeigt für Gräfes Positionen.