Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
„Blaue Blume“hat die Kisten ausgepackt
Umzug des Wohn- und Kulturprojekts fast geschafft – Jetzt wartet die Bauabnahme
FRIEDRICHSHAFEN - Vor knapp einem Monat ist die „Blaue Blume“von ihrer vormals illegal genutzten Wiese in Windhag an ihr neues Zuhause im Fallenbrunnen umgezogen. Dieser Tagen werden die letzten Arbeiten auf dem Weg in die Legalität erledigt – doch die große Prüfung steht noch bevor.
Sie freut sich schon auf ihr neues Zuhause: Sarah Weber. Die 31-Jährige arbeitet im Seenforschungsinstitut in Langenargen. Doch statt in eine Miet-Etagenwohnung mit Tiefgaragenstellplatz, wie bei so vielen, wird sie ihr Heimweg vom Arbeitsplatz demnächst wieder in einen alten Bauwagen im Fallenbrunnen führen. Vor rund anderthalb Jahren hat sie sich, für diese Art zu leben und zu wohnen, entschieden: „Das war damals spannend, weil wir keinen Strom hatten, kein fließendes Wasser, keine Heizung“, erzählt sie.
Bauwagen, Hütten, Kultur
Weber berichtet vom Leben in der „Blauen Blume“, jenem umstrittenen Wohn- und Kulturprojekt in Friedrichshafen, das zunächst eine Wiese in Windhag illegal besetzt hatte, ehe es mit Segen von Stadtverwaltung und Politik einen legalen Platz für Bauwagen, Hütten und Kulturangebote gab – direkt vor dem Campus der Zeppelin-Universität in Friedrichshafen.
Doch mit dem Umzug an den neuen Platz ist für Bewohnerin Sarah und das Projekt manches anders geworden. Rund sechs Bewohner und 100 bis 150 Unterstützer des Projekts müssen in der neuen Legalität nun so manche Annehmlichkeit modernen Lebens nutzen– die sie einst willentlich abgeschafft hatten.
Rund sechs Monate dauerte das Bauverfahren. Neben Auflagen für Brandschutz und weiteren Bauvorschriften wurden der „Blauen Blume“vom Stadtbauamt unter anderem ein Strom-, Wasser- und Abwasseranschluss ins Pflichtenheft geschrieben. Statt Komposttoilette und Wassertank gibt es künftig also einen Badezimmerwagen mit Anschluss an die öffentliche Kanalisation, erklärt Louisa Deinhart, „Blaue Blume“-Mitglied und Sprecherin der bunt gemischten Initiative von Studenten, Lehrern, Arbeitern und weiteren Liebhabern alternativen Lebensstils.
„Wir bräuchten diese Dinge nicht unbedingt, aber rechtlich ist das vorgeschrieben“, sagt Deinhart bei einem Baustellenrundgang vor wenigen Tagen, während Bagger noch letzte Meter an Kanälen aufgraben, Rohre verlegt werden und Helfer im neu angeschafften Toilettenwagen Boden und Wände verschrauben. Mit 4000 bis 5000 Euro Kosten für die Bauarbeiten, dazu Verwaltungskosten von rund 7000 Euro, rechnet die „Blaue Blume“derzeit.
Spenden, Zuschüsse und der Kulturbetrieb des Projekts sollen das refinanzieren: „Dafür aufzukommen, ist für uns die größte Herausforderung“, sagt Deinhart. Dennoch sei man froh, den Umzug gemeinsam mit dem Stadtbauamt bewältigt zu haben – und, dass die Auseinandersetzungen um das Projekt nun enden könnten.
Die letzte Hürde davor steht nun an. „Bei der Schlussabnahme prüft das Bauamt, ob alle bauordnungsrechtlichen Vorschriften aus der Baugenehmigung eingehalten wurden. Dabei werden beispielsweise die Strom- und Wasseranschlüsse überprüft. Geprüft wird auch, ob die Bauwagen so angeordnet wurden, wie es in der Baugenehmigung vorgesehen ist“, teilt die Stadt Friedrichshafen auf Anfrage mit. Erst mit dem „Go“der Bauexperten stehe dann fest, ob die „Blaue Blume“weitermachen kann – „oder ob noch weitere Gespräche notwendig sind“, so eine Sprecherin.
Derzeit scheinen alle Beteiligten optimistisch zu sein, dass es klappt. Dann könnte es in wenigen Wochen auch offiziell wieder losgehen mit Kunst und Musik, Werkstattbetrieb und „Urban Gardening“, Bühne und „Weddingbus“der „Blauen Blume“und vor allem: mit dem Einzug der Bewohner in ihre Hütten und Bauwägen. „Dann ist das hier wie eine große WG“, freut sich Sarah Weber auf den Tag des Wiedereinzugs.