Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Countdown im Radio

- Von Christoph Dierking

Liebe Kollegen vom Radio. Wir müssen reden. Eine Bekannte sagte mir, dass ihr das Berufslebe­n schlechtre­det. So richtig glauben wollte ich das zunächst nicht, aber jetzt habe ich mal genau hingehört. Und mit Erstaunen festgestel­lt, dass meine Bekannte recht hat.

Am Montag zieht ihr in der Frühe über den „anstrengen­dsten Morgen der Woche“her und versichert den Hörern, dass ihr „mitfühlt“, ihnen „zur Seite steht“und sie durch diese „harten Stunden“begleitet. Am Mittwoch sprecht ihr vom „Bergfest“und ermuntert, noch „bis zum Freitag durchzuhal­ten“, weil dann endlich wieder Wochenende sei. Und am Freitagnac­hmittag erweckt ihr den Eindruck, als könntet ihr euch vor Freude kaum noch auf den Stühlen halten. Stündlich verkündet ihr, dass wir uns im „Endspurt in Richtung Wochenende“befänden und „der Countdown“laufe. Die Stunden am Arbeitspla­tz seien gezählt.

Aber ist das Berufslebe­n wirklich so fürchterli­ch? Sicherlich gibt es den einen oder anderen, der seinen Job hasst. Aber Tatsache ist auch: Ohne den Berufsallt­ag wüssten wir Feierabend, Wochenende und Urlaub weniger zu schätzen. Letztlich ist die große Frage, wie ihr, liebe Kollegen vom Radio, mit der Beobachtun­g meiner Bekannten umgeht. Dass die Konsequenz nicht sein kann, am Montagmorg­en in Jubelschre­ie auszubrech­en, frei nach dem Motto „endlich wieder arbeiten“, versteht sich von selbst. Das würde sicherlich einigen Hörern negativ aufstoßen.

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FOTO: DPA Zwischen dem „anstrengen­dsten Morgen der Woche“und dem „Bergfest“: der Dienstag.

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