Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Krieg und Frieden
Die Linke-Kandidatin Claudia Haydt will faire globale Spielregeln und ein Umdenken in der Gesellschaft
LANGENARGEN - Das Malereck in Langenargen ist in der Tat ein malerischer Ort, weitab wähnt man sich bei dieser Aussicht von allem Übel der Welt. Es ist der Lieblingsplatz von Claudia Haydt, die für die Linke in den Bundestag einziehen möchte. Die 50-Jährige ist in der Friedensbewegung groß geworden und erinnert sich: „Viele Eltern waren damals in der Rüstungsindustrie beschäftigt.“Gegen Aufrüstung, gegen Waffenhandel, gegen den Nato-Nachrüstungsbeschluss ist sie seinerzeit auf die Straße gegangen.
„Die Unternehmen sollen nicht die Pforten schließen“, sagt sie heute mit Blick auf die Arbeitnehmer. Allerdings, so ihre Idee, könnten die Rüstungsmilliarden in Forschungsmittel für andere Projekte fließen. „Das ist eine staatliche Aufgabe, das zu ändern.“Eine Lösung wäre laut Haydt ein Konversionsfonds für Unternehmen. Auf die Frage, ob das einem „Schwerter zu Pflugscharen“nahe käme, nickt sie.
„Selbst etwas machen“
Als Claudia Haydt im Teenager-Alter politisch aktiv wird, ist die Welt noch vom Ost-West-Konflikt und der Gefahr des Atomkriegs dominiert. Sie geht mit der Friedensbewegung und gegen Atomkraft auf die Straße. Ihre Eltern behindern sie nicht. Ihr Vater erkennt das Engagement an, sagt unter dem Eindruck des letzten großen Weltkrieges: „Krieg darf es nie wieder geben.“Bei den Demonstrationen knüpft sie immer mehr Kontakte: „Wir leben in einer Demokratie. Wenn sich etwas ändern soll, muss man selbst etwas machen.“
Das Thema Krieg und Frieden ist für sie auch heute noch aktuell. Claudia Haydt ist wissenschaftliche Mitarbeiterin für Menschenrechte und Abrüstung bei der Linken-Bundestagsabgeordneten Inge Höger. Claudia Haydt hat auch eine klare Position, was Auslandseinsätze der Bundeswehr anbelangt: Sie ist dagegen. Man müsse eher schauen, wie man Konflikte präventiv verhindern könne, sagt die Kandidatin. „Es gibt keine schnelle Lösungen durch den Einsatz von Militär.“Generell gehe es darum, in globalem Maßstab fairere Spielregeln zu schaffen.
Da ist sie konsequent. Lange war die Religionswissenschaftlerin und Soziologin in ihrem Studienort Tübingen für die Grünen im Stadtrat und Kreistag. Die Kommunalpolitik gefiel ihr: „Man kann viel bewegen und versteht die Probleme.“1999 war Schluss: Führende Grüne befürworteten den Einsatz deutscher Soldaten im Rahmen des Nato-Kampfeinsatzes im Kosovo. Sie trat aus der Partei aus.
Die Linke zog sie in der Gründungsphase als parteilose Sachverständige hinzu. Haydt trat 2008 ein, ein Jahr später. Ging sie früher gegen den Staat auf die Straße, sagt sie heute: „Ein handlungsfähiger Staat ist wichtig.“Das habe sie im Laufe der Jahre verstanden.
Ausbau des ÖPNV
Als ein Beispiel nennt sie das Thema Verkehr. Zwar komme man sicher nicht um den Ausbau der B 31 herum, sagt Haydt, aber: „Je mehr Straßen wir bauen, desto mehr Verkehr ziehen wir an.“Das sei nicht der einzige Weg, eine Alternative sei, mehr Güter auf die Schiene zu bringen.
Bei nicht elektrifizierbaren Streckenabschnitten könne man dann auch über neue Technologien nachdenken, etwa Triebwagen mit Batterien für die Überbrückung auszustatten. Auch im öffentlichen Personennahverkehr sei ein guter Takt mit mehr Wagen notwendig. Natürlich, sagt Haydt, werde ein solches Angebot nicht von heute auf morgen angenommen. Aber es sei notwendig, um einen „deutlichen geringeren Individualverkehr“ zu erreichen. Hier seien auch Modelle wie der Bürgerbus oder Rufbussysteme denkbar.
Ein weiteres Beispiel ist für sie Wohnen in Langenargen: „Der Wohnraum ist sehr teuer. Hier sind Vorgaben notwendig, damit auch Normalverdiener keine Probleme bei der Wohnungssuche haben.“Auch in der reichen Bodenseeregion gebe es viele Alleinerziehende und Teilzeitkräfte. Dabei gehe es nicht um soziale Grenzfälle, sagt Claudia Haydt, selbst Erzieherinnen in Vollzeit könnten hier schon an Grenzen stoßen.
Generell, sagt sie, sei es eine Frage des Menschenbildes. So lehnt sie auch Hartz IV ab. Aus Angst würden Menschen schlecht bezahlte Jobs annehmen und seien erpressbar. Richtig ist aus ihrer Sicht eine Grundversorgung von Menschen, die diese Hilfe benötigten. Ein Haus solle deswegen keiner verkaufen, trotzdem müsse der Bedarf geprüft werden. Hier müsse Geld umverteilt werden. Da sei auch Thema, Steuerflucht zu erschweren und die Vermögensund Erbschaftssteuer heranzugehen.
„Die grundlegende Frage ist: Wie will ich die Gesellschaft haben, in der ich lebe?“, sagt sie, während die Wellen am Malereck leise plätschern.
Drei Fragen an Claudia Haydt sehen Sie im Internet unter schwaebische.de/haydt3fragen