Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Erschütternde Zeitgeschichte
Ich werde nicht schweigen (Arte, Fr., 20.15 Uhr)
– Dieser Film geht unter die Haut. Die zweifache Mutter Margarete Oelkers (stark: Nadja Uhl) will 1948 Kriegs- witwenrente beantragen und stößt auf Widerstand. Vor allem beim Ex-Chef ihres gefallenen Mannes. Dr. Ahrens (überzeugend: Rudolf Kowalski), während und nach der NS-Zeit Leiter des Gesundheitsamts in Berlin, ist merkwürdig abweisend. Als sie schließlich wütend auf ihr Recht pocht und dabei eine Scheibe zu Bruch geht, wird sie wegen Schizophrenie in die Heilanstalt Wehnen gesteckt. Dort ordnet der skrupellose Chefarzt furchtbare Therapien an – bis hin zur Elektroschockbehandlung. Nach einem Jahr darf Margarete gehen. Sie ist traumatisiert, aber nicht gebrochen. Beim Kampf um das Sorgerecht für ihre Kinder, das ihr entzogen wurde, kommt sie hinter das Geheimnis der Anstalt: In der Nazizeit ließ man dort die Kranken einfach verhungern.
Das Erbärmlichste an diesem authentischen Verbrechen ist, dass es erst in den 1990er-Jahren aufgedeckt wurde, weil niemand redete. Regisseurin Esther Gronenborn erzählt vom erschütternden Schicksal ihrer Großmutter, die durch den Nazisumpf in Nachkriegsdeutschland waten musste, in dem ein Amtsarzt noch immer voller Überzeugung seine verbrecherische Rassenideologie verkünden konnte. Wer allerdings glaubt, dieser Sumpf sei inzwischen trockengelegt, liegt falsch.