Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Putzfrauen werden zum Wirtschaft­sfaktor

Nachfrage nach Haushaltsh­ilfen boomt – Wertschöpf­ung seit 2006 verdoppelt

- Von Rolf Schraa

BOCHUM (dpa) - Putzen, kochen, Kinder hüten oder Alte pflegen – die Nachfrage nach privaten Haushaltsh­ilfen wächst immer mehr. Sie entwickeln sich nach einer noch unveröffen­tlichten Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW Köln) damit zunehmend auch zum Wirtschaft­sfaktor. Die Wertschöpf­ung der als Minijobber angemeldet­en Kräfte aus Löhnen, Steuern und Sozialabga­ben habe sich von 2006 bis 2016 auf rund 760 Millionen Euro mehr als verdoppelt, heißt es in der Untersuchu­ng im Auftrag der Minijob-Zentrale. Aktuell sind mehr als 300 000 Haushaltsh­ilfen als Minijobber angemeldet, 2006 waren es noch rund 130 000.

Angesichts immer höherer Anforderun­gen im Job und der gleichzeit­igen Alterung der Gesellscha­ft wachse der Bedarf an Hilfe im Haus deutlich, heißt es in der Studie. Rund 40 Prozent aller Haushalte wünschten sich derzeit eine Haushaltsh­ilfe. Nur knapp neun Prozent beschäftig­ten aber gelegentli­ch oder regelmäßig Hilfskräft­e. Die Differenz zeigt ein gewaltiges Potenzial. „Haushaltsn­ahe Dienstleis­tungen sind ein Wachstumsm­arkt von großer ökonomisch­er Bedeutung“, sagte der Direktor der Knappschaf­t-Bahn-See, die die Minijob-Zentrale führt, Heinz-Günter Held. Die Haushaltsh­ilfen kurbeln die Wirtschaft an. Mindestens zwei Drittel des verdienten Geldes würden sofort wieder ausgegeben und sorgten damit für Extraeinna­hmen beim Staat und in der Wirtschaft, sagte der Linzer Volkswirt Prof. Friedrich Schneider.

80 Prozent Schwarzarb­eit

Zwar ist die Schwarzarb­eitsquote immer noch hoch; sie liege bei rund 80 Prozent, heißt es in der Studie. Das entspricht 2,7 bis drei Millionen Haushaltsh­ilfen ohne Anmeldung. Damit entgehen dem Staat Jahr für Jahr Einnahmen in Milliarden­höhe.

Die Zahl der illegal beschäftig­ten Helfer hat sich aber nach den IW-Berechnung­en in den zehn Jahren bis 2016 um etwa 657 000 verringert. Zunehmend meldeten Arbeitgebe­r ihre Helfer an, heißt es in der Studie. Bei Schwarzarb­eit droht den Arbeitgebe­rn ein Bußgeld von bis zu 5000 Euro. Außerdem könnten sie bei Arbeitsunf­ällen haftbar gemacht werden. Das könne im Extremfall bis zur Rentenzahl­ung für Unfallopfe­r gehen, sagte ein Sprecher der MinijobZen­trale. Die Minijob-Zentrale versucht, Arbeitgebe­rn mit einer Online-Stellenbör­se und einem einfachen Anmeldever­fahren die legale Beschäftig­ung schmackhaf­t zu machen. Der Staat lockt mit finanziell­en Anreizen: So zahlen private Arbeitgebe­r für Minijobber nur halb so viel Steuern und Abgaben wie in der gewerblich­en Wirtschaft und können bis zu 510 Euro der Kosten von der Steuer abziehen.

In der Praxis hakt es häufig an den Beschäftig­ten, die nicht angemeldet werden wollen – entweder, weil sie mit mehreren Minijobs sonst die 450-Euro-Grenze überschrei­ten oder weil der Verdienst zu einem großen Anteil auf Hartz-IV- und Unterhalts­leistungen angerechne­t wird.

Kritiker verweisen auch auf die sozial ungleiche Verteilung der Hilfen: „Es geht auch ums „Sich-leistenkön­nen“, heißt es in der Studie. Haushalte, die Minijobber beschäftig­en, verfügen durchschni­ttlich über 4200 Euro Nettoeinko­mmen im Monat – der bundesdeut­sche Gesamtschn­itt liegt bei 2600 Euro netto.

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FOTO: DPA Die Zahl der Haushaltsh­ilfen in Deutschlan­d ist in den vergangene­n Jahren von 130 000 auf 300 000 gestiegen.

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