Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Reichlich frustrationstolerant
Freiburg verliert Ravet früh durch den Videobeweis, trotzt dem BVB aber ein 0:0 ab
FREIBURG – Im Sommer hatte Dortmunds neuer Trainer Peter Bosz für seine Mannschaft im Trainingslager in der Schweiz eine besondere Abwechslung ausgesucht: Auf dem Zürichsee lieferten sich die Profis ein Wettrennen in drei Drachenbooten. Wäre Bosz mal lieber auf Eishockey oder Handball für seine Spieler gekommen! Dann hätten die SchwarzGelben eher eine Ahnung davon, wie ein Überzahlspiel funktioniert. So aber scheiterten die Borussen mit ihrem erschreckend behäbigen Spiel am Samstag beim 0:0 in Freiburg am Abwehrbollwerk der Breisgauer, die nach der Roten Karte für Neuzugang Yoric Ravet eine Stunde lang in Unterzahl dem BVB trotzten.
Der Platzverweis für den von Young Boys Bern gekommenen Mittelfeldspieler war hinterher die am meisten diskutierte Szene der Partie – schließlich war es die erste Rote Karte in der Bundesliga nach einem Videobeweis. Nahe des Mittelkreises hatte Ravet mit seinem langen Bein Marcel Schmelzer am Sprunggelenk getroffen, der BVB-Kapitän, gerade erst von einem Außenbandriss im Sprunggelenk genesen, erlitt einen Teilriss eines Bandes im rechten Sprunggelenk und fällt sechs Wochen aus. Schiedsrichter Benjamin Cortus zückte zunächst die Gelbe Karte, schaute sich nach Intervention des Videoassistenten Günter Perl das Foul auf einem Monitor noch eimal an und revidierte die Entscheidung. „Rot war absolut vertretbar“, sagte SC-Trainer Christian Streich und versicherte, sein hämischer Beifall nach dem Platzverweis habe nicht dem Schiedsrichtergespann gegolten, „sondern einer anderen Person. Aber ich rede nicht darüber“.
Streich hatten die BVB-Reaktionen auf der Dortmunder Bank geärgert. BVB-Sportdirektor Michael Zorc schlug zurück: „Er hätte sich mehr darum kümmern sollen, wie die Verletzung zustandegekommen ist. Die Karte war nicht rot, sondern dunkelrot.“Der ehemalige SC-Spieler Maximilian Philipp, der – genau wie der Ravensburger Ömer Toprak – von den Freiburgern mit Beifall empfangen wurde, fand es „nervig, wie viel Zeit mit dem Videobeweis verloren geht“.
Bosz kritisierte nicht den Videobeweis, sondern seine Mannschaft, die sage und schreibe 78 Prozent Ballbesitz ungenutzt ließ und der auch eine Quote von 94 Prozent angekommener Pässe nicht reichte. „Wir sind enttäuscht. Wenn wir eine Stunde lang mit einem Mann mehr spielen, müssen wir gewinnen.“Ein Mutmacher für das Champions-League-Spiel am Mittwoch (20.45 Uhr/ Sky und ZDF) bei Tottenham Hotspur sieht anders aus. In Freiburg musste der BVB anfangs gar fürchten, in Rückstand zu geraten. „Wir haben in den ersten 30 Minuten gut gespielt und hatten die Riesenchance zur Führung“, sagte Streich. Stürmer Tim Kleindienst war in der sechsten Minute frei aufs Tor zugelaufen, scheiterte aber am ehemaligen SC-Torhüter Roman Bürki. „Nach der Roten Karte war es dann ein anderes Spiel“, rechtfertigte Streich den Rückzug in die Defensive. „Wir mussten so um den Sechzehner herumstehen, wie wir es getan haben. Dortmund hat eine Riesenqualität.“In der Halbzeitpause konfrontierte Streich seine Spieler mit einer besonderen Wortschöpfung: „Mehrfach war von Frustrationstoleranz die Rede“, verriet Günter. „Er meinte damit, wir sollten nicht frustriert sein, wenn wir den Ball nicht oft haben.“
Statt Frust entwickelten Freiburgs Spieler Lust auf eine Überraschung. Seit 2010 hatte der SC alle zwölf Spiele gegen Dortmund verloren – ausgerechnet in Unterzahl endete die Misserfolgsserie. „Wenn man 60 Minuten lang gegen eine Topmannschaft so verteidigt, ist der Punkt richtig verdient“, meinte Streich. Noch fehle seiner neuformierten Mannschaft die Stabilität, mahnte er. Das neue Zusammengehörigkeitsgefühl will er auf seine eigene Art schaffen. Was er beispielsweise von Teambuilding hält, hat Streich schon vor Jahren mitgeteilt: „Teambuilding – so ein Quatsch! Wir reden miteinander.“