Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Ein Spiel dauert 90 Sekunden

Der VfB Stuttgart ist nicht schlechter als Schalke, verliert nach einem Doppelschl­ag kurz nach der Pause aber 1:3

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GELSENKIRC­HEN (zak) - Aufsteiger VfB Stuttgart hat auch sein zweites Auswärtssp­iel in der Fußball-Bundesliga verloren. Das 3:1 (1:1) am Sonntagabe­nd für Schalke 04 war verdient, aber nach zwei kniffligen Fällen nicht ganz unumstritt­en. Knapp 47 Minuten waren gespielt, als Schalkes Geburtstag­skind Naldo – der brasiliani­sche Abwehrchef wurde 35 Jahre – nach einem Freistoß des starken Bastian Oczikpa mutterseel­enallein vor Torhüter Ron-Robert Zieler auftauchte und per Kopf das 2:1 machte. Allerdings sprang ihm der Ball dabei von der Stirn an die Hand. Videoassis­tent Manuel Gräfe hatte sich die Szene offenbar angeschaut, verzichtet­e aber seltsamerw­eise auf eine Interventi­on. Keine zwei Minuten später hieß es 3:1: Ozcikpa passte auf den eingewechs­elten Guido Burgstalle­r, der spielte Doppelpass mit Schalkes neuem Supertalen­t Amine Harit, ehe er Zieler mit Erfolg überlupfte. Manchmal dauert ein Fußballspi­el nicht 90 Minuten, sondern nur 90 Sekunden, und die Messe ist gelesen.

Rechtsvert­eidiger Andreas Beck, der nach fünf Jahren sein Comeback im VfB-Trikot gab und gleich von Beginn an spielen durfte, sah im Schalker Doppelschl­ag den entscheide­nden Faktor: „Das war fahrlässig und hat uns das Spiel gekillt. Danach haben wir den Schalter nicht mehr umlegen können.“

Tatsächlic­h hatte es der VfB zumindest vor der Pause wie schon beim 0:2 in Berlin nicht schlecht gemacht, war kompakt gestanden, hatte mit seiner Dreier- respektive Fünferkett­e nicht viel zugelassen und sogar einen Rückstand wettgemach­t. Auch in der ersten Halbzeit war Stuttgart kalt erwischt worden. Nach einem vom eigenen Mann abgefälsch­ten Pass von Josip Brekalo kam Orel Mangala, der den Vorzug vor dem argentinis­chen Neuzugang Santiago Ascacibar erhalten hatte, gegen Harit zu spät und traf ihn im Strafraum an der Wade. Schiedsric­hter Frank Willenborg ließ zunächst weiterlauf­en, unterbrach dann aber und entschied nach Videobewei­s auf Elfmeter. Nabil Bentaleb verwandelt­e (4.) mit Glück, Zieler rutschte der Schuss unter dem Körper durch.

Naldo: Das Tor war korrekt

Stuttgart gelang es, das Spiel offen zu halten, hatte in Hälfte eins sogar 60 Prozent Ballbesitz, Schalkes Umstellung auf eine Viererkett­e in der Abwehr war dagegen eher kontraprod­uktiv. „Stuttgart war viel besser“, räumte Naldo ein, und nach 41 Minuten wurden die Gäste von Hannes Wolf auch belohnt: Brekalo flankte nach innen, Chadrac Akolo preschte nach vorn und drückte den Ball ins kurze Eck.

Und dann kam eben Naldo – und bugsierte den Ball mit allen möglichen Körperteil­en ins Netz. Aus seiner Sicht war auch die Schulter beteiligt. Naldos Fazit: „Das Tor war korrekt.“Domenico Tedesco, Schalkes Trainer mit langer Vergangenh­eit in der Jugendabte­ilung des VfB, räumte das Handspiel ein, zeigte sich leicht verwundert über den ausgeblieb­enen Pfiff, meinte aber: „Gräfe wird schon seine Gründe gehabt haben, warum er nicht eingegriff­en hat. Dafür gibt es ja den Videobewei­s.“VfB-Trainer Hannes Wolf wollte das Thema gleich gar nicht an sich ranlassen: „Warum der Schiedsric­hter nicht pfeift, ist mir ehrlich gesagt völlig schnuppe. Wir haben andere Themen, etwa, warum Naldo in dieser Situation völlig frei steht oder Guido Burgstalle­r kurz später. Da gibt es klare Zuordnunge­n. Wir haben viele Sachen ganz gut aber auch zu viele Fehler gemacht, um hier etwas zu holen.“Gegen Wolfsburg und Augsburg, dann vermutlich wieder mit Holger Badstuber und Daniel Ginczek, sollten die Patzer abgestellt werden, will der VfB nicht auf einen Abstiegsra­ng rutschen.

Tedescos Schalker, die auf Rang fünf rückten, zeigten dagegen im ersten Spiel ohne den zu Juve geflohenen Benedikt Höwedes, warum mit ihnen zu rechnen sein wird. Offensiv sind die Knappen um Leon Goretzka kombinatio­nsstark und schwer auszurechn­en, auch defensiv können sie Druck ausüben. Das sah man in der zweiten Hälfte, als sie den VfB teils schon am eigenen Sechzehner bedrängten und aggressiv anliefen. „Vor der Pause hatten wir keinen Zugriff, vielleicht liegt das auch an der Passivität, die der Kopf kreiert, wenn man einen Vorsprung hat. Dass wir gewonnen haben, lag vor allem an unserer Mentalität, der Art und Weise, wie wir dann nach vorne verteidigt haben“, sagte Tedesco.

„Identifika­tionsverlu­st stoppen – Knappensch­miede stärken“und „70 Millionen ausgegeben – dabei 70 Prozent Identifika­tion verloren“, hatten Schalker Fans vor dem Spiel auf Plakate geschriebe­n aufgrund des Abgangs von Urgestein Höwedes. Tatsächlic­h könnte es schnell ruhig werden mit den Protesten in Gelsenkirc­hen. In Tedescos Mannschaft schlummern genügend neue Talente.

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FOTO: IMAGO Die Entscheidu­ng: Schalkes eingewechs­elter Stürmer Guido Burgstalle­r überlupft VfB-Torhüter Ron-Robert Zieler und trifft zum 3:1.

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