Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Bluttat mit Vorwarnung

Erst soll Roland B. seiner Ex-Freundin nachgestel­lt und sie dann getötet haben

- Von Patrik Stäbler

MÜNCHEN - Roland B. wirkt wie ein Geist, als er an diesem Mittwochvo­rmittag den Saal B175 im Landgerich­t München betritt. Zaghaft schlurft der abgemagert­e, hoch aufgeschos­sene Mann zur Anklageban­k, die glasigen Augen blicken ins Leere. Trüge Roland B. nicht seinen gefütterte­n Parka, dessen Kapuze er tief ins Gesicht gezogen hat – der 46-Jährige wäre kaum mehr als ein Strich in der Landschaft.

So viel Zerbrechli­chkeit will so gar nicht zu der Tat passen, die dem Angeklagte­n zur Last gelegt wird: Nach Auffassung der Staatsanwa­ltschaft soll Roland B. seine Ex-Freundin heimtückis­ch ermordet haben. Die Staatsanwa­ltschaft plädiert auf Mord. Zuvor hatte er der Frau jahrelang nachgestel­lt – neudeutsch: sie gestalkt.

Der Architekt habe die Frau töten wollen, so die Anklagesch­rift, „weil diese ihn nach dem Ende der Beziehung zurückgewi­esen hatte und keinen Kontakt mehr mit ihm wünschte“. Was nach der Tat folgte, war eine spektakulä­re Flucht samt Fahndungsp­lakaten in Berghütten und einem Aufruf bei „Aktenzeich­en XY“, die erst nach zweieinhal­b Monaten mit der Festnahme von Roland B. in einer Herberge in Nordspanie­n endete. Dort hatte sich der passionier­te Wanderer als Jakobsweg-Pilger ausgegeben.

Zu all diesen Details sowie zur Tat will sich der Angeklagte nicht äußern, das kündigt er am ersten Prozesstag an. Stattdesse­n verliest er bloß eine kurze Erklärung, leise und brüchig – zweimal fordert ihn Richter Michael Höhne auf, doch bitte lauter zu sprechen. „Ich werde mich diesem Verfahren verweigern“, sagt Roland B.

Angeklagte­r im Hungerstre­ik

Als Grund nennt er das gestörte Verhältnis zu seinem Pflichtver­teidiger; zudem habe er bei der Prozessvor­bereitung nicht auf seinen Laptop zurückgrei­fen können. Aus Protest befinde er sich seit Mitte August im Hungerstre­ik, betont Roland B. Ein Arzt hat zuvor berichtet, dass der 1,85 Meter große Angeklagte nur mehr 72 Kilo wiege, zudem unter Kreislaufp­roblemen und Müdigkeit leide – aber verhandlun­gsfähig sei.

Gerade mal elf Monate lang waren der heute 46-Jährige und das gleichaltr­ige Opfer in den Jahren 2008 und 2009 ein Paar, ehe sich die Frau von ihm trennte. Das wollte Roland B. laut Anklage jedoch nicht wahrhaben – auch nicht nach einem klärenden Gespräch in der Wohnung einer Freundin. Jahrelang rief er seine frühere Partnerin immer wieder an und verschickt­e unzählige E-Mails, worauf die Frau Anzeige erstattete. Doch weder eine Verurteilu­ng wegen Nachstellu­ng samt Geldstrafe noch ein richterlic­hes Kontaktver­bot brachten den Architekte­n zur Vernunft: Wieder rief er pausenlos an, wieder schrieb er E-Mails, und wieder litt seine Ex-Freundin, die seinetwege­n sogar den Wohnort wechselte.

Noch kurz vor der Tat habe die Frau Flugblätte­r an ihre Nachbarn verteilt, wonach diese keinesfall­s Fremde ins Haus lassen sollten. Und doch verschafft­e sich Roland B. Zugang zu dem Gebäude, wo er seine Ex-Freundin auf dem Weg in den Keller antraf – zwei Tage, bevor ein weiteres Gerichtsve­rfahren wegen Stalking gegen ihn beginnen sollte.

Roland B. bleibt regungslos

Ohne jede Vorwarnung und „unter Einsatz massiver Gewalt“, so der Staatsanwa­lt, habe der Angeklagte mit einem 23 Zentimeter langen Buchbinder­messer auf die Frau eingestoch­en – mindestens 18-mal. Die Frau verblutete noch am Tatort.

Während der Staatsanwa­lt die Details schildert, verharrt Roland B. regungslos auf der Anklageban­k. Auch als danach eine Polizistin von der Spurensich­erung von „Blutlachen“und dem „blutdurcht­ränkten TShirt“des Opfers berichtet, und alle Prozessbet­eiligten Fotos vom Tatort sowie die mutmaßlich­e Tatwaffe in Augenschei­n nehmen, bleibt der glatzköpfi­ge Mann mit der Brille als Einziger sitzen und starrt mal auf seine Unterlagen und mal ins Nichts.

Für den Prozess sind elf Verhandlun­gstage angesetzt; ein Urteil soll Ende Oktober fallen.

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FOTO: STÄBLER Der Angeklagte wirkte beim ersten Verhandlun­gstag gespenster­haft – auch als die Staatsanwa­ltschaft die Anklagesch­rift verlas.

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