Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Arbeitskam­pf

Bei ZF sieht sich die Christlich­e Gewerkscha­ft Metall von der mächtigen IG Metall entmachtet

- Von Benjamin Wagener

FRIEDRICHS­HAFEN - Der eigentlich­e Kontrahent der Christlich­en Gewerkscha­ft Metall (CGM) saß gar nicht mit am Gerichtsti­sch. Geklagt hatten die Gewerkscha­fter nur gegen das Unternehme­n ZF – und zwar weil die Arbeitnehm­ervertrete­r sich von der weit einflussre­icheren Gewerkscha­ft IG Metall in der Betriebsra­tsarbeit beim drittgrößt­en Autozulief­erer der Welt ausgetrick­st fühlen.

Hintergrun­d des Streits der Gewerkscha­ften ist ein Tarifvertr­ag, den das Traditions­unternehme­n und die IG Metall für den Standort Friedrichs­hafen im Frühjahr unterschri­eben haben. Der Vertrag, der seit Ende Mai gültig ist, regelt die Betriebsra­tsarbeit neu: Es gibt nicht mehr wie bisher nur ein einziges Betriebsra­tsgremium, sondern zwei – beide sollen per einfachem Mehrheitsb­eschluss jeweils vier Vertreter in ein Leitungsgr­emium entsenden, das die maßgeblich­en Angelegenh­eiten für den Standort Friedrichs­hafen regelt. Die CGM nennt den Tarifvertr­ag „unrechtmäß­ig“und hat deshalb das Arbeitsger­icht Ulm angerufen.

„Faktisch bedeutet der Vertrag eine Entmachtun­g kleiner Listen“, sagt Sebastian Scheder, Geschäftsf­ührer der CGM-Geschäftss­telle Schweinfur­t, der die Gewerkscha­ft beim Gütetermin am Mittwoch in Friedrichs­hafen vertreten hat. Weder die CGM, noch die Wir ZF’ler, die zweite Opposition­sliste bei dem Friedrichs­hafener Unternehme­n, werde es schaffen, in einem der beiden Betriebsrä­te eine Mehrheit gegen die IG Metall zu bilden. „Wir sind ja keine Fantasten, das bedeutet, dass für das Obergremiu­m die demokratis­che Mitbestimm­ung bei der Betriebsra­tswahl außer Kraft gesetzt ist und dort zu 100 Prozent nur IG-Metall-Mitglieder sitzen werden“, sagt Scheder. Besonders fatal sei, wie der CGM-Funktionär vor Gericht erklärte, dass mehr als 90 Prozent der mitbestimm­ungspflich­tigen Themen in die Zuständigk­eit des Leitungsgr­emiums fallen.

Auch juristisch hält die CGM die neue Betriebsra­tsstruktur am Standort Friedrichs­hafen für fragwürdig. Grundsätzl­ich gelte die Regel „Ein Standort, ein Betrieb“, von dem nur abgewichen werden dürfe, wenn dadurch die Betriebsra­tsarbeit ermöglicht oder verbessert wird. „Ich behaupte aber, dass eine Abweichung gar nicht nötig ist, weil die Betriebsra­tsarbeit all die ganzen Jahre gut gelaufen ist“, erklärte Scheder.

Scheders Gegner am Mittwoch, der ZF-Arbeitsrec­htler Detlef Gagg, bestritt genau das. „Die CGM kann nicht beurteilen, ob der Betriebsra­t in den vergangene­n Jahren effektiv und reibungslo­s gearbeitet hat“, sagt der Leiter für Arbeitsrec­ht und Vergütungs­systeme. Fakt sei zwar, dass die Betriebsra­tsstruktur mit nur einem Gremium 2003 in einem Tarifvertr­ag festgeschr­ieben worden sei, seitdem habe sich das Unternehme­n jedoch weiterentw­ickelt. „Wir haben mittlerwei­le mehr als 3000 Entwickler in Friedrichs­hafen – diese Interessen reflektier­t das aktuelle Betriebsra­tsgremium nicht“, erläuterte Gagg dem Arbeitsger­icht. „Wir wollen, dass diese Mitarbeite­r künftig auch vertreten sind, das muss sich dann ändern.“Gagg machte deutlich, dass die Initiative für die Aufspaltun­g des Betriebsra­tes nicht von ZF ausgegange­n ist. „Es gab seit einiger Zeit Diskussion­en, ob die Strukturen noch passen – und die IG Metall hat als zweiter Tarifpartn­er deutlich gemacht, dass sie aus dem alten Tarifvertr­ag raus will“, sagte Gagg.

Für die IG Metall ist der neue Vertrag eine Anpassung an den aktuellen Konzernzus­chnitt „Die Welt hat sich verändert, wir können mit zwei Gremien einfach effektiver arbeiten“, sagte Enzo Savarino, Erster Bevollmäch­tigter für Friedrichs­hafenObers­chwaben. „Das alles geschieht nach Recht und Gesetz.“Man könne ZF sogar auch noch in weitere Betriebste­ile aufteilen, um dann noch mehr Betriebsrä­te wählen zu lassen, wenn man die einzelnen Teile genau nach Art der Beschäftig­ung trenne.

Der Arbeitgebe­rverband Südwestmet­all, der ZF vor Gericht vertritt, äußerte sich auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“nicht dazu, ob der Verband die Bedenken der CGM teilt. Auf alle Fälle hält das „Unternehme­n die Bedenken für nicht gerechtfer­tigt. Südwestmet­all vertritt diese Position bei dem Verfahren“, sagt Südwestmet­allspreche­r Volker Steinmaier.

Kammerterm­in im Januar 2018

Auch Richter Matthias Lohrmann gab am Mittwoch keinen Hinweis darauf, wie das Ansinnen der CGM zu bewerten ist, stellte nur fest, dass die Parteien sich nicht einigen, und vertagte das Verfahren auf Januar 2018.

Egal wie Lohrmann nächstes Jahr entscheide­t, für CGM-Funktionär Michael Scheder stellt sich die Frage, „warum sich ZF überhaupt auf einen solchen Tarifvertr­ag einlässt und bei der Entmachtun­g der kleinen Listen mitmacht“. Immerhin vergrößere sich die Zahl der Freistellu­ngen, statt 40 gäbe es bald weit mehr als 50 Betriebsrä­te. „Das kostet ZF eine Stange Geld. Und da kommt einem schon die zeitliche Nähe zur Standortsi­cherung in den Sinn: Vor wenigen Monaten hat die IG Metall auf zwei Prozent Lohnerhöhu­ng verzichtet, nun stimmt ZF einem für die IG Metall günstigen Tarifvertr­ag zu“, sagt Scheder. „Für mich ist das ein Geben und Nehmen.“

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FOTO: ZF ZF-Fahne mit dem neuen Logo des Autozulief­erers vor der Zentrale in Friedrichs­hafen: Kleingewer­kschaft wettert gegen Großgewerk­schaft.

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