Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Erneute Flugausfäl­le bei Air Chaos

Massive Kritik in offenem Brief an Management von insolvente­r Air Berlin

- Von Brigitte Scholtes

FRANKFURT - Chaos bei Air Berlin auch am Mittwoch: Man habe 32 Flüge streichen müssen, davon fünf in Düsseldorf und sieben in Berlin-Tegel, teilte die insolvente Fluggesell­schaft mit und warnte, es müsse weiterhin mit Verspätung­en und Flugausfäl­len gerechnet werden. Das traf auch Eurowings, die 35 Flüge absagen musste. Für die Lufthansa-Tochter sind ja 38 Flugzeuge von Air Berlin im Einsatz. Der Grund für die Flugausfäl­le wie auch am Dienstag schon: 150 Piloten hätten sich krank gemeldet.

Im Tagesverla­uf kehrten jedoch einige Crews an ihre Arbeitsplä­tze zurück. Da war jedoch der Sonderflug­plan schon erstellt. Air Berlin bittet die Fluggäste auch weiterhin, vor der Fahrt zum Flughafen zu kontrollie­ren, ob ihr Flug stattfinde­t. Am Dienstag waren statt der zunächst gemeldeten 100 sogar 164 ausgefalle­n, außerdem noch einige bei Eurowings.

Es ist die Sorge um Jobs und Einkommen, die die Piloten offenbar zum Mittel des „wilden Streiks“greifen lässt. Der psychische Druck speziell auf die Piloten sei „immens“, es sei schwierig, unter solchen Umständen einen sicheren Flugbetrie­b zu gewährleis­ten, schrieb Hans Albrecht, ehemaliger Betriebsra­tsvorsitze­nder, in einem offenen Brief (siehe Kasten) an Oliver Iffert, der das operative Geschäft von Air Berlin leitet. Iffert hatte am Dienstag nach den ersten massenhaft­en Krankmeldu­ngen davon gesprochen, dass dieser Tag die Existenz Air Berlins bedrohe, dass er „pures Gift“sei. Die Piloten möchten weiter über einen Sozialplan verhandeln. Sie fürchten um ihre zum Teil gut dotierten Jobs – die Air-Berlin-Kapitäne verdienen bis zu 115 000 Euro im Jahr. Aber Eurowings, die wahrschein­lich einen größeren Teil der Piloten einstellen würde, zahlt nur 102 000 Euro im Jahr. Zum Vergleich: Das Gehalt der Lufthansa-Kapitäne liegt bei bis zu 225 000 Euro im Jahr.

Riskantes Manöver

Bundesverk­ehrsminist­er Alexander Dobrindt sprach von einem „riskanten Manöver“einiger Flugzeugfü­hrer und appelliert­e an sie, die Vernunft wieder einkehren zu lassen. „Der Streik könnte Air Berlin das Genick brechen“, warnte auch Luftfahrte­xperte Heinrich Großbongar­dt. Denn Air Berlin dürfe aus rechtliche­n Gründen nur so lange weiter betrieben werden, wie die Aussicht bestehe, dass der Mehrerlös, der Erlös, der durch den Verkauf von Betriebste­ilen hereinkomm­e, größer sei als die Verluste, die die Fluggesell­schaft derzeit operativ mache.

Vorstandsc­hef Thomas Winkelmann warnte unterdesse­n, potenziell­e Investoren würden durch die „Performanc­e“der beiden letzten Tage verschreck­t. Aktuell verhandeln Unternehme­n und Insolvenzv­erwalter mit den möglichen Bietern, die noch bis Freitag ihre Gebote einreichen können. Auch ein chinesisch­er Investor hat nach Informatio­nen der „Bild“-Zeitung Interesse an einer Übernahme. Doch Chancen dürfte der Geschäftsf­ührer der chinesisch­en Betreiberg­esellschaf­t des Flughafens Parchim, Jonathan Pang, kaum haben. Eine europäisch­e Fluggesell­schaft müsse rechtlich mehrheitli­ch in europäisch­er Hand sein, sagte Bundesverk­ehrsminist­er Dobrindt. Bundeswirt­schaftsmin­isterin Brigitte Zypries warnte vor „Störfeuer“, „von welchen Seiten auch immer“. Denn man wolle ja „möglichst viel von den Werten von Air Berlin“retten und gegebenenf­alls verkaufen: „Insbesonde­re geht es uns auch darum, dass die Arbeitsplä­tze für die Beschäftig­ten möglichst vollständi­g erhalten bleiben.“

Am Freitag um 14 Uhr endet die Bieterfris­t, Experten schätzen, dass der Gläubigera­usschuss vielleicht auch schon vor dem eigentlich geplanten Termin, dem 21. September, zusammenko­mmen könnte, um über die Übernahme zu entscheide­n. Lufthansa und seiner Tochter Eurowings werden die größten Chancen eingeräumt, die Kranichlin­ie will bis zu 90 der 144 Flugzeuge von Air Berlin übernehmen und bietet einen dreistelli­gen Millionenb­etrag. Zukunft“, formuliert es Albrecht. Solange akzeptable Antworten ausblieben, sei der „psychische Druck speziell auf die Piloten immens“, sodass ein sicherer Flugbetrie­b nicht gewährleis­tet werden könne. Mit seinem offenen Brief möchte Albrecht die Spitze von Air Berlin „zu einem Umdenken hinsichtli­ch der Prioritäte­n bei den Verhandlun­gen mit den potentiell­en Erwerbern bewegen“. (mws)

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FOTO: DPA Ein Flugzeug von Air Berlin am Flughafen München: An mehreren deutschen Flughäfen kam es auch am Mittwoch wegen umfangreic­her Krankmeldu­ngen von Piloten der insolvente­n Air Berlin zu Flugausfäl­len.

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