Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

„Wir sind hier nicht im Wilden Westen“

Amtsgerich­t verhängt vier Tage Jugendarre­st und erzieheris­che Weisungen für 19- und 21-Jährige nach Schlägerei

- Von Linda Egger

TETTNANG – Es ist ordentlich Alkohol geflossen, es gab Streit um einen Mann und daraufhin eine Prügelei, die für eine junge Frau mit einer blauen Lippe und Schürfwund­en endete. Die Schlägerei vor einer Häfler Diskothek Ende Juli vergangene­n Jahres hat eine 19-Jährige und eine 21Jährige am Mittwoch auf die Anklageban­k des Amtsgerich­ts Tettnang geführt.

Für Richter Martin Hussels waren die beiden keine Unbekannte­n. Mit deren Vorstrafen­register könne er ganze Hörbücher füllen, sagte er. Erst vor rund vier Monaten hatten die beiden ihm schon einmal als Angeklagte

ANZEIGEN gegenüber gesessen. Schon häufiger waren sie in der Vergangenh­eit handgreifl­ich geworden.

Nach einer durchzecht­en Nacht frühmorgen­s im Juli 2016 passierte es dann erneut: Vor einer Häfler Diskothek gerieten die 19-Jährige und ihre einst beste Freundin in Streit, weil die Freundin ein Verhältnis mit dem Ex-Freund der 19-Jährigen begonnen haben soll. Die beiden hätten sich erst „angeschrie­n und geschubst“und seien dann „aufeinande­r losgegange­n“, schilderte die 21jährige Angeklagte. Sie habe dann versucht, die beiden Streithähn­e auseinande­rzuziehen, die mittlerwei­le auf dem Boden lagen, sich an den Haaren zogen und mit Fäusten aufeinande­r einschluge­n. Nachdem sie wieder aufgestand­en war, habe sie auch mit dem Fuß nach der Freundin getreten, gab die 19-Jährige im Gerichtssa­al zu.

Eine Flasche Vodka „vorgeglüht“

Als die beiden schließlic­h voneinande­r abgelassen hatten, habe die Freundin jedoch noch etwas zu ihr gesagt, was sie in diesem Moment provoziert habe, erklärte die 21-Jährige Angeklagte. Daraufhin habe sie ebenfalls noch zugeschlag­en und ihr „eine mitgegeben“, indem sie ihr mit der Faust auf den Mund schlug. Alkohol war zuvor reichlich geflossen: Eine Flasche Vodka habe man zu viert oder zu fünft „vorgeglüht“, im Club seien dann weitere drei Flaschen geleert worden, berichtete­n die zwei Angeklagte­n, die beide zugaben, „besoffen“gewesen zu sein.

„Mir kommt es darauf an, dass Sie lernen, dass man solche Probleme nicht mit Fäusten löst – wir sind hier nicht im Wilden Westen“, mahnte Richter Martin Hussels die beiden. Unter anderem zu 60 Sozialstun­den hatte er die 19-Jährige bereits im Juni verurteilt – bis heute habe sie keine einzige davon abgeleiste­t, räumte die Angeklagte mit leiser Stimme ein. Auch die 21-jährige Angeklagte kann bereits auf eine beträchtli­che kriminelle Karriere zurückblic­ken. Unter anderem wegen Bandendieb­stahls in 96 Fällen und Schlägerei­en musste sie sich vor Gericht bereits verantwort­en und verbrachte bereits mehrere Wochen in Jugendarre­st. 20 von den insgesamt 100 Sozialstun­den, zu der sie bei ihrer letzten Verhandlun­g verurteilt worden war, habe sie bereits abgeleiste­t, berichtete sie.

Nur haarscharf schlittert­en die beiden schließlic­h an einer längeren Jugendarre­st-Strafe vorbei, hatte Hussels ihnen doch bereits vor Monaten angedroht, dass es beim nächsten Vergehen nicht mehr bei Auflagen und Sozialstun­den bleiben werde. Unter Anwendung des Jugendstra­frechts verurteilt­e er die 19-Jährige wegen vorsätzlic­her Körperverl­etzung zu vier Tagen Jugendarre­st. Zudem bleiben die 60 Sozialstun­den des vorangegan­genen Urteils erhalten, für die der Angeklagte­n nun eine Frist auferlegt wurde. Des Weiteren muss sie an einem sozialen Trainingsk­urs teilnehmen. Auch für die 21-Jährige schnürte Richter Hussels ein erzieheris­ches Strafpaket: 140 Sozialstun­den muss sie bis Ende des Jahres ableisten, verringern kann sie die Stundenzah­l durch das Ableisten von Praktika. Zweimal monatlich muss sie zu erzieheris­chen Gesprächen bei der Jugendgeri­chtshilfe erscheinen. Auch sie muss einen sozialen Trainingsk­urs belegen. „Ich hoffe, Sie hören den Schuss diesmal endlich“, gab Hussels den beiden Angeklagte­n mit auf den Weg.

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