Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Die Positionen der Parteien
Der Dieselskandal hat das Vertrauen der Menschen in die Wirtschaft schwer erschüttert. Der Betrug ist nicht die erste Affäre in den vergangenen Jahren, in der die Wirtschaftselite gegen Gesetze oder gegen die Grundsätze der guten Geschäftsführung verstoßen hat. Was werden Sie tun, wenn Ihre Partei nach der Bundestagwahl die Regierung stellt, damit solche Verbrechen nicht mehr vorkommen?
„Die Soziale Marktwirtschaft kann ohne ein Wertegerüst nicht funktionieren. Wer die Freiheit will, hohe Gewinne machen zu können, muss auch für Verluste oder Fehlverhalten einstehen. Für die CDU ist es wichtig, dass unternehmerische Verluste nicht sozialisiert, also auf die Verbraucher und Steuerzahler abgewälzt werden. Im Bankensektor haben wir mit dem Europäischen Bankenabwicklungsfonds und dem Abwicklungsmechanismus gute Lösungen gefunden, die eine solche Sozialisierung von Verlusten deutlich unwahrscheinlicher macht. Bei VW haben wir beobachtet, dass der Aufsichtsrat unverhältnismäßige Vorstandsvergütungen durchgewunken hat. Dies bestätigt uns in unserem generellen Vorhaben, die Mitspracherechte der Aktionäre in der Hauptversammlung auch bei Fragen der Vorstandsvergütung zu stärken. Wir wollen auch künftig einen fairen Wettbewerb sicherstellen. Dazu wollen wir zum einen das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen immer wieder an neue Entwicklungen anpassen. Um Missbrauch zum Beispiel durch Kartelle zu verhindern und so Verbraucher zu schützen, braucht es zum anderen eine starke Aufsicht. Klar ist auch: Wer sich gesetzeswidrig verhält,
dafür zur Rechenschaft gezogen werden.“(CDU-Zentrale)
„Eines ist für die SPD ganz klar: Es ist nicht hinnehmbar, wenn in der Industrie betrogen und getrickst wird. Unternehmen müssen gesetzestreu handeln. Letztlich ist das eine Frage für Staatsanwaltschaft und Gerichte. Das Versagen der Manager darf weder zu Lasten der Verbraucher, noch zu Lasten der Beschäftigten gehen. Es geht um Hunderttausende Arbeitsplätze und um das Image von ,Made in Germany’. Beim Dieselskandal sind Vereinbarungen getroffen worden, die auf ihre Wirksamkeit überprüft werden müssen. Im Herbst wird es einen weiteren Gipfel geben, der gegebenenfalls weitere Maßnahmen treffen muss. Dazu gehört auch die Kontrolle des Kraftfahrtbundesamtes. Für die SPD geht es darum, Dieselfahrverbote zu verhindern, denn die würden insbesondere Pendler, Handwerker und Gewerbetreibende hart treffen. Wir werden für mehr Rechtsklarheit sorgen. Sanktionen für kriminelle Verfehlungen von Unternehmen stellen wir auf eine neue gesetzliche Grundlage. Dafür schaffen wir Kriterien, um den Strafverfolgungsbehörden und Ge-
richten scharfe und zugleich flexible Sanktionsmöglichkeiten an die Hand zu geben.“(SPD-Sprecher)
Das Prinzip des ehrbaren Kaufmanns sollte wieder als Leitlinie unternehmerischen Handelns begriffen werden. Auch bei gesetzgeberischem Versagen gilt, dass Praktiken wie die Cum-ExGeschäfte möglicherweise legal, aber eben nicht legitim waren. So etwas ist ethisch nicht zu rechtfertigen. Bei einer großen Marktmacht funktionieren Absprachen unter wenigen Akteuren – bei einem breit gefächerten Wettbewerb vieler ist das nicht möglich. Deswegen ist es umso wichtiger, dass es eine funktionierende Aufsicht gibt. Für die kriminellen Machenschaften vor allem von VW im Dieselskandal gibt es keine Entschuldigung. Vorstände und Aufsichtsräte müssen für ihre Fehler juristisch und politisch die Verantwortung übernehmen. Politikversagen muss sich der Bundesverkehrsminister vorwerfen lassen. Die FDP will den Wettbewerb als Innovationstreiber fördern, das Eigenleben des Kraftfahrt-Bundesamtes beenden, Fahrverbote vermeiden, fordert
eine lückenlose Aufklärung der Vergehen und mahnt die Autoindustrie, aus ihren Fehlern zu lernen.“(Präsidiumsmitglied Michael Theurer)
„Rechtsbruch darf sich nicht lohnen. Gesetze gegen Betrug, Korruption oder Menschenrechtsverletzungen nützen aber nichts, wenn die Verstöße nicht geahndet werden. Das werden wir ändern. Die Grünen werden bei rechtswidrigen Handlungen von Unternehmen Sanktionsmöglichkeiten einführen, die wirksam abschrecken. Die finanziellen Sanktionen sollen nicht mehr fest nach oben begrenzt sein, sondern ein Mehrfaches des aus dem Verstoß erlangten Gewinns betragen können oder sich am Umsatz orientieren dürfen. Eine Umgehung von Sanktionen durch Rechtsformwechsel wollen wir ausschließen, damit sich Unternehmen nicht mehr aus der Verantwortung stehlen können. Die Verfahren zur Rechtsverfolgung müssen auch transparenter werden. Zudem wollen wir fördern, wenn Unternehmen Complianceund Whistleblowingsysteme einführen. Die Geldbußen sollen auch
nicht ausschließlich an die öffentlichen Kassen fließen, sondern Einrichtungen fördern, die zur Aufklärung von Unternehmensverstößen beitragen.“(Spitzenkandidat Cem Özdemir)
„Das mangelnde Vertrauen der Menschen in die Wirtschaft könnte dem durchaus zutreffenden Eindruck geschuldet sein, dass es den Top-Managern nicht um die Interessen der Menschen geht. Wir wollen, dass Konzerne, die Schaden verursacht haben, für diesen aufkommen müssen. Im Falle des Dieselskandals heißt das, dass die Unternehmen die betroffenen Fahrzeuge auf ihre Kosten umrüsten müssen. Die Linke ist jetzt schon die einzige Partei im Bundestag, die keine Unternehmensspenden annimmt. Wir wollen ein grundsätzliches Verbot solcher Spenden. Außerdem fordern wir ein Beschäftigungsverbot von Lobbyisten in Ministerien, ein Beschäftigungsverbot von Abgeordneten bei Unternehmen und eine Abkühlphase von drei Jahren, bevor Minister oder Staatssekretäre in ein Unternehmen wechseln können, mit deren Interessen sie zuvor befasst waren. Abgeordnete, die Nebeneinkünfte haben, müssen diese exakt offenlegen. Dazu fordern wir ein Lobbyregister. Für die Managermuss
gehälter wollen wir Obergrenzen einführen. Sie dürfen nicht mehr als das Zwanzigfache des niedrigsten Gehalts im Unternehmen betragen. Schon 2013 haben wir uns für ein Ende der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Jahresgehältern über einer halben Million Euro eingesetzt und gefordert, Boni und überhöhte Abfindungen auszuschließen.“(Sprecherin Lia Petridou)
„Bei kriminellen Machenschaften muss gegen die individuell Verantwortlichen mit der vollen Härte des Gesetzes vorgegangen werden. Wir sollten aber nicht ganze Industriezweige bestrafen und etwa wegen des Dieselskandals Fahrverbote verhängen. Die Unternehmen bestehen nicht nur aus korrupten Managern, sondern auch aus Tausenden von Arbeitnehmern, die für die Entscheidungen der Oberen nichts können. Alles andere wäre verantwortungslos.“(AfD-Sprecher Christian Lüth)
(Anmerkung der Redaktion: Die Stellungnahme der AfD ist nicht gekürzt, trotz mehrmaliger Anfragen hat die Partei der „Schwäbischen Zeitung“nur diese Zeilen geschickt.)