Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Jugendliche fragen auch mal provokativ
Podiumsdiskussion mit den Bundestagskandidaten in der Molke
FRIEDRICHSHAFEN - Bei einer vom Jugendparlament Friedrichshafen organisierten Podiumsdiskussion im Jugendhaus Molke haben sich die Bundestagskandidaten des Bodenseekreises am Dienstagabend den Fragen von Jugendlichen gestellt. Die rund 30 Besucher, meist um die 20 Jahre alt, nutzten die Chance rege.
Die Vorsitzenden des Jugendparlaments, Linda Amazu und Matthias Eckmann, übernahmen die Moderation. „Wir wollten die Jugendlichen in einem kleinen Rahmen ansprechen“, sagte Amazu. Eine fast familiäre Atmosphäre war entstanden, die Besucher saßen um Tische gruppiert, die Kandidaten vor ihnen auf Barhockern. Alle außer Alice Weidel (AfD) waren der Einladung gefolgt. Markus Böhlen (Grüne) wurde anfangs von Ulrich Heliosch vertreten.
Eckmann stieg mit dem Thema Bildung ein: „Martin Schulz hat eine Bildungsoffensive angekündigt, was halten Sie davon?“Leon Hahn (SPD) befürwortete dies: „Obwohl auf Bundesebene viel Geld da ist, kann es wegen Kompetenzgerangel nicht eingesetzt werden.“Auch die anderen Kandidaten sind für die Abschaffung des Kooperationsverbots von Bund und Ländern. So sagte Lothar Riebsamen (CDU): „Ich kann mir gut vorstellen, dass sich etwas tut, wenn die Länder mitziehen.“Als Christian Steffen-Stiehl (FDP) „Schulgutscheine“ ansprach, kam eine provokative Frage aus dem Publikum: „Kann ich so auf Schloss Salem?“Das konnte Steffen-Stiehl nicht versprechen.
Beim Thema ÖPNV waren sich alle einig, dass sich etwas ändern müsse. „Der Zugverkehr ist katastrophal“, befand Böhlen. Sylvia Hiß-Petrowitz (ÖDP) ergänzte: „Wir brauchen einen kostengünstigen Nahverkehr, auch abends.“Riebsamen sah bereits Positives, dennoch müssten die Anbindungen verbessert werden. „Entscheidend ist, ob wir bereit sind das zu finanzieren, und das geht mit einer schwarzen Null nicht“, warf Hahn ein. Claudia Haydt (Linke) sah das Problem in dem Versuch, die Bahn zu privatisieren: „Dadurch wurden Investitionen verpasst.“Darauf konterte Steffen-Stiehl: „Wir wollen die Bahn privatisieren, aber nur die Gesellschaft, die die Schienen befährt. Die Gleisinfrastruktur selbst bleibt beim Staat.“
Außerdem wurden die Themen Digitalisierung und politische Bildung diskutiert. Mit kurzen Ja-/Nein-Fragen schnitten die Moderatoren weitere Bereiche an. Dort gab es keine Differenzen bei den Kandidaten: Alle sind weiterhin für Europa, sehen in Integration eine Chance, aber auch Herausforderung, wollen mehr bezahlbaren Wohnraum schaffen und sind für eine Debatte über die Legalisierung von Drogen.
Pflegeberufe und Frauenquote
Es folgten Publikumsfragen. „Wie wollen Sie Pflegeberufe attraktiver machen?“, fragte Malte Lück. Haydt ist für einen höheren Betreuungsschlüssel, Hahn für bessere Bezahlung und Steffen-Stiehl sieht die Digitalisierung als wichtigen Faktor. Dem widersprach Hiß-Petrowitz: „Ein Roboter kann nicht pflegen.“Böhlen stellte sich gegen die Privatisierung der Krankenhäuser: „Pflege muss ohne Gewinnerwirtschaftung möglich sein.“Lothar Riebsamen musste früher gehen und konnte sich zu den Publikumsfragen nicht äußern.
Die Schlussfrage stellte Beyza Türkmen: „Wie erklären Sie jungen Frauen, dass sie weniger verdienen werden als Männer?“„Das kann man nicht erklären, das muss man ändern“, sagte Böhlen. Er sei für Frauenquoten. Hahn und Hiß-Petrowitz schlossen sich ihm an. Für Haydt wären anonyme Bewerbungen eine Lösung. Gegen Quoten ist SteffenStiehl: „Vom Bild der Quotenfrau wegzukommen, ist sehr schwierig.“
Moderator Eckmann forderte am Ende alle auf, wählen zu gehen: „Jede Stimme zählt.“